Pegida: ein Produkt des Staates

Die Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida), die seit neun Wochen in Dresden stattfinden, sind nicht Ausdruck einer allgemeinen Rechtsentwicklung, sondern das Produkt einer systematischen Kampagne in Politik und Medien. Sie richtet sich nicht nur gegen Migranten, sondern gegen die gesamte Arbeiterklasse.

Nach Polizeiangaben kamen am vergangenen Montag 15.000 Menschen zu der islamfeindlichen Demonstration zusammen. So viele wie nie zuvor. Die Teilnehmer, die aus dem ganzen Bundesgebiet angereist waren, ließen keinen Zweifel an ihrer extrem rechten und reaktionären Gesinnung.

Zwischen zahlreichen Deutschlandfahnen wurden Schilder hochgehalten, auf denen Parolen wie „Mehr Geld für unsere Kinder statt Asylschwindler“, „Keine Sharia in Europa“ oder „Gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden“ geschrieben standen.

Unter den Demonstranten befanden sich nach eigenen Angaben „zahlreiche Funktionsträger und Mitglieder“ der faschistischen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Die Partei hatte in den letzten Wochen massiv für die Märsche mobilisiert und ihre Anhänger zur Teilnahme aufgerufen.

Auch die rechtskonservative Alternative für Deutschland (AfD) war vertreten. Unter anderem war die Landtagsfraktion aus Brandenburg mit ihrem Chef Alexander Gauland angereist. Dieser hatte die Demonstrationen schon vorher als legitimen Protest gegen eine verfehlte Asylpolitik bezeichnet. Der überwiegende Teil der in Deutschland lebenden Asylbewerber sei weder politisch verfolgt noch Flüchtling, so Gauland.

Die Mobilisierung des reaktionären Bodensatzes der Gesellschaft, der in Dresden auf die Straße ging, ist das Ergebnis einer gezielten Initiative. In den letzten Wochen erhielten die zunächst sehr kleinen Demonstrationszüge in Dresden eine überdimensionierte Aufmerksamkeit in den Medien.

Die Berichterstattung reichte von der Verharmlosung als „Ungeordnetes Volksgrummeln“ (taz) oder „widersprüchliches Phänomen“ (Süddeutsche Zeitung) bis hin zu offener Unterstützung und Aufstachelung, wie sie etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zu finden war.

Am Montag jubelte FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler, dass heute nicht mehr wie zu früheren Zeiten „die Nazi-Keule herausgeholt und so lange geschwungen“ werde, „bis auch die Union den Kopf“ einziehe „wie eine Schildkröte“. Kohler plädiert dafür, die Demonstranten ernst zu nehmen und „eine Einwanderungspolitik zu verfolgen, deren Regeln sich strikt an den Interessen des eigenen Landes orientieren.“ Eine andere Formulierung dafür, das Recht auf Asyl gänzlich abzuschaffen.

Ähnlich äußerten sich Vertreter der Bundesregierung. Innenminister Thomas De Maizière (CDU) hatte schon vor Beginn der Demonstrationen Anfang Oktober Proteste gegen Flüchtlingsheime verteidigt und als „legitim“ bezeichnet. Als die Demonstrationen in Dresden Fahrt aufnahmen, stellte er sich hinter die Teilnehmer und erklärte, man müsse deren Sorgen ernst nehmen.

Auch der sozialdemokratische Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte, man müsse auf diejenigen Demonstranten zugehen, die verunsichert seien und mitliefen. Sein Parteikollege Roger Lewentz, der in Rheinland-Pfalz das Innenministerium leitet, wehrte sich dagegen, die Demonstranten als rechts oder ausländerfeindlich zu bezeichnen. „Wenn so viele Menschen dafür auf die Straße gehen, muss man als Politik diese Menschen auch ernst nehmen“, sagte der SPD-Politiker.

Besonders die sächsische Landesregierung unterstützte die Demonstranten. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hatte bereits in der letzten Woche angekündigt, in einen Dialog mit den Pegida-Teilnehmern zu treten. Auch sein Innenminister Markus Ulbig (CDU) erklärte, es sei „völlig falsch, die Menschen zu stigmatisieren und alle in die rechte Ecke zu stellen.“

Tillich und Ulbig knüpfen damit direkt an die braunen Traditionen der Biedenkopf-CDU in Sachsen an. Kurt Biedenkopf war von 1990 bis 2002 Ministerpräsident und seine Landesregierung ein Hort rechter Politiker.

Von 1990 bis 2000 war Steffen Heitmann sein Justizminister. Dieser hatte schon 1993 das Programm formuliert, das jetzt im Zentrum der Pegida-Demonstrationen steht. Nach einem Besuch Stuttgarts und anderer westdeutscher Städte hatte er erklärt, er empfände angesichts des hohen Ausländeranteils „bis zum Bedrohlichen die Fremdheit, die einem entgegenschlägt“, und er sei zum Schluss gekommen: „Die Deutschen müssen vor Überfremdung geschützt werden!“ Einer von Heitmanns Nachfolgern war von 2002 bis 2004 Thomas de Maizière.

Heitmann musste 1993 aufgrund der zitierten Äußerungen noch die Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten aufgeben. Heute melden sich die rechten Seilschaften der CDU nicht nur zurück, sondern erhalten breite Unterstützung in der Partei und von Teilen der SPD. Sie gehen weit über Heitmanns Positionen hinaus und mobilisieren für die rechtsextremen Pegida-Demonstrationen.

Bei Pegida handelt es sich nicht um den Ausdruck einer allgemeinen Rechtsentwicklung der Bevölkerung, sondern um eine systematische Kampagne in Politik und Medien. Sie zielt darauf ab, die wachsenden sozialen und politischen Spannungen in reaktionäre Kanäle zu lenken und eine faschistische Bewegung aufzubauen.

Das Jahr 2014 war von der Wiederbelebung des deutschen Militarismus geprägt. Seitdem Bundespräsident Gauck Anfang des Jahres das Ende der militärischen Zurückhaltung verkündet hat, setzt die Bundesregierung dieses Programm mit ihrem aggressiven Kurs gegen Russland und der deutschen Kriegsbeteiligung gegen den Islamischen Staat in die Tat um. Erst gestern beschloss das Bundeskabinett die Entsendung von Kampftruppen in den Irak.

Der Kriegskurs wird dabei auch von der so genannten Opposition, den Grünen und der Linkspartei unterstützt. Gleichzeitig findet in den Medien eine regelrechte Kriegspropaganda statt, die jeden niedermacht, der sich dagegen ausspricht.

Trotz dieser Einschüchterungsversuche steht die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Kriegspolitik feindlich gegenüber. Ebenso wächst die Opposition gegen soziale Ungleichheit und immer neue Kürzungen in ganz Europa.

Die Mobilisierung des braunen Mobs in Dresden ist eine weitere Eskalationsstufe. Sie dient der Unterdrückung dieser Opposition und der Durchsetzung der Kriegspolitik und neuer Sozialangriffe. Dafür ist die herrschende Elite wie in den dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte bereit, extrem rechte Kräfte zu mobilisieren.

Für die Arbeiterklasse birgt diese Entwicklung große Gefahren, auf die sie sich politisch vorbereiten muss. Der Kampf gegen die faschistische Gefahr ist untrennbar mit dem Kampf gegen den Militarismus und die herrschende Elite und ihre Parteien verbunden, die ihn vorantreiben. Nur eine unabhängige Bewegung der Arbeiter gestützt auf ein sozialistisches Programm kann dem rechten Spuk Einhalt gebieten.

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