Kriege und sinkender Ölpreis verstärken die Krise der saudischen Monarchie

Das saudische Königshaus will der Arbeiterklasse sämtliche Kosten der Ölpolitik aufzwingen, die im Januar zu einem Rückgang der Rohölpreise auf unter 30 Dollar pro Barrel geführt hat, sowie die Kosten für seine katastrophale Militärintervention im Jemen und die verdeckten Kriege im Irak und Syrien zur Unterstützung islamistischer Extremisten.

Es schürt religiöse Spannungen gegen die schiitische Bevölkerungsminderheit, um den Widerstand der Bevölkerung von der korrupten und verknöcherten Monarchie abzulenken und ihren wichtigsten Rivalen in der Region, den Iran, zu isolieren.

Das alles hat zu einem zunehmend angespannten Verhältnis zu den USA geführt, von denen die Monarchie abhängig ist.

Der Absturz der Ölpreise macht sich zunehmend in der saudischen Wirtschaft bemerkbar. Saudi-Arabiens Entscheidung gegen eine Verringerung der Ölförderung, die auch von Washington unterstützt wird, zielt darauf ab, seinen Marktanteil zu schützen und die Wirtschaft Russlands und des Iran zu schädigen, die das syrische Regime unterstützen.

Doch obwohl die Preise mit mit weniger als 30 Dollar pro Barrel auf den tiefsten Stand seit elf Jahren sinken, erklärte der saudische Ölminister Ali Naimi, die Ölpolitik werde fortgesetzt, selbst wenn der Preis auf zwanzig Dollar pro Barrel sinken sollte. Der staatliche saudische Ölkonzern Aramco kann zwar für weniger als zwanzig Dollar pro Barrel Öl produzieren, doch die Regierung ist fast völlig von Einnahmen aus dem Ölgeschäft abhängig und bräuchte einen Ölpreis von mindestens 90 Dollar pro Barrel, um ihren Haushalt ausgeglichen zu gestalten. Momentan nimmt sie fast keine Steuern ein.

Naimi betonte, seine Ölpreisstrategie funktioniere, die saudischen Ölexporte an die großen Verbraucher in Asien (auf die mehr als zwei Drittel der saudischen Ölexporte entfallen) und Europa hätten im ersten Halbjahr 2015 den höchsten Stand seit Jahren erreicht und die Exporte in die USA stiegen, auch wenn sie den Rekord von 2,2 Millionen Barrel pro Tag vom Mai 2003 nicht erreichen. Riad kontrolliert mittlerweile etwa 8,1 Prozent des weltweiten Marktes, während es 2014 7,9 Prozent waren. Allerdings wird es vermutlich Schwierigkeiten haben, dieses Niveau zu halten, da zusätzliches Rohöl vom Iran und dem Irak auf den Markt kommt und die Schieferölproduktion in den USA weiterhin ansteigt.

Letztes Jahr verzeichnete Saudi-Arabien mit fast 100 Milliarden Dollar (fünfzehn Prozent des BIP) sein höchstes Haushaltsdefizit seit dem Golfkrieg. Das Haushaltsdefizit für 2016 wird vermutlich noch höher liegen.

Im Etat für 2016 wurden die staatlichen Ausgaben um fünfundzwanzig Prozent gekürzt. Betroffen davon waren u.a. die Energiesubventionen, was den Gaspreis um 50 Prozent erhöhen wird. Zudem sollen die Steuereinnahmen durch die erstmalige Einführung einer fünfprozentigen Mehrwertsteuer für saudische Staatsbürger und die Privatisierung von staatlichen Unternehmen wie Aramco erhöht werden. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass das Haushaltsdefizit von 98 Milliarden Dollar im Jahr 2015 auf 140 Milliarden Dollar steigt und das Land auf seine Reserven in Höhe von 600 Milliarden Dollar zurückgreifen muss.

Diese Schritte sind eine Abkehr von der lange Zeit gewahrten Grundlage der saudischen Herrschaft: ein bisschen Sozialstaat, Subventionen für Krankenversicherung und Wohnung, billiges Benzin und kostenlose Bildung, während das Königshaus ohne den Anschein parlamentarischer Demokratie den Löwenanteil am immensen Ölreichtum des Landes für sich beansprucht. Da fast 60 Prozent der Bevölkerung jünger als 30 Jahre, und 28,3 Prozent der Jugendlichen (unter jungen Frauen ist diese Quote sogar noch höher) arbeitslos sind, würde die Abschaffung solcher Leistungen notwendigerweise sozialen und politischen Widerstand provozieren.

Es existieren nur wenige zuverlässige Zahlen über die Armut in Saudi-Arabien. Im Jahr 2011 wurden drei junge Blogger verhaftet, weil sie über Armut in Riad geschrieben hatten. Sie hatten ein YouTube-Video veröffentlicht, das die Lebensbedingungen in der Hauptstadt und persönliche Interviews und Äußerungen von Bettlern zeigt. Nachdem das Video fast 800.000-mal angesehen wurde, verhaftete die Polizei die Jugendlichen, damit keiner mehr ihrem Beispiel folge.

Ein wichtiges Element im Plan der Regierung, Arbeitsplätze für hunderttausende von Saudis zu schaffen, die jedes Jahr in den Arbeitsmarkt eintreten, war das Wachstum des Privatsektors. Dieser sank allerdings von fünf Prozent 2014 auf 2,9 Prozent 2015.

Im Vorfeld der neuen Haushaltsmaßnahmen wurden im August zwei Anleiheserien ausgegeben, im Oktober wurden die Staatsausgaben gekürzt und zeitlich auf die Hinrichtung von 47 Gefangenen abgestimmt. Unter den Hingerichteten befand sich auch der muslimische Geistliche und führende Sprecher der unterdrückten saudi-arabischen Minderheit Nimr al-Nimr. Die wirtschaftlichen Neuigkeiten gingen angesichts der Hinrichtungen unter. Nimr wurde gefoltert und von einem Scheingericht wegen „Ungehorsam gegenüber dem Herrscher“ und „Aufruf, Führung und Teilnahme an Demonstrationen“ verurteilt, die 2011 in der überwiegend schiitischen Ostprovinz ausgebrochen waren.

Die Massenhinrichtungen und der starke Anstieg der Enthauptungen im Jahr 2015 sollten verdeutlichen, dass kein Widerstand geduldet wird. Die Hinrichtung von Nimr sollte außerdem die religiösen Spannungen im Land und der Region verschärfen und den Iran provozieren. Es kam als Reaktion zu Demonstrationen und Brandanschlägen auf die saudische Botschaft in Teheran und das Konsulat in Maschhad, Riad brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen ab.

Der Hintergrund ist, dass die saudische Monarchie das Abkommen zwischen den USA und dem Iran ablehnt und fürchtet, dass die Wiedereingliederung des Iran in die internationalen Beziehungen ihre eigene Position gefährden wird, während die ganze Region aufgrund des wechselhaften und widersprüchlichen Vorgehens des US-Imperialismus ins Chaos abgleitet.

Bereits im Vorfeld hatten die Spannungen mit Washington zugenommen. Saudi-Arabien lehnt viele Entscheidungen der Obama-Regierung ab, u.a. ihre Weigerung, den Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak zu verhindern, was in der ganzen Region und auch am Golf Unruhen verursacht hat. Zudem war die Obama-Regierung bereit, mit der Moslembruderschaft von Präsident Mohammed Mursi zusammenzuarbeiten und unterstützt die pro-iranische schiitische Regierung im Irak. Sie hat sich außerdem gegen eine entschiedene Einmischung in den Krieg in Syrien zum Sturz von Präsident Baschar al-Assad entschieden, eines Verbündeten des Iran und einer einflussreichen Macht im Libanon, sodass Russland einschreiten und Assad stärken konnte.

Saudi-Arabien ist entschlossen, die Annäherung zwischen den USA und dem Iran und eine Verhandlungslösung des Krieges in Syrien zu sabotieren, da es Milliarden Dollar für diesen Krieg ausgegeben und die CIA bei ihren verdeckten Aktionen unterstützt hat. Es versucht, seine Position zu sichern, indem es die USA in den Krieg in Syrien und möglicherweise gegen den Iran selbst zieht.

Der erbitterte religiöse Krieg, den die Saudis in Syrien schüren, hat nicht nur Riads Ziele nicht erreicht, sondern auch die mit Al Qaida verbündeten sunnitischen Milizen gestärkt, die auch in Saudi-Arabien ihre eigenen Ziele verfolgen. Al Qaida ist einer der größten Nutznießer der saudischen Militärintervention im Jemen.

Am Montag letzter Woche übernahm der Islamische Staat (IS) die Verantwortung für einen Autobombenanschlag auf ein Mitglied der saudischen Streitkräfte in Riad, bei dem jedoch keine Verletzten gemeldet wurden. Am 29. Januar verübte der IS einen Anschlag auf eine schiitische Moschee in der Ostprovinz, bei dem vier Menschen getötet und achtzehn verletzt wurden.

Die Beziehungen zwischen der saudischen Monarchie und Washington sind so angespannt, dass US-Außenminister John Kerry vor zwei Wochen nach Riad fliegen musste, um die Stimmung am Golf zu beruhigen, Befürchtungen über die Verhandlungen zu Syrien in Genf zu beschwichtigen und den Golfstaaten weitere Unterstützung durch die USA zuzusichern. Er erklärte: „Leute, wir pflegen eine so solide Beziehung, ein so klares Bündnis und eine so starke Freundschaft mit dem Königreich Saudi-Arabien wie nie zuvor.“

Deutschland ist jedoch zunehmend besorgt, dass Saudi-Arabien einen Flächenbrand in der Region auslösen könnte. Laut der Zeitung The Independent hat der Bundesnachrichtendienst letztes Jahr ein Memorandum veröffentlicht, laut dem Saudi-Arabien eine „impulsive Interventionspolitik“ betreibt. Der saudische Verteidigungsminister und Vize-Kronprinz Mohammed bin Salman, der 30-jährige Lieblingssohn des greisen 80-jährigen Königs Salman, wird darin als ein politischer Glücksspieler charakterisiert, der die arabische Welt durch Stellvertreterkriege im Jemen und Syrien destabilisiert.

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