Perspektive

Japans Sicherheitsgesetze:

Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum Weltkrieg

Am gestrigen Dienstag trat Japans neue Militärgesetzgebung in Kraft. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlaubt sie der Armee des Landes, unter dem Vorwand der „kollektiven Selbstverteidigung“ in vollem Umfang an Kriegen im Ausland teilzunehmen. Die Inkraftsetzung der Gesetze sind ein wesentlicher Schritt in der Wiederbelebung des japanischen Militarismus, der von Washington im Rahmen seines „Pivot to Asia“ und der Vorbereitung auf einen Krieg mit China ermutigt wird.

Die Gesetze sind eine schamlose Verletzung der japanischen Verfassung, die in Artikel 7 für immer auf Krieg verzichtet und versichert, dass nie wieder Land-, See- und Luftstreitkräfte unterhalten werden.

Premierminister Shinzo Abe setzte sich letzten Monat über die Bedenken von Rechtsexperten, die Gesetze seien verfassungswidrig, hinweg und erklärte, die Verfassung und nicht die neuen Gesetze müssten geändert werden. Abe drängt darauf, alle Beschränkungen für das Militär aufzuheben und Japan in ein „normales Land“ zu verwandeln, d.h. in ein Land, das seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen aggressiv mit Waffengewalt verfolgen kann.

Seit sie 2012 an die Macht gekommen ist, hat die rechte Regierung der Liberal-demokratischen Partei (LDP) die Militärausgaben erhöht, die Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte bei einem den USA nachempfundenen Nationalen Sicherheitsrat konzentriert und seine militärischen Planungen auf den Konflikt mit China ausgerichtet. Als Teil seiner „Insel-Verteidigung“-Strategie baut Japan seine Militärstützpunkte auf seiner südlichen Inselkette aus. Am Montag wurde eine neue Radarstation auf der Insel Yoniguna in Betrieb genommen – nur 150 Kilometer entfernt von den umstrittenen Inseln im Südchinesischen Meer, die in Japan Senkaku und in China Diaoyu genannt werden.

Das gesamte politische Establishment Japans, nicht nur die LDP, ist verantwortlich für die extremen Spannungen wegen der Senkakus. Die vorherige Regierung unter Führung der Demokratischen Partei Japans (DPJ) sorgte im September 2012 für heftige chinesische Proteste, als sie die unbewohnten Felsbrocken „verstaatlichte“ oder von ihrem Privatbesitzer kauften. Abe hat sich geweigert, Verhandlungen mit China über die Zukunft der Inseln auch nur in Betracht zu ziehen.

2014 hat US-Präsident Barack Obama den Druck noch erhöht, indem er erklärte, das amerikanisch-japanische Sicherheitsabkommen umfasse auch die Senkakus. Damit verpflichteten sich die USA, militärisch aufseiten Japans einzugreifen, sollte es zwischen Japan und China Krieg wegen der Inseln geben. Im letzten Jahr gab es Hunderte von gefährlichen Begegnungen, als Japan Kampfjets und Schiffe der Küstenwache mobilisierte, um gegen das chinesische „Eindringen“ vorzugehen. Das erhöhte das Risiko, dass ein Fehler oder eine falsche Einschätzung zu einem Konflikt führen könnte.

Das Inkrafttreten von Japans Gesetzen zur „kollektiven Selbstverteidigung“ ist ein weiterer Meilenstein der Entwicklung zum Krieg, die durch den globalen Zusammenbruch des Kapitalismus angetrieben wird. Der japanische Imperialismus operiert zwar zurzeit unter der Schirmherrschaft der Vereinigten Staaten, dabei handelt es sich jedoch um ein Zweckbündnis. Japan und die USA haben schon einmal einen Krieg im pazifischen Raum darüber ausgetragen, welche Macht Asien beherrschen soll, der Millionen von Menschen das Leben gekostet hat. Die beiden Länder könnten durchaus wieder aneinandergeraten.

Die Remilitarisierung Japans unterstreicht die Warnungen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) in seiner Erklärung von Februar mit dem Titel „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“, dass die Welt erneut in einen katastrophalen globalen Konflikt gezogen wird. Hinter dem Rücken der Bevölkerung beschleunigen die kapitalistischen Regierungen die Vorbereitungen auf Kriege und werden zunehmend kriegslüsterner.

Die Erklärung stellt fest: „Genau wie in den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 und des Zweiten Weltkriegs 1939 gelangen führende Politiker und Militärstrategen allmählich zu der Überzeugung, dass ein Krieg zwischen den Großmächten keine entfernte Möglichkeit, sondern höchst wahrscheinlich und vielleicht sogar unvermeidlich ist. Diese Art von militärischem Fatalismus trägt an einem bestimmten Punkt selbst zum Ausbruch eines Krieges bei.“

Wie gegenwärtig auch in Deutschland wird in Japan die Hinwendung zum Krieg von einer reaktionären Kampagne begleitet, die Geschichte umzuschreiben und die ungeheuerlichen Verbrechen des japanischen Imperialismus in den 1930er- und 1940er-Jahren schönzufärben. Abe, dessen Großvater mütterlicherseits, Nobusuke Kishi, Mitglied im japanischen Kriegskabinett war, spricht für breite Schichten der herrschenden Elite, die Japans Rolle im Zweiten Weltkrieg als Kampf rechtfertigen, der Asien vom westlichen Kolonialismus befreien sollte. Beauftragte von Abe haben die sexuelle Sklaverei von Hunderttausenden von „Trostfrauen“ durch die japanische Armee abgetan und solche Gräueltaten wie das Massaker von Nanking, bei dem bis zu 300.000 chinesische Zivilisten und Gefangene niedergemetzelt wurden, heruntergespielt oder geleugnet.

Die Regierung heizt japanischen Patriotismus und ein Klima der Angst vor der chinesischen „Gefahr“ an, um die Wiederbewaffnung zu rechtfertigen. Gleichzeitig versucht sie, die wachsenden sozialen Spannungen nach außen gegen einen ausländischen Feind zu richten. Ein Vierteljahrhundert Wirtschaftskrise kommt zusammen mit dem Scheitern der sogenannten Abenomics, die nicht in der Lage waren, die japanische Wirtschaft wiederzubeleben. Die Löhne verbleiben auf dem Niveau, auf dem sie vor zwanzig Jahren waren. Viele junge Menschen sind auch weiterhin zu Arbeitslosigkeit oder schlecht bezahlten Gelegenheitsarbeiten verdammt. Diese Woche berichtete die Financial Times, viele ältere Menschen würden Bagatelldelikte begehen, damit sie ins Gefängnis kommen, weil sie mit ihren mageren Renten nicht überleben können.

Dieselbe Krise des globalen Kapitalismus, die die Tendenz zum Krieg anheizt, gibt auch der sozialistischen Revolution neuen Auftrieb. Der Widerstand gegen Krieg ist in der japanischen Arbeiterklasse tief verankert, die nicht nur unter dem Polizeistaat der militaristischen Kriegsregierung in Tokio gelitten hat, sondern auch unter den mörderischen US-Bombenangriffen. Das japanische Bevölkerung ist bisher die einzige, die in Hiroshima und Nagasaki das Grauen einer atomaren Einäscherung erlebt hat.

Letztes Jahr fanden einige der größten Antikriegsdemonstrationen in der Geschichte Japans statt, als die Abe-Regierung ihre Militärgesetze durchs Parlament peitschte. Auf ihrem Höhepunkt schwollen die Demonstrationen in Tokio auf 120.000 Teilnehmer an. In hunderten kleineren Städten gab es ebenfalls Proteste. Die Antikriegsstimmung blieb jedoch im parlamentarischen Rahmen gefangen, da die Japanische Kommunistische Partei und diverse pseudolinke Organisationen die Proteste der kapitalistischen Demokratischen Partei von Japan unterordneten, die keine grundsätzlichen Einwände gegen die Militärgesetzgebung hat.

Arbeiter und Jugendliche in Japan können, wie ihre Brüder und Schwestern überall auf der Welt, die Entwicklung zum Weltkrieg nur durch den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse aufhalten, die sich auf ein Programm des sozialistischen Internationalismus stützt. Die Ausbreitung von Kriegen kann nur gestoppt werden, wenn die gesellschaftliche Ordnung abgeschafft wird, die ihre eigentliche Ursache ist – der Kapitalismus mit seinem archaischen Nationalstaaten-System. Das IKVI ist die einzige politische Organisation auf diesem Planeten, die für diese Perspektive kämpft. Wir fordern unsere Leser in Japan und überall in Asien auf, den Kampf zum Aufbau dieser Antikriegsbewegung aufzunehmen.

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