Socialist Alternative-Kandidatin gewinnt bei Stadtratswahl in Seattle

Kshama Sawant, die Kandidatin der Socialist Alternative bei der Stadtratswahl Anfang des Monats in Seattle, Washington, wurde zur Gewinnerin erklärt. Der langjährige Amtsinhaber Richard Conlin (Demokraten) gestand letzte Woche ihre Niederlage ein, nachdem korrigierte Daten der Wahl zeigten, dass Sawant mit 88.222 zu 86.582 Stimmen in Führung lag.

Sawants Sieg - und der Beinahe-Sieg von Ty Moore, eines weiteren Kandidatin der Socialist Alternative in Minnesota - zeigt, dass sich die Bevölkerung von den Demokraten und Republikanern abwendet. Die fortdauernde wirtschaftliche und soziale Katstrophe, deren Ursache die Wirtschaftskrise und die Politik der herrschenden Klasse ist, sorgt für wachsende Ablehnung des Kapitalismus. Trotz der unablässigen Propaganda der Medien zugunsten des freien Marktes zeigen Meinungsumfragen, dass immer mehr Amerikaner Sympathien für den Sozialismus hegen.

Aber trotz ihrer unterschwellig kritischen Haltung gegenüber dem Großkapital hat die breite Masse der Bevölkerung nur ein begrenztes Verständnis davon, was Sozialismus tatsächlich bedeutet. Sawant hatte in ihrem Wahlkampf die latente Sympathie für den Sozialismus ausgenutzt, ohne Forderungen zu stellen, die über die Grenzen des Kapitalismus hinausgingen.

Eine Reihe von Publikationen, darunter der Counterpunch und der Socialist Worker, die Zeitung der International Socialist Organization, feiern Sawants Sieg. Der Socialist Worker bezeichnete in seinem Artikel über Sawants Wahlkampf ihren Sieg als "verblüffendes Ergebnis für eine revolutionäre Sozialistin und ein starkes Symbol für die Unzufriedenheit mit dem politischen Status Quo."

Zweifellos war Sawants Wahlsieg ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem Status Quo und des Verlangens nach Veränderungen. Aber die Beschreibung der Kandidatin als "revolutionäre Sozialistin" grenzt ans Absurde. Abgesehen von gelegentlichen vagen und unverbindlichen Bezugnahmen auf den Sozialismus basierte Sawants Wahlkampf auf nichts weiterem als einem moderaten, reformistischen kapitalistischen Programm. Ihr Wahlsieg ist für den amerikanischen Kapitalismus nicht bedrohlicher als die regelmäßige Wahl des "Sozialisten" Bernie Sanders aus Vermont in den amerikanischen Senat.

Sawants zentrale Forderungen nach einem Mindestlohn von fünfzehn Dollar, Mietpreiskontrolle und einer Steuer für Millionäre, um das öffentliche Verkehrssystem zu finanzieren, decken sich mit Forderungen, die bereits von vielen Ortsverbänden der Demokraten erhoben werden. Im Laufe des Wahlkampfes äußerte sich Danny Westneat in einer Kolumne in der wichtigsten etablierten Zeitung der Stadt, der Seattle Times, sehr positiv über Sawants Hauptforderungen: sie unterschieden sich kaum von denen des amtierenden [demokratischen] Bürgermeisters Mike McGinn oder seines Herausforderers, dem Staatssenator Ed Murray, der mittlerweile zum Bürgermeister gewählt wurde.

Sawant berief sich in ihrem Wahlkampf darauf, dass die Forderung nach einem Mindestlohn in Höhe von fünfzehn Dollar auch von Murray übernommen wurde, einer prominenten Persönlichkeit im Demokratischen Parteiapparat im Bundesstaat Washington.

Abgesehen davon, dass nichts in Sawants Programm eine Gefahr für den Kapitalismus darstellt, war auch ihr Wahlkampf nicht darauf ausgerichtet, die Arbeiterklasse als unabhängige Kraft zu mobilisieren, sondern darauf, Druck auf die Demokraten auszuüben.

Der Socialist Worker befasste sich am Dienstag in einem Artikel mit den grundlegenden politischen Vorstellungen, die die ISO und die Socialist Alternative teilen. Die ISO schrieb, Sawants Wahl und die "Kämpft für 15"-Kampagne der Gewerkschaften seien Teil des generellen Versuchs, den Mindestlohn zu erhöhen; weiter schrieb sie: "Präsident Barack Obama unterstützt Gesetze, die den staatlichen Mindestlohn von 7,25 Dollar auf 10,10 Dollar pro Stunde erhöhen."

Die ISO erklärte zwar, man sollte Obamas Unterstützung für eine Erhöhung des Mindestlohns "skeptisch" bewerten, äußerte sich jedoch dennoch euphorisch, dass seine Haltung "uns zeigt, dass unsere Bewegung an Fahrt gewinnt." Obama und andere kapitalistische Politiker "spüren den Druck."

In Wirklichkeit hat die Obama-Regierung im Auftrag der Wirtschafts- und Finanzaristokratie einen koordinierten Angriff auf die Löhne der ganzen Arbeiterklasse organisiert. Es ist erwähnenswert, dass die Socialist Alternative in ihrer Sonderausgabe zur Wahl, die massenhaft verteilt wurde, nicht ein einziges Mal die Obama-Regierung oder ihre Politik erwähnte. Weder die Rettung der Banken, noch den landesweiten Angriff auf Löhne, noch den Angriff der Regierung auf Social Security und Medicare. Nirgendwo im Wahlkampf wurden der Militarismus des Demokratischen Präsidenten, die Drohnenmorde oder die Überwachung durch die NSA kritisiert.

Die Socialist Alternative brüstete sich auch damit, von mehreren lokalen Gewerkschaften unterstützt zu werden, die ansonsten Kandidaten der Demokraten unterstützen. Darunter waren die Ortverbände der American Postal Workers Union, die International Brotherhood of Electrical Workers, die American Federation of Teachers und die American Federation of State, County and Municipal Employees. Der Labor Council der AFL-CIO für King County unterstützte offiziell Conlin, aber mehrere Mitglieder des Vorstandes unterstützten offen Sawant.

Die Gewerkschaften, die Sawant unterstützen, arbeiten auf lokaler und nationaler Ebene mit der Demokratischen Partei und den Konzernen zusammen, um systematische Angriffe auf die Löhne, Arbeitsplätze und den Lebensstandard der Arbeiter zu organisieren, die sie vorgeblich repräsentieren.

Der arbeiterfeindliche Charakter dieser Organisationen zeigte sich während Sawants Wahlkampf in der Rebellion von 31.000 Maschinisten bei Boeing, dessen Firmensitz außerhalb von Seattle liegt, gegen die Forderungen des Konzerns nach hohen Kürzungen bei Renten und Krankenversicherung, langfristigen Lohn-Nullrunden und dem Verbot von Streiks, die sowohl von der International Association of Machinists (IAM) als auch vom Demokratischen Gouverneur Jay Inslee unterstützt werden. Am Montag nahm Sawant an einer Kundgebung teil, zu der die IAM aufgerufen hatte, und erklärte ihre Solidarität mit der Gewerkschaft.

Die Socialist Alternative, die ISO und ähnliche Gruppen vertreten eine Tendenz in der bürgerlichen Politik. Der Unterschied zwischen ihnen und den politischen Operateuren, die direkt in der Demokratischen Partei arbeiten, ist taktischer Natur. Zwischen Sawant und, beispielsweise, dem neugewählten Bürgermeister von New York Bill de Blasio (der früher im Auftrag von Hillary Clinton arbeitete) findet eine gewisse Arbeitsteilung statt, aber ihre politische Perspektive ist im Grunde die gleiche.

Die Redakteurin des Magazins The Nation, Katrina vanden Heuvel, eine überzeugte Anhängerin der Obama-Regierung, schrieb letzte Woche in der Washington Post, in der Demokratischen Partei bilde sich ein wachsender "demokratischer Flügel." Die Sprache, die sie dabei verwendete, unterscheidet sich kaum von der der ISO und der Socialist Alternative. Sogar die Themen sind identisch.

Vanden Heuvel schrieb über die Wahl von de Blasio und die Kampagne, die Demokratische Senatorin Elizabeth Warren als mögliche Präsidentschaftskandidatin für 2016 ins Spiel zu bringen, und erklärte: "Progressive Demokraten kämpfen für die Anhebung des Mindestlohns auf kommunaler, bundesstaatlicher und nationaler Ebene, und das Weiße Haus deutet an, dass es sich auf Bundesebene daran beteiligen wird. Die Gewerkschaften haben bei zunehmenden Protesten für höhere Löhne im Fast Food-Bereich Erfolge gefeiert."

Die politische Umgruppierung unter pseudolinken Organisationen ist ein internationaler Trend. Socialist Alternative hatte zusammen mit den Gewerkschaften zur Bildung einer neuen Koalition von gleichgesinnten Gruppen aufgerufen, um im nächsten Jahr 100 "unabhängige" Kandidaten bei lokalen Wahlen antreten zu lassen. Ihr Ziel ist es, eine politische Organisation aufzubauen, die sich an Syriza in Griechenland, der deutschen Linkspartei und der Neuen Antikapitalistischen Partei in Frankreich orientiert.

Alle diese dem Namen nach "linken" Organisationen helfen dabei, das kapitalistische System zu stützen. Socialist Alternative, die ISO und ähnliche Gruppen wollen in den Vereinigten Staaten eine ähnliche Rolle spielen.

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