Perspektive

Ferguson, Missouri: der Krieg im eigenen Land

Am Mittwoch schockierten die Bilder aus Ferguson, Missouri, die Bevölkerung der Vereinigten Staaten und der Welt.

Nachdem die Ermordung des achtzehnjährigen Michael Brown durch die Polizei Unruhen ausgelöst hatte, wurde der Vorort von St. Louis in einen Kriegsschauplatz verwandelt. SWAT-Teams in Kampfuniformen und mit Nachtsichtgeräten fielen in der Stadt ein, bewaffnet mit Hochdruck-Schrotflinten und Sturmgewehren und ausgerüstet mit gepanzerten Kampffahrzeugen. Friedliche Demonstranten und Journalistenwurden mit vorgehaltener Waffe bedroht und mit Tränengas, Gummigeschossen, Beanbag-Geschossen und Blendgranaten angegriffen. Die Polizei verhängte willkürliche Ausgangssperren und verhängte Aufenthaltsverbote ohne Rechtsgrundlage.

Die beteiligten Kräfte sind zwar technisch gesehen der lokalen Polizei unterstellt, führen aber im wesentlichen eine militärische Besetzung durch. Sie sehen aus wie Militär, verhalten sich wie Militär und haben enge Beziehungen zum Militär. Die Polizei wurde nicht nur mit militärischem Gerät ausgerüstet, sie hat auch neue Regeln erhalten. Sie wird ausgebildet, die Methoden anzuwenden, die die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan, dem Irak, dem Gazastreifen und der Ukraine anwenden.

Bei der Verwandlung von Ferguson in ein Militärlager geht es nicht nur um Ferguson. Es geht um den Charakter der gesellschaftlichen und politischen Beziehungen in den USA und weltweit. Die Fassade der Demokratie wird eingerissen. Genau so sieht Kriegsrecht aus.

Die Ereignisse in einem relativ kleinen Vorort von St. Louis haben plötzlich die Realität dessen enthüllt, was sich in den letzten fünfzehn Jahren in den USA entwickelt hat. Nach der gestohlenen Wahl von 2000 nutzte die herrschende Klasse die Anschläge vom 11. September 2001 und den "Krieg gegen den Terror" als Vorwand, um alle demokratischen Grundrechte auszuhöhlen.

Der Präsident maßt sich das Recht an, amerikanische Staatsbürger ohne Prozess einzusperren oder sogar zu ermorden. Amerikanische Geheimdienste überwachen in Zusammenarbeit mit dem FBI und lokalen Polizeikräften die politischen und sozialen Beziehungen aller Amerikaner.

Diese Maßnahmen gingen einher mit der Einrichtung des Ministeriums für Heimatschutz und dem US Northern Command. Letzteres wurde 2002 als erste Kommandozentrale für militärische Einsätze innerhalb der USA geschaffen.

Die Planungen für den Einsatz des Militärs innerhalb der USA sind weit fortgeschritten. Wie die World Socialist Web Site am Donnerstag schrieb, umfassen die strategischen Planungen des Pentagons für urbane Kriegsführung auch Fallstudien für einen Einsatz in New York City. Als wichtigste "Triebkraft für Instabilität" nennt das Militär die "radikale Einkommensungleichheit". Sie sei ein Auslöser für Klassenkonflikte. Hinter verschlossenen Türen gab es viele Diskussionen über die Formen und Mechanismen für eine offene Militärherrschaft.

Die Vereinigten Staaten werden von einem riesigen und unkontrollierbaren Militär-, Geheimdienst- und Polizeiapparat regiert, der als Beschützer der sozialen und politischen Interessen einer neuen Aristokratie auftritt. Die offiziellen politischen Institutionen sind zu leeren Hüllen ohne gesellschaftliche Massenbasis geworden.

An der Spitze von all dem sitzt ein Präsident, der als Strohmann für mächtige Wirtschafts- und Finanzinteressen dient. Fünf Tage nach Browns Ermordung gab Obama in seinem Ferienort Martha's Vineyard ein paar oberflächliche Bemerkungen von sich. Zweifellos wurde er von seinen Anhängern in der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP, Nationale Organisation für die Förderung farbiger Menschen) und politischen Stützen wie Al Sharpton gewarnt, dass die Lage in Ferguson ihrer Kontrolle entgleiten und Sozialproteste in anderen Teilen des Landes auslösen könnte.

Obama erklärte, nun müsse wieder " Ruhe und Frieden in den Straßen von Ferguson" herrschen und setzte damit die Proteste gegen die Ermordung eines unbewaffneten Jugendlichen - der regelrecht hingerichtet wurde - mit der Unterdrückungskampagne der Polizei gleich, in deren Verlauf bereits Dutzende Menschen verhaftet wurden.

Mit der grenzenlosen Heuchelei, die für Obamas Regierung so charakteristisch ist, rief er alle dazu auf, sich daran zu erinnern, "dass wir alle Teil einer amerikanischen Familie sind." Er fuhr fort: "Wir haben gemeinsame Werte, dazu gehört der Glaube an die Gleichheit vor dem Gesetz; Respekt für die öffentliche Ordnung und das Recht auf friedlichen öffentlichen Protest; die Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen, egal ob Mann, Frau oder Kind; und die notwendige Rechenschaftspflicht unserer Regierung."

Obamas honigsüße Phrasen können nicht den Blick auf die Realität des amerikanischen Lebens verstellen, die die Ereignisse in Ferguson enthüllt haben. Es gibt keine "amerikanische Familie“, sondern eine Gesellschaft, die von Klassenspaltungen zerrissen ist. Es gibt keine "Gleichheit vor dem Gesetz," sondern getrennte Gesetze für Reiche und für Arme.

Obamas geheuchelte Achtung für das "Recht auf friedlichen öffentlichen Protest" wird durch die Milliarden Dollar teuren Programme des Pentagons zur Militarisierung lokaler Polizeikräfte entlarvt, an denen auch die Polizei der Metropolregion St. Louis beteiligt ist. Die Polizei von Ferguson nimmt an einem staatlichen Programm namens 1033 teil, aufgrund dessen allein im Jahr 2013 Ausrüstung im Wert von 450 Millionen Dollar an lokale Polizeikräfte verteilt wurde.

Was die "Rechenschaftspflicht" der Regierung angeht, so ist Obama der Chef einer Regierung, die zahllose illegale Aktivitäten durchgeführt hat - von Angriffskriegen über Spionage im Inland bis hin zu Folter. Niemand wird für diese Verbrechen zur Rechenschaft gezogen, genauso wenig wie für die Plünderung der Wirtschaft durch die Banken und Großkonzerne.

Obamas Äußerungen zeigen, dass er wegen des Zustandes der sozialen Beziehungen in Amerika große Nervosität empfindet. Dennoch erwähnte er nicht ein einziges Mal die verzweifelten wirtschaftlichen Bedingungen, die der Unruhe in Ferguson und dem ganzen Land zugrunde liegen. Weder er noch irgendein anderer Vertreter der amerikanischen herrschenden Klasse hat auf das Anwachsen von Armut, Hunger und wirtschaftlicher Unsicherheit eine andere Antwort als noch mehr Unterdrückung.

Amerika steht auf Messers Schneide. Soziale Spannungen, die lange unterdrückt wurden, beginnen, offene und explosive Formen anzunehmen, und die herrschende Klasse hat die Samthandschuhe ausgezogen.

Als die Großstadt Boston nach den Anschlägen auf den Stadtmarathon letztes Jahr praktisch unter Kriegsrecht gestellt wurde, hatte die WSWS gewarnt, dass eine historische Schwelle überschritten wurde. Die WSWS schrieb, die Abriegelung der Stadt habe "den Modus Operandi für die Einführung diktatorischer Herrschaftsformen in den USA erkennen lassen."

Manche mögen diese Bewertung für eine Überreaktion gehalten haben. Ist es wirklich schon so weit gekommen? Die Ereignisse in Ferguson haben gezeigt, dass es tatsächlich schon so weit gekommen ist.

Die Ereignisse dieser Woche müssen als eine weitere deutliche Warnung betrachtet werden. Demokratische Herrschaftsformen sind unvereinbar mit dem Weiterbestehen des kapitalistischen Systems und seinen unausweichlichen Produkten - Krieg und sozialer Ungleichheit. Die Arbeiterklasse hat nur die Wahl zwischen Sozialismus oder Diktatur.

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