Wahlabschlussveranstaltung der IYSSE an der Humboldt-Universität

„Die StuPa-Wahl ist der Anfang einer Antikriegsbewegung“

Am Montag kamen mehr als 80 Studierende und Arbeiter zur Wahlabschlussveranstaltung der International Youth and Students for Social Equality an der Berliner Humboldt-Universität. Die IYSSE kandidieren zum Studierendenparlament, das am Dienstag und heutigen Mittwoch gewählt wird.

Der Abend war von einer lebhaften und ernsthaften Diskussion über die Schärfe der politischen Krise und die Wiederkehr des deutschen Militarismus geprägt. Neben Vertretern der IYSSE aus Deutschland war mit Niles Williamson auch der Sprecher der IYSSE in den USA gekommen.

Wahlabschlussveranstaltung der IYSSE

Als erstes ging der Sprecher der IYSSE Deutschland, Christoph Vandreier, auf die rasante Kriegsentwicklung ein. Die Rückkehr des deutschen Militarismus komme in den Kriegseinsätzen in Syrien, Mali, Afghanistan und vielen anderen Ländern sowie in der angekündigten massiven Aufrüstung zum Ausdruck. Weil dies auf breite Ablehnung in der Bevölkerung stoße, stütze sich die Politik immer offener auf Polizeistaatsmaßnahmen und Chauvinismus, um ihre Ziele durchzusetzen.

„Die Kampagne um die Silvesternacht in Köln ist ein Paradebeispiel für eine schmutzige Hetzkampagne“, sagte Vandreier und zeigte auf, wie dünn die Faktenlage in Bezug auf die Ereignisse ist. „Trotzdem gab es keine Partei im Bundestag und keine große Zeitung, die sich nicht an der Hysterie beteiligt und eine massive Aufrüstung der Polizei gefordert hätte.“

Christoph Vandreier

Dass es trotz der verbreiteten Opposition in der Bevölkerung keine Antikriegsbewegung gebe, erkläre sich aus der Verwandlung der ehemaligen Friedensbewegung in Kriegstreiber. Führende Mitglieder der Linkspartei hetzten gegen Flüchtlinge. Die Grünen seien zu den deutlichsten Kriegsbefürwortern geworden. Diese Verwandlung beinhalte grundlegende Lehren, erklärte Vandreier. „Sie zeigt, dass man nicht gegen Krieg kämpfen kann, ohne gegen seine Wurzel, den Kapitalismus vorzugehen.“

Die schreiende soziale Ungleichheit und der Widerspruch zwischen globaler Produktion und Nationalstaatensystem vertiefe die imperialistischen Konflikte und führe in einen Dritten Weltkrieg. Dem Aufbrechen der nationalen Konflikte und der Krise der EU „setzen wir die internationale Einheit der Arbeiter entgegen“, sagte Vandreier. Nötig sei eine sozialistische Perspektive.

Der Sprecher der IYSSE in den Vereinigten Staaten, Niles Williamson, der für die Veranstaltung nach Berlin gekommen war, sprach über die Bedeutung der Arbeit an der Humboldt-Universität. „Studierende und Arbeiter auf der ganzen Welt werden einen Erfolg der IYSSE bei den StuPa-Wahlen als ein deutliches Zeichen gegen die Kriegstreiberei der herrschenden Eliten sehen.“

Niles Williamson mit Übersetzer

Natürlich sei die Wiederkehr des Militarismus nicht auf Deutschland beschränkt, betonte Williamson. „Die Regierung der Vereinigten Staaten als Zentrum des Weltimperialismus bleibt bis heute die größte Quelle von Gewalt.“ Er ging ausführlich auf die Kriege gegen Irak, Libyen und Syrien und die Kriegsdrohungen gegen Russland ein. Drohnenmorde, Folter und Entführungen gehörten zur täglichen Praxis der amerikanischen Streitkräfte.

„Die Bedrohung durch den amerikanischen Imperialismus und die Gefahr, dass sein Streben nach Hegemonie in einen Dritten Weltkrieg führt, sind sehr real“, resümierte Williamson. „Aber es gibt eine starke Gegenkraft dazu, und das ist die amerikanische Arbeiterklasse.“ Die Kriege und Sozialkürzungen der letzten 15 Jahre seien nicht spurlos an den Arbeitern vorbeigegangen. Es gebe eine weiterverbreitete Opposition gegen den Kapitalismus.

Eindrucksvoll schildert Williamson, wie die soziale Grundversorgung zerstört und die Rechte der Arbeiter unterhöhlt wurden. „Niemand mehr sieht die Vereinigten Staaten als Land der Möglichkeiten, sondern als Land der Zwangsvollstreckungen, des Abstellens von Strom und Gas und der Demontage der öffentlichen Bildung.“

Es gebe starke Anzeichen, dass die Arbeiter in heftige Klassenkämpfe eintreten. Die IYSSE und die Socialist Equality Party (SEP) hätten große Unterstützung unter Autoarbeitern gewonnen, die sich dem gemeinsamen Lohndiktat der Gewerkschaften und Unternehmensleitung widersetzten. Umfragen zufolge sehe die Mehrheit der unter 29-jährigen US-Amerikaner den Sozialismus positiver als den Kapitalismus.

Sven Wurm

Nach Williamson sprach der Spitzenkandidat der IYSSE an der Humboldt-Universität, Sven Wurm „Wir haben aufgezeigt, dass Professoren hier an der HU das ideologische Narrativ für eine aggressivere Außenpolitik ausarbeiten, für neue Kriege, für eine Weltmachtstellung Deutschlands und auch für einen starken Staat, für autoritäre Herrschaftsformen und schließlich für Diktatur“, sagt er. Herfried Münkler und Jörg Baberowski spielten dabei eine zentrale Rolle.

Münkler habe sich offen dafür ausgesprochen, dass man die Geschichte umschreiben müssen, um eine neue deutsche Außenpolitik durchzusetzen. Er habe gefordert, Deutschland müsse zum Zuchtmeister Europas werden.

Baberowski verteidige den Nazi-Apologeten Ernst Nolte und verharmlose den Vernichtungskrieg der Nazis. In den letzten Wochen sei er vermehrt in den Medien aufgetreten, um übel gegen Flüchtlinge zu hetzen. Er fordere sogar offen den Aufbau einer rechtsextremen Partei.

Schaue man sich diese Entwicklungen an der HU und auch die Medienkampagne zu Köln an, merke man, wie die alten Fragen der Diskriminierung und Diktatur wieder auftauchten. Bemerkenswert sei, dass sämtliche Parteien diese Politik unterstützten und die IYSSE die einzige Kraft an der Uni sei, die sich der Kriegsentwicklung und Flüchtlingshetze entgegenstellt habe.

„Mit den StuPa-Wahlen werden wir den Krieg nicht aufhalten“, sagt Wurm, „aber unser Abschneiden ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass es Widerstand gegen diese Entwicklung gibt.“ Gerade an der HU, die bereits bei der Vorbereitung der beiden Weltkriege eine wichtige Rolle gespielt habe, sei dies extrem wichtig. „Die StuPa-Wahl ist nicht das Ende des Wahlkampfs, sondern der Anfang einer Antikriegsbewegung“, schloss Wurm.

In der Diskussion meldet sich gleich eine Geschichtsstudentin zu Wort, die die IYSSE während des Wahlkampfs kennengelernt hatte. „Ich will dafür sprechen, die IYSSE zu wählen“, sagte sie. Sie habe von dem Ausländerverbot im Hallenbad von Bornheim gelesen und sei über diese Entwicklung schockiert. Es werde bewusst Fremdenfeindlichkeit geschürt. Deutschland trage mit Waffenlieferungen und Kriegseinsätzen zu dem Elend der Menschen bei, die so zu Flüchtlingen gemacht würden.

Auch andere Zuhörer bedankten sich für die Beiträge und die Arbeit der IYSSE an der HU. Viele wollten wissen, was genau die IYSSE mit einer sozialistischen Perspektive meine und warum sie so großen Wert darauf lege, den Kampf gegen Krieg auf die Arbeiterklasse zu stützen. Eine Unterstützerin fragte auch, was die IYSSE im Stupa genau machen könnten.

Vandreier betonte in seiner Antwort, dass man das perverse Anwachsen der Ungleichheit und die globale Kriegsentwicklung nicht mit individuellen Kategorien, sondern nur mit einer Klassenanalyse der Gesellschaft verstehen könne. Die sozialistische Perspektive bedeute, dass die Arbeiter unabhängig ins politische Geschehen eingreifen und die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Menschen umgestalten. Dazu seien die theoretischen Fragen, die die IYSSE an der HU auskämpfe, von großer Bedeutung.

Katja, die für die IYSSE kandidiert und das Podium moderierte, fügte hinzu, dass Sozialismus nichts mit Stalinismus zu tun habe, wie er sich in der Sowjetunion durchgesetzt habe. „Der Stalinismus war die Reaktion der Bürokratie gegen die Oktoberrevolution und nicht ihre Fortsetzung“, sagte sie.

Außerdem unterstrich Katja die Bedeutung der StuPa-Wahlen. „Andere Listen versuchen zu verhindern, dass das StuPa ein Instrument der Studierenden im Kampf gegen die Verwandlung der Uni in ein ideologisches Kriegszentrum wird. Sie unterdrücken jede ernsthafte Diskussion im StuPa.“

Die StuPa-Wahlen an der HU laufen noch bis Mittwoch, den 20. Januar um 18 Uhr. Eine Liste der Wahllokale findet sich hier.

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