Australische Regierung erwägt gefährliche Provokation im Südchinesischen Meer

Vor dem Hintergrund eskalierender Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China im Südchinesischen Meer erwägt die australische Regierung, „ihre eigenen Flottenübungen unter dem Stichwort ‘Freiheit der Schifffahrt’ in umstrittenem Gebiet auszuführen, d.h. in der Nähe der von China künstlich errichteten Inseln“. Das berichtete die Tageszeitung The Australian am Dienstag auf ihrer Titelseite.

Der Artikel stammt von dem Redakteur des Blattes für Außenpolitik Greg Sheridan, der beste Verbindungen zu Verteidigungskreisen in Washington und Canberra unterhält. Er enthüllt, dass die Überlegungen in Wirklichkeit auf eine größere Provokation hinauslaufen als die jüngsten Operationen des amerikanischen Militärs nahe den von China kontrollierten Atollen. „Die Flugzeuge der Royal Australian Air Force würden auf zwölf Seemeilen (22 Kilometer) an die von den Chinesen künstlich geschaffenen Inseln heranfliegen und eine Reaktion Pekings wäre sicher zu erwarten“, schreibt Sheridan.

Vergangenen Monat berichtete das Wall Street Journal, dass das Pentagon Pläne angefertigt habe, Kriegsschiffe oder Militärflugzeuge in die Zwölf-Meilen-Zone einer kleinen chinesischen Insel eindringen zu lassen. Der Artikel im Australian macht deutlich, dass Washington dieses rücksichtslose Unterfangen an Canberra delegieren könnte. Australien hat sich in der Vergangenheit als eifriger Kampfhund für die amerikanische Außenpolitik im Nahen Osten und der Ukraine bewährt.

Laut dem Australian ist ein P-3-Aufklärungsflugzeug Bestandteil der Pläne, welches möglicherweise vom Butterworth-Luftwaffenstützpunkt in Malaysia abheben könnte. Alternativ könnte „innerhalb weniger Monate“ ein australisches Kriegsschiff, das sich auf dem Weg zu einem Hafen auf den Philippinen oder in Vietnam befindet, „zufällig“ in die Gewässer eindringen, „die von Peking als seine Hoheitsgewässer betrachtet werden“. Obwohl das australische Kriegsschiff HMAS Perth sich gegenwärtig im Südchinesischen Meer aufhält, könnte der P-3-Flug „wahrscheinlich schneller geschehen […] da er kurzfristig viel einfacher zu arrangieren ist“.

Der Artikel behauptet, dass die Regierung von Premierminister Tony Abbott noch keine Entscheidung gefällt habe, jedoch „eine solche Übung als sehr wahrscheinlich betrachtet wird“. Washington ist offensichtlich stark involviert, obwohl es wohl zumindest formal keine US-geführte Operation ist. Canberra führt mit Washington direkte Gespräche über das Vorgehen im Südchinesischen Meer und wurde im Voraus über den im vergangenen Monat medienwirksam erfolgten amerikanischen Flug nahe chinesisch verwalteter Riffe informiert, bei dem ein CNN-Reporterteam anwesend war.

Die Obama-Regierung könnte es vorziehen, Australien oder einen anderen Verbündeten in die Zwölf-Meilen-Zone eindringen und damit ein Missverständnis oder einen Fehler riskieren zu lassen, der zu einem offenen Zusammenstoß oder zu chinesischer Vergeltung führen könnte. Zudem haben die Vereinigten Staaten im Gegensatz zu Australien das relevante internationale Abkommen, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), nicht unterzeichnet, obwohl sie Chinas Handlungen im Südchinesischen Meer als illegal denunzieren.

Die Gefahr eines Krieges mit China wird jetzt offen diskutiert. In einem Time-Artikel unter dem Titel „Der nächste Schritt zu einem möglichen Konflikt im Südchinesischen Meer“, erklärte der pensionierte Kapitän der US-Navy Bernard Cole, die Chancen, dass Schüsse abgefeuert werden, stünden „höher als 50 Prozent“. Die erste Salve würde seiner Meinung nach wahrscheinlich von den Philippinen oder Vietnam ausgehen – oder von Australien, muss man hinzufügen.

Die detaillierten Planungen, die hinter den Kulissen stattfinden, reflektieren die aggressive Haltung, die vergangenes Wochenende auf dem Shangri-La-Dialog in Singapur von den Vereinigten Staaten, Australien und anderen Verbündeten demonstriert wurde. Am Sonntag wiederholte der australische Verteidigungsminister Kevin Andrews die Worte des amerikanischen Verteidigungsministers Ashton Carter, als er zur Beendigung aller Landgewinnungsaktivitäten im Südchinesischen Meer aufrief und dabei Chinas „großräumige“ Aktivitäten besonders herausstellte.

Andrews sagte dem Wall Street Journal, dass Australien sich jeglicher chinesischen Erklärung einer Luftraumüberwachungszone (Air Defence Identification Zone – ADIZ) im Südchinesischen Meer direkt entgegenstellen werde. Eine ADIZ stellt noch keine territoriale Beanspruchung dar, jedoch müssten Flugzeuge vor dem Eindringen in die Zone eine Warnung abgeben. Als China im Jahr 2013 eine ADIZ im Ostchinesischen Meer erklärte, reagierten die Vereinigten Staaten provokativ mit unangekündigten Flügen atombombenfähiger B-52-Bomber durch die Zone.

Andrews deutete an, die australische Luftwaffe werde eine ADIZ ignorieren und mit Flügen über das Südchinesische Meer fortfahren. „Wir machen es seit Jahrzehnten, wir machen es jetzt […] und wir werden es in Zukunft machen“, sagte er. Das Wall Street Journal berichtete, dass „hochrangige Kommandeure der US-Navy und Marine den engen Verbündeten Australien seit dem letzten Jahr im Pazifik dazu drängen, eine Teilnahme an den multinationalen Kontrollmissionen [gemeinsam mit Japan und den USA] im Südchinesischen Meer zu erwägen“.

In den vergangenen Wochen jagte ein Trommelfeuer der Verdammung Chinas durch die australischen Medien und das politische Establishment. Die außenpolitische Sprecherin von Labor, Tanya Plibersek, mahnte zur Vorsicht, um nicht weiteres Öl in die Spannungen um das Südchinesische Meer zu gießen. Dessen ungeachtet erklärte sie nun: „Es ist wichtig, die Freiheit der Schifffahrt zu sichern sowie die Freiheit, durch ein Gebiet hindurchzufliegen, das eine äußerst verkehrsreiche Handelsroute darstellt.“

Der Kommentar in Murdochs Australian wurde mit dem Nachrichtenkonzern Fairfax Media abgestimmt, der einen Artikel von Peter Hartcher mit dem Titel „Südchinesisches Meer: Die kleinen Inseln, die zum Krieg führen könnten“ am selben Tag veröffentlichte. Hartcher ist Redakteur für Internationales beim Sydney Morning Herald. Nachdem er die „beharrliche Vorstellung“ aufbringt, dass es zu riskant sei, einen Krieg zwischen den USA und China wegen „nichts mehr als ein paar kleiner Inseln und nutzloser Riffe“ zu riskieren, argumentiert Hartcher, dass weit mehr auf dem Spiel stehe: entscheidende Schifffahrtsrouten, umfassende unterseeische Öl- und Gasvorkommen sowie vor allen Dingen die amerikanische Vormachtstellung.

„Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Siebente Flotte der Vereinigten Staaten der unangefochtene Herrscher des Pazifiks gewesen. Ein schnell aufstrebendes China fordert sie jetzt heraus“, schreibt Hartcher. „Auf der Ebene des weltweiten Miteinanders geht es darum, ob es irgendwelche Regeln gibt, die Staaten befolgen müssen oder ob ein einzelner sich durchzusetzen vermag, indem er Gewalt anwendet.“ Er beschließt seinen Artikel mit Beifall für Washingtons Provokationen: „Die gute Nachricht ist, dass Chinas schleichender Invasion der Region jetzt erstmals offen von einem Land entgegengetreten wird, das die Macht besitzt, etwas dagegen zu tun.“

Was tatsächlich im Südchinesischen Meer auf dem Spiel steht, ist Washingtons Entschlossenheit, seine unangefochtene Hegemonie über ganz Asien zu verteidigen, das jetzt im Zentrum der globalen Produktion und Wirtschaft steht. Konfrontiert mit der chinesischen Wirtschaftsexpansion hat die Obama-Regierung ihren „Pivot to Asia“ eingeleitet – eine allumfassende diplomatische, wirtschaftliche und militärische Strategie, die darauf abzielt, China und die gesamte Region den amerikanischen Interessen unterzuordnen.

Die einzige Macht auf der Welt, die sich mutwillig und kriminell „durchzusetzen vermag, indem sie Gewalt anwendet“, ist der US-Imperialismus, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen Krieg nach dem anderen vom Zaun gebrochen hat, um seinen Machthunger zu stillen. Inmitten des Zusammenbruchs des Weltkapitalismus sind die Vereinigten Staaten und ihre Bündnispartner jetzt bereit, einen Krieg mit dem atomar bewaffneten China zu riskieren, um ihre globale Vormachtstellung aufrechtzuerhalten.

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