Perspektive

Obamas “schwere Verbrechen und Amtsvergehen”

Die Rede von Senatorin Dianne Feinstein am Dienstag im Plenum des Senats liefert eindeutige, unmittelbare Beweise für Verbrechen gegen die amerikanische Verfassung und die demokratischen Rechte der amerikanischen Bevölkerung. Darin verwickelt sind hohe Vertreter der Central Intelligence Agency (CIA) und des Weißen Hauses bis hoch zum Präsidenten selbst. Feinsteins Beschuldigungen gegen die CIA, den Geheimdienstausschuss des Senats, dem sie vorsitzt, eingeschüchtert, behindert und ausspioniert zu haben, stellen „schwere Verbrechen und Amtsvergehen“ dar, die verfassungsmäßig ein Amtsenthebungsverfahren rechtfertigen.

Feinstein hat lange zurückreichende enge Beziehungen zu den Geheimdiensten, die sie in den Monaten der Enthüllung illegaler Ausforschungsaktivitäten der National Security Agency (NSA) immer kategorisch verteidigt hat. Aber am Dienstag warf sie der CIA in einer einstündigen Rede vor, den Kongress auszuspionieren und Dokumente zurückzuhalten, um das Folterprogramm der CIA unter der Regierung von George W. Bush zu verschleiern.

Im Verlauf ihrer Bemerkungen legte sie detailliert die kriminellen Handlungen der CIA dar. Dazu gehört zum Beispiel der Versuch von CIA-Direktor John Brennan, den Geheimdienstausschuss des Senats einzuschüchtern und seine Untersuchung der Verbrechen der Bush-Ära gezielt zu verhindern. Zu diesem Zweck beschuldigt er die Mitarbeiter des Geheimdienstkomitees, geheime Dokumente gestohlen zu haben, und fordert vom Justizminister eine strafrechtliche Untersuchung gegen sie einzuleiten. (Brennan war im Übrigen als Direktor des Konterterrorismus unter Bush selbst in das Folterprogramm verwickelt.

Es entsteht das Bild eines Geheimdienstes, der außerhalb aller rechtlichen Schranken handelt, sich über jedwede Kontrolle durch den Kongress hinwegsetzt und nach eigenen Gesetzen arbeitet.

Die Hast, mit der die amerikanischen Medien Feinsteins Bemerkungen beerdigt haben, die sie im Großen und Ganzen als Hahnenkampf zwischen dem Senat und der CIA abgetan haben, ist selbst ein Zeichen dafür wie schwerwiegend die Verbrechen sind, die die Senatorin dargelegt hat. Die wirtschaftsfreundlichen Medien agieren dabei als Komplizen.

Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als um einen offenen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung, die ein Ergebnis der Amerikanischen Revolution ist und auf der Gewaltenteilung und einem System von “Checks and Balances” zwischen der Exekutive, der Legislative und dem Justizsystem beruht. Die Gründerväter hielten das für entscheidend, um die Entstehung einer Diktatur zu verhindern. Die Behinderung der Untersuchung des Senats durch die CIA, ist ein Meilenstein in der Errichtung einer de facto Diktatur des militärisch-geheimdienstlichen Komplexes über die Bevölkerung. Die CIA weigert sich sogar, der Veröffentlichung einer nicht geheimen Version des 6.300 Seiten langen Berichts des Geheimdienstausschusses zuzustimmen.

Dass das Weiße Haus mit der CIA unter einer Decke steckt, ergibt sich sowohl aus Feinsteins Darstellung der Ereignisse, als auch aus der Reaktion der Obama-Regierung auf die Vorwürfe. Am Mittwoch versuchte sich Präsident Obama noch als neutrale Instanz „in den Fragen zu inszenieren, über die sich der Senatsausschuss und die CIA streiten.“. Er fügte aber hinzu, dass „Brennan sich an die zuständigen Stellen gewandt hat“. Damit machte er klar, dass er den CIA-Direktor und die Entscheidung des Dienstes unterstützt, den Senatsausschuss vor ein Strafgericht zu zerren. Seine Äußerungen entsprachen denen seines Pressesprechers, Jay Carney, der am Dienstag gesagt hatte, dass Obama „großes Vertrauen“ in Brennan setze.

Die Liste der Verbrechen und der betroffenen Personen umfasst:

* Die Schaffung (unter CIA-Direktor George Tenet) eines geheimen Haftsystems (“Schwarze Löcher”) an verschiedenen Orten in aller Welt zur Inhaftierung und Folterung von Gefangenen. Feinstein zufolge war eine anfängliche Untersuchung dieser Programme durch ihren Ausschuss „beklemmend“. Sie erklärte: „Die Befragungen und die Haftbedingungen waren wesentlich härter, als die CIA sie uns geschildert hatte.“

* Die Zerstörung von 92 Videobändern von Folteraktionen der CIA unter anderem mit Waterboarding im November 2005. Einer, der die Zerstörung der Bänder billigte, war Robert Eatinger, damals Anwalt der CIA und heute ihr zentraler Rechtsberater. Es war Eatinger, der Anfang des Jahres das Weiße Haus über die Pläne informiert hatte, strafrechtliche Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Senatskomitees zu beantragen.

2010 entschied Obamas Justizministerium, keine strafrechtlichen Ermittlungen wegen der Zerstörung der Foltervideos einzuleiten. Das war Bestandteil der generellen Politik, die Verbrechen der Bush-Regierung reinzuwaschen und zu verheimlichen.

* Der Geheimdienstausschuss des Senats beschloss im März 2009, eine umfassende Untersuchung des CIA-Haftprogramms durchzuführen. Diese Untersuchung wurde von der CIA von Anfang an behindert, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Unterstützung des Weißen Hauses hatte. Anstatt Dokumente zu übergeben, wie es Standard ist, mussten Mitarbeiter des Ausschusses das Material in einem speziellen, von der CIA bereitgestellten Büro sichten. Die CIA wurde damals von Leon Panetta geleitet, der vorher Mitglied der Clinton-Regierung gewesen war. Feinstein berichtet, dass „Dokumente,… die 2010 dem Ausschuss zur Verfügung gestellt worden waren, nicht mehr zugänglich waren.“

Am Dienstag erklärte Feinstein, dass “die CIA erklärt habe, die Dokumente seien auf Anweisung des Weißen Hauses gesperrt worden”. Wenn das stimmt, dann ist das Weiße Haus der Behinderung einer Untersuchung des Kongresses von illegalen Aktivitäten der Exekutive schuldig, zu der die CIA gehört. Feinstein sagte, das Weiße Haus streite ab, diese Anordnung gegeben zu haben.

* 2010 stieß der Ausschuss bei seinen Nachforschungen auf den Entwurf einer internen Untersuchung der CIA (der “Panetta Review”), die Feinstein zufolge unter anderem “die Anerkenntnis beträchtlichen Fehlverhaltens der CIA” enthält, d.h. krimineller Aktivitäten. Dieser Bericht sah nie das Licht der Öffentlichkeit. Auch diese Dokumente wurden später von Computern des Untersuchungsausschusses gelöscht. Allerdings gelang es Mitarbeitern die Kopie einiger Dokumente zu retten, die zu der „Panetta Review“ gehörten.

* Im Dezember 2012 schloss der Untersuchungsausschuss des Senats seine Untersuchung des CIA-Programms ab. Im Juni letzten Jahres legte Brennan eine 122-seitige Antwort auf den Bericht des Senats vor, der Schlüsselelemente des Senatsberichts widerlegen sollte. Diese Antwort, die ebenfalls unter Verschluss ist, widerspricht nach Angaben Feinsteins und anderer Mitglieder des Senatsausschusses der eigenen internen Untersuchung der CIA, der Panetta Review.

* Im vergangenen Dezember forderte der Untersuchungsausschuss von der CIA die vollständige Version der Panetta Review an. Brennan wies das Ansinnen zurück und kurz danach, am 15. Januar diesen Jahres informierte er Feinstein zufolge den Ausschuss darüber, dass die CIA die Computer der Mitarbeiter des Ausschusses insgeheim durchsucht habe, und dass der Dienst fortfahren werde, gegen Mitarbeiter des Senatsausschussberichts zu ermitteln. Feinstein beklagte, dass das „vermutlich die Gewaltenteilung verletze, wie auch den Vierten Verfassungszusatz, das Gesetz gegen Computerbetrug und -missbrauch sowie die Verordnung, die der CIA Durchsuchungen und Überwachung im Inland verbietet.“

* Im Anschluss an die illegalen Durchsuchungen ging die CIA dazu über, vom Justizministerium eine strafrechtliche Untersuchung gegen Mitarbeiter des Ausschusses und sogar Mitglieder des Ausschusses selbst zu verlangen, d.h. auch gegen Senatorin Feinstein selbst. Das Weiße Haus wurde im Januar über diese Pläne informiert, unternahm nichts und gab diesem Vorgehen damit seine stillschweigende Unterstützung. Feinstein bezeichnete dieses Vorgehen als „einen möglichen Versuch, diese Mitarbeiter und den ganzen Ausschuss einzuschüchtern.

* In einem Bericht von McClatchy am Mittwoch hieß es, dass dem Untersuchungsausschuss auf direkte Anweisung des Weißen Hauses mehr als 9.000 Dokumente vorenthalten wurden, ohne dass sich Obama auf seine Sondervollmachten als Chef der Exekutive berufen hätte. Der Nachrichtendienst zitiert Elizabeth Goitein von der Law School der New York University: „Diese Dokumente lassen es ohne weiteres als möglich erscheinen, dass das Weiße Haus daran beteiligt war, die Untersuchungskommission zu behindern.“

Dieses Vorgehen ist wesentlich schlimmer als die äußerst schwerwiegenden Verbrechen Nixons im Watergateskandal, die 1974 zu seinem Rücktritt führten, weil er sonst fast sicher seines Amtes enthoben worden wäre. Hier wurden – mindestens – die Verletzung nationaler und internationaler Gesetze gegen Folter, die Zerstörung von Beweisen, Behinderung der Justiz, Verletzung der Gewaltenteilung und illegales Ausforschen enthüllt.

In diese Gesetzesverstöße sind die ganze Zeit über die höchsten Stellen der CIA sowie führende Beamte des Weißen Hauses verwickelt, bis hin zu Obama selbst. Sie wurden von Obamas Beauftragten begangen und von Leuten, die aufs Engste mit ihm zusammenarbeiten. Brennan war in Obamas erster Amtszeit sein oberster Anti-Terrorberater.

Das alles lief hinter dem Rücken der amerikanischen Bevölkerung ab. Feinstein selbst hat als Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats seit langem die Verbrechen des Staates gebilligt und ist Komplizin bei den Verschleierungsoperationen. Sie ging erst an die Öffentlichkeit, als sie selbst sich durch die juristischen Schritte der CIA dazu gezwungen sah. Die Senatorin hatte in ihren eigenen Worten alles getan, um „diesen Streit diskret und respektvoll zu lösen“, d.h. hinter geschlossenen Türen.

Gleichzeitig wurde sowohl unter Bush, wie auch unter Obama ein riesiger verfassungswidriger Überwachungsapparat aufgebaut, der in Teilen von dem NSA Whistleblower Edward Snowden enthüllt worden ist. Auch hierin ist der ganze Staatsapparat verwickelt, Obamas Weißes Haus und Feinstein eingeschlossen, die Snowden öffentlich des Verrats bezichtigte. Der Präsident hat außerdem offen zugegeben, dass er aus eigener Machtvollkommenheit die Ermordung amerikanischer Bürger angeordnet hat.

Amtsenthebungsverfahren gegen hohe Regierungsbeamte sind völlig gerechtfertigt, aber keinesfalls ausreichend. Diese Verbrechen gegen die amerikanische Bevölkerung dürfen nicht ungestraft bleiben. Alle Fakten und alle Namen der Verantwortlichen müssen offen benannt werden.

Das wäre ein Anfang, um die Verschwörung des Schweigens zwischen dem Weißen Haus, den Geheimdiensten, dem Kongress, den Gerichten, und den Medien zu durchbrechen, die der CIA, der NSA und dem Pentagon grünes Licht gegeben haben, die Bill of Rights zu schreddern und den Rahmen für eine totalitäre Herrschaft zu schaffen.

Fast fünfzehn Jahre sind seit der gestohlenen Wahl von 2000 vergangen. Seit damals haben sich Angriffe auf demokratische Rechte verschärft, sowohl unter Republikanischen, wie unter Demokratischen Regierungsmehrheiten. Sie werden einerseits von der enormen sozialen Ungleichheit angetrieben, und andererseits von zunehmendem Militarismus und Krieg. Es liegt auf der Hand, dass kein Teil des politischen Establishments mehr ein Interesse daran hat, demokratische Rechte zu verteidigen.

Die Verteidigung demokratischer Rechte ist eine Klassenfrage. Das Auftauchen diktatorischer Herrschaftsformen und die unkontrollierten Aktivitäten der Geheimdienste haben ihre Quelle im kapitalistischen System und in den Interessen der herrschenden Klasse. Demokratie ist nicht kompatibel mit nicht enden wollendem Kriegen und sozialer Konterrevolution.

Um eine Diktatur zu verhindern und ihre demokratischen Rechte zu verteidigen muss die Arbeiterklasse sich unabhängig im Kampf gegen die bestehende politische und soziale Ordnung auf der Grundlage eines sozialistischen Programms organisieren.

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