Perspektive

Japan beschleunigt militärische Aufrüstung

Inmitten eines globalen Niedergangs der Wirtschaft und scharfer geopolitischer Spannungen beschleunigt der japanische Premierminister Shinzo Abe die militärische Aufrüstung des Landes.

Während die Regierung neue Gesetze durch das Parlament peitscht, um die Fesseln zu lösen, die Japans Verfassung dem Militär auferlegt, fordert das japanische Verteidigungsministerium eine weitere Erhöhung seines Budgets um 2,2 Prozent. Damit würde der Militärhaushalt für das nächste Jahr 5,1 Milliarden Yen oder knapp 38 Milliarden Euro betragen, so viel wie noch nie.

Die Erhöhung des Militärbudgets, die am Montag angekündigt wurde, ist bereits die vierte, seit Abe 2012 an die Regierung kam. Davor schrumpften die Verteidigungsausgaben zehn Jahre lang. Das zusätzliche Geld wird hauptsächlich für hochentwickelte neue Rüstungsgüter verwendet: So sollen sechs F-35-Kampfjets, drei Global-Hawk-Drohnen, siebzehn Überwachungshelikopter und Amtrac-Panzerfahrzeuge gekauft sowie ein U-Boot der Soryu-Klasse gebaut werden.

Die Obama-Regierung drängt als Teil des "Pivot to Asia" (Konzentration auf Asien) die Regierung in Tokio zur Aufrüstung der Streitkräfte und zu einer aggressiveren Haltung gegenüber China. Seit 2012 schürt die Abe-Regierung den Konflikt mit der Regierung in Beijing über die umstrittene Senkaku/Diaoyu-Inselgruppe im Ostchinesischen Meer. Spannungen gibt es auch, weil Japan im Konflikt um die Rückgabe chinesischer Inseln im Südchinesischen Meer auf der Seite der USA steht.

Die japanische Aufrüstung verläuft parallel zum amerikanischen Militäraufmarsch in der indopazifischen Großregion, deren Ziel die Einkreisung Chinas ist. Japan ist jetzt schon fest in die Schlachtpläne des Pentagon einbezogen, die auf einen Luft- und Seekrieg gegen China abzielen. Teil der Pläne sind US-Stützpunkte in Japan, Südkorea und Guam als Abschussrampen für einen Blitzkrieg aus der Luft gegen militärische und zivile Ziele in China.

Die japanische Strategie stellt die “Insel-Verteidigung” in den Mittelpunkt. Mit anderen Worten, es geht um den Ausbau und die Verstärkung der Militärpräsenz auf der südlichen Inselkette vor dem chinesischen Festland. Der neue Militärhaushalt soll nicht nur zusätzliche Marine- und Luftwaffentechnik finanzieren, sondern auch den Bau einer Radarstation auf der Insel Yonaguni, die Erweiterung des Stützpunktes Miyakojima und die Einrichtung einer neuen Basis auf Amami-Oshima.

Die japanische Aufrüstung beleuchtet erneut die Gefahr, die jeder Zwischenfall und jede falsche Reaktion in einem der zahlreichen Krisenherde hervorrufen kann. Schon ein kleiner Konflikt in Asien könnte sich zum Weltkrieg auswachsen, wobei die beteiligten Staaten über Nuklearwaffen verfügen. Der globale Wirtschaftszusammenbruch seit 2008 hat diese Kriegsgefahr enorm verschärft. Alle Großmächte versuchen, auf Kosten ihrer Rivalen der Wirtschaftskrise zu entgehen, und stürzen sich auch mit militärischen Mitteln in einen Wettlauf um Märkte, Ressourcen und billige Arbeitskräfte.

Seit zwanzig Jahren zettelt der US-Imperialismus einen kriminellen Krieg nach dem andern an, ob im Nahen Osten, auf dem Balkan oder in Zentralasien. Er versucht, seinen historischen Wirtschaftsniedergang durch militärische Stärke auszugleichen und seine weltweite Vorherrschaft zu etablieren. Deutschland ist wie Japan dabei, sich seiner Fesseln zu entledigen, die ihm nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg auferlegt wurden. So rüstet die Berliner Regierung ihre Streitkräfte wieder auf, um die deutschen Interessen in ganz Europa und weltweit durchzusetzen. Wie der „Pivot to Asia“ die Kriegsgefahr gegen China erhöht, so erhöht der faschistische Putsch in der Ukraine, den die USA und Deutschland 2014 inszenierten, die Gefahr eines Konflikts mit Russland.

Wie jede Regierung versucht auch die japanische, die sozialen Spannungen im Innern auf einen äußeren Feind abzulenken. Der ökonomische Abschwung in China hat auch die japanische Wirtschaft stark in Mitleidenschaft gezogen. Sie ist im zweiten Quartal aufs Jahr bezogen um 1,6 Prozent geschrumpft. Während die beschönigte offizielle Arbeitslosenquote im Juli 3,3 Prozent betrug, ist die Zahl der prekären Arbeitskräfte unter der Abe-Regierung um 1,5 Millionen hochgeschnellt und beträgt nun zwanzig Millionen oder fast vierzig Prozent der japanischen Arbeitskräfte. Millionen junger Menschen sind gezwungen, bei ihren Eltern wohnen zu bleiben, und die Zahl der Menschen, die Sozialhilfe beanspruchen, ist im Mai auf über 1,6 Millionen hochgeschnellt. So stieg die relative Armut (bei der man weniger als die Hälfte des nationalen Durchschnittseinkommens hat) im letzten Jahr auf die Rekordzahl von sechzehn Prozent der Bevölkerung.

Um seine Wiederaufrüstung der Öffentlichkeit schmackhaft zu machen, führt Abe einen Propagandafeldzug, der die japanischen Kriegsverbrechen der 1930er und 1940er Jahre beschönigen soll. Sein Besuch von 2013 beim berüchtigten Yasukuni-Schrein, einem wichtigen Symbol des japanischen Militarismus, sollte die Behauptung untermauern, dass Japan in Asien einen Befreiungskrieg gegen den westlichen Kolonialismus geführt habe. So sollen auch Gräueltaten wie das Massaker von Nanjing in Vergessenheit geraten. Abe hat persönlich und öffentlich amerikanische Geschichtsbücher kritisiert, weil sie die schätzungsweise 200.000 „Trostfrauen“ erwähnen, die das japanische Militär als Sexsklavinnen missbraucht hat.

Aber die Antikriegsbewegung hat in Japan, besonders in der Arbeiterklasse, tiefe Wurzeln. Die kolonialen Eroberungen des japanischen Imperialismus in Asien während des Zweiten Weltkriegs gingen mit brutalen Unterdrückungsmaßnahmen im Innern einher. Der Kampf gegen Krieg ist in der Nachkriegszeit immer und immer wieder aufgeflammt -- so bei den Massenprotesten gegen den amerikanisch-japanischen Sicherheitsvertrag von 1960, in den Demonstrationen der 1960er und 1970er Jahre gegen den Vietnamkrieg und, in jüngerer Zeit, bei den großen Kundgebungen gegen die japanische Beteiligung am Irakkrieg 2003 unter amerikanischer Führung.

Die jüngsten Sicherheitsgesetze der Regierung, die momentan im Oberhaus des japanischen Parlaments, dem Diet, diskutiert werden, rufen breiten öffentlichen Widerstand hervor. Die neuen Gesetze sollen Abes „Neuinterpretation“ der Landesverfassung vom letzten Jahr umsetzen und die „kollektive Selbstverteidigung“ und damit die Teilnahme der japanischen Armee an amerikanischen Aggressionskriegen erlauben. Wie zahlreiche Rechtsexperten erklärt haben, widersprechen diese Gesetze diametral Artikel 7 der Verfassung, der Krieg für alle Zeiten verbietet und es nicht erlaubt, jemals wieder Land-, See- und Luftstreitkräfte zu unterhalten. Die Gesetze werden den Präzedenzfall schaffen, der es dem japanischen Imperialismus ermöglicht, alle Beschränkungen für den Einsatz des Militärs abzuschütteln.

Am vergangenen Wochenende erreichten die Antikriegs-Proteste einen neuen Höhepunkt, als etwa 120.000 Menschen in Tokio auf die Straße gingen und Demonstrationen in 200 weiteren Städten im ganzen Land stattfanden. Die Abe-Regierung lässt sich jedoch nicht von ihrem Kurs abbringen. Sie verlässt sich darauf, dass die etablierten Oppositionsparteien, die Demokratische Partei Japans (DPJ) und die Japanische Kommunistische Partei (JCP), die Wut der Bevölkerung in sichere parlamentarische Kanäle lenken wird. Sowohl die DPJ als auch die JCP unterstützen die Haltung der Abe-Regierung gegen China in der wichtigen Frage der Senkaku/Diaoyu-Inseln.

Arbeiter und Jugendliche in Japan und weltweit können gegen diese gefährliche Kriegsentwicklung nur kämpfen, wenn sie sich einer neuen politischen Perspektive zuwenden. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) warnt in seiner Erklärung „Sozialismus und der Kampf gegen imperialistischen Krieg“, dass Krieg nicht nur möglich sondern unvermeidlich sei, wenn die Arbeiterklasse nicht eingreift, um den Kapitalismus abzuschaffen:

“Der Zusammenprall der imperialistischen und nationalstaatlichen Interessen beweist, dass es im Kapitalismus unmöglich ist, die weltweit integrierte Wirtschaft vernünftig zu organisieren und so für eine harmonische Entwicklung der Produktivkräfte zu sorgen. Zugleich erzeugen dieselben Widersprüche, die den Imperialismus an den Rand des Abgrunds treiben, die objektiven Triebkräfte für die soziale Revolution. Die Globalisierung der Produktion hat zu einem massiven Wachstum der Arbeiterklasse geführt. Nur diese soziale Kraft, die an keine Nation gebunden ist, kann das Profitsystem und damit die Ursache von Krieg beenden.“

Wir fordern Arbeiter und Jugendliche in Japan, ganz Asien und auf der ganzen Welt auf, an der Kampagne des IKVI teilzunehmen, um eine gemeinsame Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse zu schaffen, die sich auf Programm und Prinzipien des sozialistischen Internationalismus stützt.

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