Präsidenten der USA und des Iran führen erstes Telefonat

Der amerikanische Präsident Obama und der iranische Präsident Hasan Ruhani haben am Freitag miteinander telefoniert. Das war der erste Spitzenkontakt zwischen den beiden Ländern seit der iranischen Revolution von 1979. Nur wenige Details wurden über das fünfzehnminütige Gespräch bekanntgegeben, aber Ruhani sagte, es sei „größtenteils um die Atomfrage gegangen“. Beide Präsidenten äußerten sich vorsichtig optimistisch, dass eine Übereinkunft zwischen den beiden Ländern erreicht werden könne, um den langjährigen Streit beizulegen.

Dem Telefongespräch gingen am Vortag internationale Gespräche unter Beteiligung von US-Außenminister John Kerry und des iranischen Außenministers Dschawad Sarif voraus, bei denen vereinbart wurde, die auf Eis liegenden Verhandlungen über das iranische Atomprogramm wieder aufzunehmen. Das letzte Treffen der P5+1 Gruppe (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China und Deutschland) mit dem Iran im April in Kasachstan wurde ohne jede Vereinbarung und ohne die Festsetzung eines weiteren Termins abgebrochen.

Die Obama-Regierung versucht jetzt, die Gelegenheit von Ruhanis Wahl im Juni zu nutzen, um dem Iran Zugeständnisse abzuringen. Ruhani hatte seinen Wahlkampf auf einer Plattform von Mäßigung und Dialog in der Außenpolitik geführt und bemüht sich um eine Vereinbarung mit den USA, um die verheerenden Wirtschaftssanktionen der USA gegen den Iran zu beenden und die militärische Bedrohung durch die USA zu beseitigen.

Die P5+1 Verhandlungen sollen Mitte Oktober in Genf beginnen und sich auf das so genannte Endspiel konzentrieren, d.h. darauf, welche Einschränkungen seines Atomprogramm der Iran bereit ist, im Gegenzug zur Aufhebung der internationalen Sanktionen zu akzeptieren. Der Zeitrahmen für die Verhandlungen beträgt ein Jahr. Die vorausgegangenen Gespräche in Kasachstan waren an „vertrauensbildenden Maßnahmen“ gescheitert.

Die USA haben schon eine lange Liste von Forderungen präsentiert. Demzufolge soll der Uran die Urananreicherung auf 20 Prozent beenden, die schwer befestigte Anreicherungsanlage Fordo schließen, auf 20 Prozent angereichertes Uran aus dem Land verschiffen und ein intensiveres Überwachungsregime akzeptieren. Eine weitere Forderung wird wohl den Schwerwasser-Atomreaktor Arak betreffen, der nach seiner Fertigstellung Plutonium produzieren könnte.

In der ABC Sendung “This Week” erklärte der iranische Außenminister Sarif am Sonntag, dass der Iran bereit sei, „über Aspekte seines Anreicherungsprogramms“ zu verhandeln, fügte aber ausdrücklich hinzu: „Unser Recht, anzureichern, ist nicht verhandelbar.“ Er wies erneut die Behauptung der USA und Israels zurück, der Iran strebe den Bau von Atomwaffen an. Er sagte: „Wir brauchen kein waffenfähiges Uran, das ist sicher, und wir werden auch nicht in diese Richtung arbeiten.“

Der Iran pocht immer wieder auf sein Recht, unter dem Atomwaffensperrvertrag, den er unterzeichnet hat, Atomprogramme für zivile Zwecke zu entwickeln. Dazu gehört auch die Anreicherung von Uran für den Einsatz in Atomkraftwerken und in Forschungsreaktoren. Die USA haben immer wieder Resolutionen durch den UN-Sicherheitsrat gepeitscht, die ein Ende aller Anreicherungsaktivitäten des Iran fordern. Sollte diese Forderung konsequent aufrechterhalten werden, würde sie schnell das Ende der geplanten Verhandlungen bedeuten.

Genau dies ist die Forderung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Vor seiner Abreise zu einem Treffen mit Obama am Montag in Washington äußerte sich Netanjahu verächtlich über Ruhanis „Süßholzraspeln und offensives Lächeln“. Dem diplomatischen Korrespondenten von Israels Kanal Eins zufolge kündigte der israelische Ministerpräsident an, er werde Obama sagen, dass Israel den diplomatischen Weg verlassen werde, wenn Irans Atomprogramm nicht vollständig abgewickelt werde. Das ist die Drohung mit einem einseitigen israelischen Militärschlag gegen den Iran.

Auch ist die israelische Regierung durchaus zu Provokationen in der Lage, um die Atmosphäre für Gespräche zu vergiften. Der israelische Geheimdienst hat nicht nur in Zusammenarbeit mit den USA einen Angriff mit einem Computervirus gegen die Anreicherungsanlagen des Iran geführt, sondern steckt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch hinter Mordanschlägen auf iranische Atomwissenschaftler.

Als Netanjahu sich auf dem Flug in die USA befand, behauptete der israelische Inlandsgeheimdienst, er habe einen iranischen Spion festgenommen, der Photos der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv in der Tasche gehabt habe.

Als Ruhani in den Iran zurückkehrte, traf er auf eine Gruppe von etwa sechzig Demonstranten, die sein Auto mit Eiern und einem Schuh bewarfen, um ihre Ablehnung seines Telefongesprächs mit Obama klar zu machen. Die Demonstranten wurden von zweihundert bis dreihundert Ruhani-Anhängern übertroffen. Zwar war der Protest wahrscheinlich von Hardlinern des iranischen Regimes organisiert, aber er ist dennoch auch Ausdruck von Misstrauen und Ablehnung unter Iranern gegen die Kriege und kriminellen Aktivitäten des US-Imperialismus im Nahen Osten.

Die geringe Größe des Protests deutet allerdings darauf hin, dass Ruhanis diplomatische Initiative von herrschenden Kreisen unterstützt oder zumindest geduldet wird, darunter auch vom Obersten Führer Ajatollah Ali Khamenei. Die Schlüsselfrage wird sein, ob Ruhani die Sanktionen zügig mildern kann, denn sie halbieren die wichtigen Ölexporte des Landes und schneiden den Iran vom internationalen Banken- und Finanzsystem ab.

“Neben übertriebenem Optimismus enthielten die Koffer der iranischen Delegation bei ihrer Rückkehr wenig mehr als eine Handvoll Kreditversprechen”, kommentierte die dem Lager der Hardliner zuzurechnende Zeitung Kayhan.

Die Geschwindigkeit, mit der die Syrienkrise und der drohende amerikanische Militärschlag Verhandlungen mit dem Iran Platz gemacht haben, weist darauf hin, dass Teheran die ganze Zeit über im Zentrum von Washingtons Interesse gestanden hat. Noch als Obama vor zwei Wochen das amerikanisch-russische Abkommen über die Zerstörung der syrischen Chemiewaffen bekanntgab, erneuerte er seine militärischen Drohungen gegen den Iran. Er erklärte: „Ich glaube die Iraner verstehen, dass die Nuklearfrage eine wesentlich größere Frage für uns ist als die Chemiewaffen, und dass die Bedrohung Israels durch eine Atommacht Iran unseren Kerninteressen wesentlich näher ist.“

Tatsächlich ist die Behauptung der USA, Iran strebe nach Atomwaffen, seit jeher nur ein Vorwand für eine weitergehende Agenda. Der amerikanische Imperialismus hat sich nie mit dem Schlag abgefunden, den ihm der Sturz von Schah Reza Pahlevi 1979 durch die iranische Revolution versetzt hat. Er hat das islamische Regime immer als ein Hindernis für seine wirtschaftlichen und strategischen Ambitionen betrachtet. Der Iran verfügt nicht nur selbst über erhebliche Öl- und Gasvorkommen, sondern er liegt auch strategisch günstig zwischen den energiereichen Regionen des Nahen und Mittleren Ostens und Zentralasiens.

Noch vor wenigen Wochen standen die USA am Rande eines Bombenkriegs gegen Syrien, der das Potential für einen breiteren Konflikt mit den Verbündeten Syriens beinhaltete, darunter dem Iran. Die überwältigende Ablehnung in der amerikanischen und internationalen Öffentlichkeit zwang die Obama-Regierung, den Chemiewaffendeal mit Russland zu einem zeitweiligen Rückzug zu nutzen. Im Moment versucht die Obama-Regierung zwar, ihre Interessen im Nahen Osten auf „diplomatischem Weg“ durchzusetzen, aber die Gefahr eines Krieges bleibt bestehen.

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