Die Implikationen einer Privatisierung des Detroit Institute of Arts

Der Vorschlag des leitenden Bundesbezirksrichters Gerald Rosen, eine private Treuhand zu gründen, die, von verschiedenen philanthropischen Stiftungen finanziert, das Detroit Institute of Arts (DIA) und seine Kunstsammlung für etwa 500 Millionen Dollar von der Stadt Detroit aufkaufen würde, stellt einen historisch rückschrittlichen Akt dar, mit dem die unschätzbaren Kunstwerke dem Geldadel ausgeliefert würden.

Am Donnerstag bestätigten DIA-Funktionäre zu ihrer Schande, dass sie in den Plan eingebunden seien und nannten ihn ein „großes Geschäft“, um das Museum und die Renten der städtischen Angestellten zu retten. Wir erklären kategorisch, dass ein solcher Plan, wenn er zum Tragen kommen sollte, nichts davon erfüllen würde.

Zunächst, bemerkt die Detroit Free Press, „muss der Plan von Bundesinsolvenzrichter Steven Rhodes bestätigt werden und es ist wahrscheinlich, dass er von Gläubigern angefochten werden wird, die den Verkauf der DIA-Kunstwerke als einen Weg betrachten, von der Stadt mehr von dem Geld zu erhalten, das ihnen die Stadt schuldet.“ Gläubiger stellten kürzlich einen Antrag, der gerade das fordert und dem sich die Gewerkschaften anschlossen.

Auf jeden Fall werden die Vorbereitungen zur Zerstörung der Löhne und Renten der städtischen Angestellten weitergehen, während dieser sogenannte Kompromiss dazu genutzt werden wird, die Bevölkerung in Schlaf zu wiegen.

Darüber hinaus ist nichts “Großes” daran, das DIA einer privaten “Nonprofit”-Gesellschaft auszuhändigen und das ein Jahrhundert alte öffentliche Eigentum des Museums zu beenden. Die Erlaubnis für die Öffentlichkeit, die Kunstwerke zu betrachten, käme einem Akt der „Barmherzigkeit“ vonseiten der Reichen gleich. Höhere Eintrittspreise (momentan haben Bewohner dreier Detroiter Bezirke freien Eintritt) sowie weitere Einschränkungen des Zugangs für die Öffentlichkeit wären das unausweichliche antidemokratische Ergebnis. Wer kann sagen, welche Einschränkungen für Ausstellungen selbst gelten würden oder welche Objekte die private Treuhand für ausstellenswert halten würde?

Die Sammlung des DIA gehört der Bevölkerung der Metropolregion Detroit und wurde zu deren Nutzen angeschafft, nicht für die Reichen. Der Vorschlag, das Museum „abzuwickeln“, ist Bestandteil des eigentlichen Plans, die Lasten der Finanzkrise auf den Rücken der arbeitenden Bevölkerung abzuwälzen. Die Verschuldung der Stadt bei Gläubigern ist selbst illegitim. Sie ist das Ergebnis skrupelloser Spekulation, offizieller Korruption sowie offenen Diebstahls und dürfte nicht anerkannt werden. Vollständiger und ungehinderter Zugang zu den Meisterwerken des DIA ist ein soziales Recht, ebenso wie angemessene Löhne, Renten, Gesundheitsvorsorge, Bildung und die Wohnungsfrage.

Der Rosen-Plan besitzt nicht einen Funken Legitimität. Er wird mit dem oft wiederholten offiziellen Argument begründet, dass „kein Geld da ist“ – weder für Schulen, noch für Bibliotheken, noch für Museen oder Kunstprogramme. Das ist eine leicht durchschaubare Lüge: die Kassen der Finanzmärkte und Konzerne sind bis zum Überquellen mit Bargeld vollgestopft. Die Reichen hatten es noch nie so gut. Billionen Dollar könnten verfügbar gemacht werden, wenn der Würgegriff der Wirtschaftsinteressen, der das amerikanische Leben stranguliert, zerbrochen werden würde.

Die Krise von Detroit ist keine Naturkatastrophe oder Gottesstrafe. Sie ist das Produkt einer allgemeinen Krise des amerikanischen Kapitalismus und des besonderen Niedergangs von Produktions- und Autoindustrie einerseits und staatlicher Politik und rechtswidrigem Verhalten andererseits, welche die Reichen auf Kosten der Stadtbevölkerung begünstigt haben. Ein nicht gewählter Diktator hat die Stadt haargenau auf jene Weise in den Bankrott gestoßen, dass die Reichen die Renten und öffentlichen Besitztümer wie das DIA plündern können.

Die Androhung, das DIA zu privatisieren, hat große Bedeutung. Das würde nicht nur die Angriffe auf die öffentliche Finanzierung von Bildung und Kultur beschleunigen und den Weg für die Zerstörung dessen ebnen, was von den sozialen und kulturellen Errungenschaften der Arbeiterklasse in der modernen Zeit übriggeblieben ist; damit würde ein Präzedenzfall geschaffen, der national und sogar weltweit Implikationen nach sich ziehen würde.

Wir haben bereits wiederholte Male über die Wiederkehr des aristokratischen Prinzips geschrieben, gemäß dem „die Bevölkerung nur dann Zugang zu Bildung, Kultur und Technologie hat, welche unabdingbar für ein Leben in der modernen Gesellschaft sind, wenn die Stimmung der Superreichen dies erlaubt.“

Außerdem haben wir bemerkt: “Der Philanthropie wohnt in jedem Fall etwas Entwürdigendes und Erniedrigendes inne. Eine Gesellschaft, die Philanthropen braucht, basiert auf Ungleichheit; die Entbehrungen der Vielen werden angeblich durch die Großzügigkeit der Wenigen gelindert.“

Wenn Rosens Plan in die Tat umgesetzt werden sollte, dann gingen die Kunstwerke des DIA in die Kontrolle von Ford, Knight, Kresge, Hudson-Webber, Mott und weiteren privaten Stiftungen über. Jede von ihnen wurde von einer immens reichen Persönlichkeit oder Familie gegründet, deren Reichtümer sich der Ausbeutung der Arbeiterklasse verdanken. Warum soll diese Gangsterbande, die nichts weiter darstellt, als die betrügerische und Mildtätigkeit heuchelnde Fassade der gesellschaftlichen Rücksichtslosigkeit, die Kontrolle über die Kunstwerke erhalten, die der Bevölkerung der Großstadt Detroit gehören?

Die Gründung amerikanischer Kunstmuseen im letzten Drittel des neunzehnten und in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts fand während der explosiven Entwicklung des modernen Industriekapitalismus statt. Im Anschluss an den Bürgerkrieg entwickelte sich in der nunmehr von der Sklaverei befreiten Nation ein wahrhafter Hunger der Bevölkerung nach Kultur und Bildung.

Sozialisten haben keine Veranlassung, die Motive der amerikanischen Bourgeoisie zu idealisieren, die offensichtlich die Bürgerschaft von der Großartigkeit ihrer sozialen Ordnung und ihrer eigenen Bedeutung überzeugen wollte, indem sie beeindruckende Institutionen wie Kunstmuseen errichteten. Doch eine gewisse Sensibilität für Demokratie prägte auch die höchsten Gesellschaftskreise. Der Wirtschaftswissenschaftler Peter Tamin kommentierte: „Kunstmuseen wurden gegründet, um den Geschmack der Bevölkerung zu erziehen, um ihr zu helfen, sich mit den Werten der erfolgreichen Industriellen zu identifizieren,“ doch er ergänzt: „Zu dieser Zeit bestand ein machtvolles Vertrauen in alle Arten von Bildung; Wissen allein war in der Lage, viele Krankheiten der Gesellschaft zu kurieren.“

Zusätzlich zum Wachstum der sozialistischen Arbeiterbewegung, die eine existenzielle Bedrohung für den Kapitalismus darstellte, war eine demokratische Intelligenz in Amerika vorhanden, deren führende Persönlichkeiten sich gegen die Verwüstungen und Erniedrigungen aussprachen, welche der Kapitalismus anrichtete.

Der Philosoph John Dewey (1859-1952) beispielsweise verteidigte in Kunst als Erfahrung, das auf Vorlesungen beruhte, die er 1931 in Harvard gehalten hatte, sowohl den Künstler als auch die Bevölkerung gegen die Dominanz der Kunst seiner Zeit durch die Reichen. „Die Neureichen, die ein wichtiges Nebenprodukt des kapitalistischen Systems sind, fühlten sich in besonderem Maße verpflichtet, sich mit Werken der schönen Künste zu umgeben, die sowohl selten als auch kostbar sind. Allgemein gesagt, ist der typische Sammler der typische Kapitalist.“

Es ist bemerkenswert, dass Dewey, während er Kunst als Erfahrung zur Veröffentlichung vorbereitete, mit Meyer Schapiro in Kontakt trat, einem Kunstwissenschaftler, der später ein Unterstützter Leo Trotzkis werden sollte und bereits ein Mann des linken Flügels war. Deweys Philosophie des Pragmatismus ist nicht vereinbar mit dem Marxismus und steht ihm feindselig gegenüber, doch in seinen Vorlesungen sprach der Philosoph wortmächtig über die Bedeutung der Kunst- und Ästhetikerfahrung, die „den Sinn für wachsendes Verständnis, für eine vertiefte Verständlichkeit der von Natur und Menschen geschaffenen Objekte“ produziert.

Außerdem erkannte Dewey an, dass wahrhafter Kunst das Element des Protestes beiwohnt. „Die ersten Regungen von Unzufriedenheit“, schrieb er, „und die ersten Vorboten einer besseren Zukunft sind stets in Werken der Kunst zu finden.“ Dies ist der Grund, „warum Konservative solche Kunst unmoralisch und schäbig finden…Wandel im Reich der Vorstellungen ist der Vorreiter jenes Wandels, der mehr als nur die Kleinigkeiten des Lebens betrifft.“

Derartige Ideen wären im heutigen offiziellen Diskurs ganz und gar nicht am Platze. Fast niemand, der an vorderster Stelle in den Medien oder der Wissenschaft steht, spricht sich dagegen aus, dass das Detroit Institute of Arts entweder zerlegt oder zerstört zu werden droht. Dies ist der Fall, weil die führenden Persönlichkeiten beider Gebiete sich – um es ganz offen zu sagen – mit hundertfach größerer Leidenschaft darum kümmern, dass die Aktienpreise weiterhin ansteigen, als dass sie von der Sorge gequält würden, wie die Bevölkerung von Detroit Zugang zu Kunst und Kultur erhalten soll. Vielfach gehören sie selbst zu den „Neureichen“.

Wie wir schon bemerkten, ist die Geschichte des DIA mit der Sozialgeschichte dieser Region verknüpft. Im Jahr 1919, inmitten des rapiden Aufstiegs der Autoindustrie, wurde es zu einem Ressort der Stadt Detroit. Unter seinem in Deutschland geborenen, begnadeten Direktor William Valentiner erwarb das DIA in den 1920er und 30er Jahren unschätzbare Kunstwerke und wurde zu einem der wichtigsten Museen der Welt.

Das jetzige DIA-Gebäude wurde am 7. Oktober 1927 für die Öffentlichkeit eröffnet. Einige „zehntausend Detroiter versammelten sich in ihrem neuen Museum“, schrieb Margaret Sterne, die Biographin von Valentiner, über den Eröffnungstag. In seiner Rede während der Eröffnungszeremonie kommentierte Valentiner: „Kunst kann nicht durchgehend von morgens bis in die Nacht genossen werden, sondern nur während beseelter Momente, die uns wie die plötzlichen Impulse der Sympathie ergreifen, welche wir für andere verspüren, und zu den am wenigsten erwarteten Zeiten, besonders dann, wenn wir uns am meisten mit den Gegebenheiten des Alltags beschäftigen und abplagen.“

Auf dem Höhepunkt der Großen Depression beauftragte Valentiner, der selbst an der deutschen Revolution von 1918-19 beteiligt war, den mexikanischen Maler Diego Rivera, einen revolutionären Sozialisten, die monumentalen „Detroiter Industrie“-Fresken anzufertigen. Der Rivera-Innenhof im Zentrum des Museums ist einer der außergewöhnlichsten Kommentare über die moderne Gesellschaft und besonders über die Rolle, welche die Arbeiterklasse in ihr spielt.

Die Streichung der öffentlichen Förderung für das DIA fiel mit dem Untergang der Autoindustrie zusammen. Sie fand statt während einer Konteroffensive des Big Business gegen die arbeitende Bevölkerung und der Verwandlung der amerikanischen Arbeiterorganisationen in eine Polizeitruppe des Managements. Für die primitive und ungebildete herrschende Elite Amerikas wird Kunst heute entweder als Investitionsgut oder als persönliches Statussymbol interessant. Hedgefond-Manager, Spekulanten und weitere Schwindler dieser Art kaufen gegenwärtig unschätzbare Kunstwerke zu Rekordpreisen auf. Museen nach Art von Boutiquen und in Privatbesitz, die nicht notwendig der Öffentlichkeit zugänglich sind, breiten sich aus. Der Vorschlag, das Rad der Zeit zurückzudrehen und das DIA in die Hände von Privatleuten zu legen, ist ein Element der sozialen und kulturellen Konterrevolution, die sich im Gang befindet.

Rosens reaktionärer Privatisierungsplan, begleitet von dem ohne Ausnahme enthusiastischen Applaus des gesamten Medien- und politischen Establishments, ist nur eine weitere Demonstration, dass die fortgesetzte Existenz des Profitsystems die größte Gefahr darstellt, der das künstlerische Leben ausgesetzt ist. Das Schicksal der Kultur ist mit dem Schicksal der Arbeiterklasse und der sozialen Revolution verknüpft. Wir rufen Arbeiter und junge Menschen dringend auf, am 15. Februar an der Arbeiteruntersuchung der Angriffe auf das DIA und der Insolvenz von Detroit teilzunehmen (detroitinquiry.org).

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