„Warum wollen die deutschen Eliten wieder Krieg?“

PSG-Versammlung und lebhafte Diskussion in Stuttgart

Vergangenen Samstag fand in Stuttgart eine erfolgreiche Versammlung der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) über die Kriegsvorbereitungen in Deutschland statt. Peter Schwarz, Leiter der deutschen Redaktion der World Socialist Web Site und PSG-Vorstandsmitglied, behandelte ausführlich das Thema: „Warum wollen die deutschen Eliten wieder Krieg? Die historischen und politischen Gründe für den erneuten Griff nach der Weltmacht“.

Die Versammlung in Stuttgart

Eine Dokumentation des gesamten, ausführlichen Vortrages, den wir hier nur kurz zusammenfassen, würde diesen Bericht sprengen,. Jedoch finden sich auf der World Socialist Web Site zahlreiche Berichte und Erläuterungen zum deutschen Militarismus.

Wie schon in Berlin, Frankfurt und Bochumerläuterte Schwarz ausführlich die außenpolitische Kehrtwende und den Kriegskurs, den Deutschland einschlägt, seit Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede zum 3. Oktober 2013 gefordert hatte, Deutschland müsse wieder eine Rolle „in Europa und in der Welt“ spielen.

Detailliert zeigte Schwarz auf, wie seither der deutsche Militarismus hinter dem Rücken der Bevölkerung wieder systematisch aufgerüstet wird. Die Regierung, die Medien und sämtliche politischen Parteien – auch die Linkspartei – unterstützen zielstrebig die Rückkehr des deutschen Militarismus und befürworten sie in der Öffentlichkeit gegen die überwältigende Ablehnung in der arbeitenden Bevölkerung.

„Der Ort, wo der neue Kurs zur praktischen Anwendung kam, war die Ukraine“, sagte Schwarz. Er schilderte, wie sich Ende 2013 neben der US-Diplomatin Victoria Nuland und der EU-Beauftragten Baroness Ashton auch der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle direkt ins Geschehen auf dem „Euro-Maidan” einmischte und den Putsch gegen Janukowitsch vorbereitete, an dessen Spitze der faschistische Rechte Sektor stand. Seither unterstützt die deutsche Regierung die Poroschenko-Regierung und hilft dabei, den Nato-Aufmarsch an der russischen Grenze zu koordinieren.

„Was ist der Grund, warum die deutschen Eliten wieder Krieg wollen?“ fragte Schwarz dann. Wie er erklärte, folgt die deutsche Bourgeoisie mit ihrem Vordringen in die Ukraine wieder ihrer traditionellen Expansionsrichtung gen Osten. Er zeigte an vergleichenden geographischen Karten der EU in den Jahren 1995 und 2007 auf, dass Deutschland mit der Osterweiterung wieder in eine europäische Mittellage gerückt ist.

Er erklärte, wie seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 die gesamte EU in eine existentielle Krise gerutscht ist. Darauf reagiere Deutschland mit der Rückkehr zum Militarismus. Es versuche wie 1914 und 1939 Europa zu dominieren, um zur Weltmacht zu werden. Schwarz illustrierte dies mit dem Hinweis auf eine Website, die das Auswärtige Amt betreibt, und auf der ein Beitrag mit der Überschrift prangt: „Deutschlands Bestimmung: Europa führen, um die Welt zu führen“. „Solche Töne hätten noch vor wenigen Jahren einen Sturm der Entrüstung provoziert“, kommentierte Schwarz.

Zum neuen deutschen Militarismus gehöre auch die Revision der Geschichte, führte er weiter aus: „Die Verbrechen Deutschlands im Ersten und im Zweiten Weltkrieg werden systematisch beschönigt und in neuem Licht dargestellt.“ Dafür brachte er zahlreiche Beispiele. Eine zentrale Rolle spiele dabei die Berliner Humboldt-Universität, die wiederholt versucht habe, die Jugend- und Studentenorganisation der PSG zu zensieren.

„Was ist gegen Krieg zu tun?“ lautete die letzte Frage, die Schwarz in seinem Vortrag aufgriff. Die Kriegsgefahr habe, wie er erläuterte, ihre Ursache nicht in den fehlgeleiteten Ansichten einzelner Politiker: „Die treibende Kraft ist die tiefe Krise des internationalen Kapitalismus, die sich besonders in der extrem anwachsenden sozialen Ungleichheit manifestiert.“

Deshalb sei es unmöglich, gegen Krieg zu kämpfen, ohne den Kampf gegen die kapitalistische Profitgesellschaft aufzunehmen. „Es kann keinen Kampf für Sozialismus ohne Kampf gegen Krieg geben, und umgekehrt keinen Kampf gegen Krieg ohne Kampf für Sozialismus“, zitierte er die Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) zum Thema „Sozialismus und Kampf gegen imperialistischen Krieg“. Dazu sei es notwendig, die PSG und das IKVI als Weltpartei der Arbeiterklasse aufzubauen.

Auf Peter Schwarz‘s Beitrag folgte eine interessante politische Diskussion. Zunächst ging es um die PSG und ihre politische Perspektive. „Die PSG ist die deutsche Sektion der Vierten Internationale“, erklärte Schwarz. „Unsere Arbeit konzentriert sich auf die Verteidigung und Weiterentwicklung des Marxismus und der sozialistischen Prinzipien. Unsere Bewegung hat sie gegen den Stalinismus verteidigt.” Der Stalinismus sei nicht gradlinig aus der Oktoberrevolution hervorgegangen, sondern als Gegenreaktion darauf entstanden. „Wir stützen uns auf die Arbeit von Leo Trotzki. Er hat gegen Stalin die Grundsätze verteidigt, die der Oktoberrevolution zugrunde lagen.“

Das Programm und die Prinzipien, die die trotzkistische Linke Opposition und Vierte Internationale verteidigt haben, sei heute lebenswichtig für die internationale Arbeiterklasse, denn: „Ihr größtes Problem ist das Fehlen einer politischen Perspektive.“

Eine Teilnehmerin wies auf die zahlreichen Medienberichte der letzten Zeit hin, die den Eindruck erweckten, dass die deutsche Bundeswehr in sehr schlechter Verfassung und ihre Ausrüstung völlig veraltet sei. „Warum hören wir plötzlich, die Bundeswehr sei ein Schrotthaufen?“

Dies sei ein wichtiger Bestandteil der militaristischen Kampagne, antwortete Schwarz. „Es ist eine durchsichtige Propaganda. Die Bundeswehr kann nur erfolgreich eingreifen, wenn sie für ihre Aufrüstung hohe Milliardenbeiträge bekommt.” Dafür gebe es aber in der Bevölkerung keine Akzeptanz, und deshalb häuften sich in letzter Zeit die Berichte darüber, dass die Armee ein „Schrotthaufen“ sei.

Eine wichtige Diskussion löste die Frage aus, warum der Ruf „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ den Ausbruch des ersten Weltkriegs nicht verhindert habe. „Warum haben sich die Leute freiwillig zum Krieg gemeldet? Wo war die Arbeiterklasse?“

Darauf antwortete Schwarz, dass zu Beginn des ersten Weltkriegs die Opposition in der deutschen Arbeiterklasse gegen Krieg sehr groß gewesen sei. „Die SPD hatte jahrelang eine wichtige Antikriegspropaganda betrieben. Die Ablehnung von Krieg war unter Arbeitern allgemein verbreitet.“ In Stuttgart 1907 und in Basel 1912 seien wichtige Resolutionen gegen Krieg beschlossen worden. „Noch kurz vor Kriegsbeginn gingen hunderttausende Arbeiter in Deutschland gegen Krieg auf die Straße.“

Die Kriegsbegeisterung habe sich auf das Bildungsbürgertum, Beamte, Akademiker und Vertreter der Wirtschaft konzentriert. Entscheidend sei jedoch gewesen, dass die SPD-Reichstagsfraktion am 4. August 1914 den Kriegskrediten zugestimmt habe. „Wenn es in der Geschichte ein Ereignis gibt, das den Namen ‚Verrat‘ rechtfertigt, dann dieses“, kommentierte Schwarz. Mit der Begründung, man dürfe das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich lassen, habe die SPD die Arbeiterklasse in der wohl entscheidendsten Situation entwaffnet. „Dieser Verrat hatte enorme Auswirkungen.“

Eine weitere Frage nach der Größe der PSG beantwortete Schwarz abschließend: „Wir sind bisher keine Massenpartei, aber wir treten offen für eine revolutionäre Politik und Perspektive ein.“ Die wachsende soziale Polarisierung erzeuge ein Bedürfnis nach einer solchen Perspektive.

Das politische Vakuum zeige sich deutlich an allen möglichen Bewegungen, die in letzter Zeit hochkämen, und von denen die meisten rechts ständen. „Man kann aber nicht ernsthaft Politik betreiben, ohne die politischen Fragen genau zu durchdenken und ihren Ursprung zu verstehen. Improvisation führt in die Sackgasse. Wir bauen eine Partei auf, die sich an den großen Traditionen des Marxismus orientiert, eine internationale Partei. Im Zeitalter der Globalisierung kann kein Problem mehr national gelöst werden.“

Er forderte alle Anwesenden auf, in der Vierten Internationale Mitglied zu werden und den Kampf gegen die Kriegsgefahr aktiv zu unterstützen.

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