Perspektive

Der US-Imperialismus und die Katastrophe in Libyen

An diesem Wochenende veröffentlichte der Islamische Staat (IS) ein Video, das die schreckliche Enthauptung von 21 koptischen Christen aus Ägypten zeigt, die in Sirte im Osten Libyens gefangen genommen worden waren. Sie hatten dort als Gastarbeiter gearbeitet. Das waren nur die jüngsten in einer ganzen Reihe von Morden, bei denen Geiseln aus den USA, Großbritannien, Japan und Jordanien enthauptet und verbrannt wurden.

Wie zu erwarten, rief auch diese Gräueltat des IS die größte Empörung der Nachrichtenmoderatoren und Leitartikelschreiber der Vereinigten Staaten hervor, und sie führte zu Vergeltungsmassakern. Innerhalb von Stunden nach dem Bekanntwerden des Videos schickte der von den USA unterstützte Diktator General Abdel Fattah al-Sisi ägyptische Kampfjets, die eine Welle von Luftschlägen ausführten. 64 Menschen wurden dabei getötet, darunter auch sieben Zivilisten.

Politisch und moralisch sind die Washingtoner Regierung und ihre Verbündeten für diese Gräueltaten verantwortlich. Die Verbrechen der Islamisten in Libyen sind Folge eines monumentalen Verbrechens: des Nato-Kriegs in Libyen zum Sturz des Regimes von Oberst Muammar Gaddafi.

Vor dem Eingreifen der Nato gab es in Libyen keine religiös motivierten Morde an Christen. Die islamistischen al-Qaida-Milizen bestanden lediglich aus kleinen Gruppen ohne nennenswerten Einfluss. Diese Kräfte wurden bewaffnet und gefördert, als die Obama-Regierung und ihre Verbündeten in Europa, allen voran der französische Präsident Nicolas Sarkozy, die Entscheidung trafen, Gaddafi zu stürzen.

Die imperialistischen Mächte rüsteten die islamistischen Milizen und al-Qaida Kader mit Geld und Waffen aus und unterstützten sie aus der Luft. Zehntausende Libyer starben infolge der Bombenangriffe.

Die World Socialist Web Site schrieb damals: „Was die Welt erlebt, ist keine ’Revolution’ und auch kein ‚Befreiungskampf’, sondern ein imperialistischer Feldzug gegen Libyen. Sie sind entschlossen, sich seinen Ölreichtum unter den Nagel zu reißen und das Land zur neokolonialen Operationsbasis für weitere Interventionen im ganzen Nahen Osten und Nordafrika zu machen.“

Heute sind die katastrophalen Folgen dieses Raubzugs unübersehbar.

Der Krieg fand seinen Höhepunkt im Bombenhagel auf Sirte und in der grausigen Ermordung Gaddafis, welche die damalige Außenministerin Hillary Clinton mit dem schadenfrohen Ausspruch kommentierte: „Wir kamen, wir sahen, er starb.“ Seitdem ist Libyen in einen Bürgerkrieg zwischen islamistischen Fraktionen und rivalisierenden Milizen abgeglitten, der immer blutigere Formen annimmt.

Das Land diente der CIA auch als Trainingslager für islamistische Kräfte, die sich auf den Kampf gegen das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad vorbereiteten.

Keine vier Jahre nach dem Krieg berichten die amerikanischen Medien über ISIS-Gräueltaten in Libyen, als hätte der US-Imperialismus nicht das Geringste damit zu tun. Liest man den Leitartikel der New York Times vom Sonntag, bekommt man keinerlei Vorstellung davon, in welchem Maß Washington diese Katastrophe herbeigeführt hat, und welche Rolle die amerikanischen Medien dabei gespielt haben. Dabei war eine Schlüsselfigur des Kriegs, der getötete US-Botschafter Christopher Stevens, mit vielen Journalisten der Times befreundet. Er war kurz nach dem Krieg von einem islamistischen Kommando in Bengasi getötet worden.

Die Times zeigt sich besorgt und schreibt: “Dieses ölreiche Land steuert auf völliges Chaos zu“, und: „Das Wachstum und die Radikalisierung islamistischer Gruppen birgt die Möglichkeit, dass große Teile Libyens zu einer Vorhut des Islamischen Staats werden könnten.“ Die Journalisten der Times bringen es fertig, den Konflikt, der zu Gaddafis Sturz geführt hatte, als reinen „Bürgerkrieg“ darzustellen, ohne den sechsmonatigen Bombenkrieg der Nato gegen Libyen auch nur zu erwähnen.

ISIS ist jetzt genau dort am stärksten, wo Washington am aggressivsten interveniert hat.

Ein weiterer Artikel der Times warnte am Wochenende: „Der Islamische Staat dehnt sich über seine Basis im Irak und in Syrien hinaus aus und gründet militärische Ableger in Afghanistan, Algerien, Ägypten und Libyen.“ Was die Times dabei verschweigt, ist der Umstand, dass die USA in vier der sechs genannten Länder eingefallen sind oder islamistische Stellvertreterkriege finanziert haben, nämlich in Syrien, im Irak, in Afghanistan und in Libyen.

Heute sieht man die Folgen der verantwortungslosen, brutalen, gierigen und grenzenlosen Dummheit Washingtons und seiner Nato-Partner.

Es ist klar, wer für die Katastrophe in Libyen die Verantwortung trägt: der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy, US-Präsident Obama und alle andere Nato-Partner. Sarkozy hatte als erster auf einen Krieg gegen Libyen gedrängt, Obamas Regierung stellte den größten Teil der Feuerkraft, welche die libysche Armee und großen Städte zerstörte, und die Nato-Alliierten haben sich ohne zu Zögern am mörderischen Abenteuer beteiligt.

Die heutigen Ereignisse im Nahen Osten und Nordafrika werfen ein Schlaglicht auf den verbrecherischen Charakter des Imperialismus und der herrschenden Eliten, sowie ihrer Lakaien in Politik und Medien.

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