Syriza-Regierung wird zum Vorreiter der Kürzungspolitik

In der Nacht zum Mittwoch einigten sich die Finanzminister der Eurogruppe darauf, der griechischen Regierung 10,3 Milliarden Euro aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bereitzustellen. Die ersten 7,5 Milliarden sollen bereits Ende Juli ausgezahlt werden. Die Tranche ist Teil des Kreditabkommens, das die Syriza-Regierung im letzten Sommer mit der Eurogruppe und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgehandelt hatte.

Umfassende Schuldenerleichterungen, wie sie selbst der IWF gefordert hatte, um die Staatsschulden tragfähig zu machen, wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Entscheidungen darüber haben die Minister davon abhängig gemacht, ob das Kreditprogramm bis 2018 erfolgreich beendet werden kann, also ob die Syriza-Regierung auch weiterhin am rabiaten Sparkurs festhält.

Damit haben die Euroländer deutlich gemacht, dass sie keinen anderen Umgang mit der Schuldenkrise akzeptieren, als die radikalen Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiter fortzusetzen. Griechenland wird über Jahrzehnte in die Abhängigkeit von den Geldgebern gezwungen. Berechnungen des IWF zufolge wird die griechische Schuldenlast wegen des Spardiktats der EU und der horrenden Zinszahlungen bis 2020 auf 176 Prozent des BIP ansteigen.

Die rasche Entscheidung der Eurogruppe hat daher Symbolcharakter. Die Regierungen der Euroländer schließen ihre Reihen, um das Diktat der Banken auf dem ganzen Kontinent durchzusetzen. Die Vereinbarung ist die Antwort der herrschenden Eliten auf den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse gegen Sozialkürzungen und Krieg.

Vor allem die Ereignisse in Frankreich haben den Mächtigen Europas einen Schock versetzt. Die anschwellenden Massenstreiks gegen die Arbeitsmarktreform der Hollande-Regierung sind Ausdruck der tiefen Opposition der Arbeiter auf dem ganzen Kontinent gegen die Angriffe auf soziale und demokratische Rechte. Sie können sich rasch zu einer europäische Bewegung ausweiten.

Unter diesen Bedingungen haben die Regierungsvertreter ihre Streitigkeiten beigelegt und den Kürzungsplan für Griechenland ohne große Konflikte durchgesetzt. „Auch wenn die Diskussionen lang waren, die Atmosphäre war immer extrem entspannt“, sagte Frankreichs Finanzminister Michel Sapin nach dem Treffen in Brüssel. Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos meinte trotz der Ausblutung seines Landes, es gäbe „Grund zum Optimismus“.

Die wichtigste Rolle in dieser Einheitsfront der herrschenden Klasse spielt die Koalition der Radikalen Linken (Syriza), die in Griechenland zusammen mit der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (ANEL) die Regierung stellt.

Seit dem Beginn der Kreditprogramme im Jahr 2010 hatte jede griechische Regierung versucht, das Spardiktat der EU etwas abzuschwächen oder zumindest seine Umsetzung zu verzögern. Jedes Mal wenn es um die Auszahlung der jeweils nächsten Tranche an Krediten ging und die Kürzungspolitik überprüft wurde, einigte sie sich erst kurz vor dem Staatsbankrott mit den Gläubigern. Das galt für die konservative Nea Dimokratia (ND) ebenso wie für die sozialdemokratische Pasok und sogar für das von der EU eingesetzte Technokraten-Kabinett unter Loukas Papadimos.

Nicht so bei Syriza. Die Partei peitschte in den letzten zwei Wochen sämtliche Gesetze durchs Parlament, die die EU im Rahmen der Kreditvereinbarung gefordert hatte. Darunter befinden sich Erhöhungen der Massensteuern, Rentenkürzungen und Privatisierungen, die allesamt die Ärmsten der Armen noch heftiger belasten werden. Schon jetzt lebt ein Drittel der griechischen Haushalte in Armut.

Am letzten Sonntag verabschiedete Syriza sogar einen sogenannten „Mechanismus der Haushaltsanpassungen“, der zu automatischen Budgetkürzungen führt, wenn die griechische Regierung die unrealistischen Haushaltsziele verfehlt, die ihr die EU gesetzt hat. Diese Maßnahme war nicht Teil der Vereinbarungen vom letzten Sommer, sondern wurde von den EU-Vertretern nachgeschoben. Obwohl Syriza das Gesetz selbst als Verstoß gegen die Verfassung wertet, setzte sie es anstandslos durch.

Wie keine Regierung vor ihr kann sich Syriza dabei auf die Loyalität ihrer Abgeordneten verlassen. Mussten der sozialdemokratische Premier Giorgos Papandreou und sein konservativer Nachfolger Andonis Samaras ihre Stühle noch räumen, weil sich von Abstimmung zu Abstimmung die Zahl der Dissidenten in den eigenen Fraktionen erhöhte, stimmten bei den letzten Abstimmungen jeweils nahezu sämtliche Regierungsabgeordnete für die brutalen Sparmaßnahmen.

Die einzige Abgeordnete, die am Sonntag erstmalig gegen Teile des Gesetzes gestimmt hat, Vassiliki Katrivanou, kündigte unmittelbar danach ihren Rücktritt als Parlamentarierin an, so dass sie durch einen linientreuen Syriza-Abgeordneten ersetzt wird. Die Regierung behält damit ihre 153 Sitze.

Die Regierung von Premier Alexis Tsipras hat auch deutlich gemacht, dass sie Proteste der Arbeiter gegen ihre unsoziale Politik notfalls mit Gewalt niederschlagen wird. Als Arbeiter vor zwei Wochen das Land mit einem Generalstreik lahmlegten und vor das Parlament zogen, um gegen die Sparpolitik zu protestieren, ließ die Regierung den Platz unter Einsatz von Tränengas und Blendgranaten räumen. Ähnlich rabiat geht Syriza gegen wehrlose Flüchtlinge vor.

Unter der Syriza-Regierung hat sich Griechenland zum Musterknaben des Kürzungsregimes der EU entwickelt. Jeroen Dijsselbloem hatte schon vor dem Treffen in Brüssel den Reformeifer Syrizas gelobt. „Ich denke, dass die griechische Regierung eine Menge Arbeit erledigt hat“, erklärte der Eurogruppenchef.

Syrizas Rechtsruck ist eine Reaktion auf die wachsenden Klassenkämpfe in Europa. Die Partei hatte sich von Anfang an das Ziel gesetzt, die EU und den europäischen Kapitalismus zu verteidigen. Sie lehnte die Mobilisierung der europäischen Arbeiterklasse gegen das Brüsseler Spardiktat schon immer ab.

Stattdessen hatte sie gehofft, innerhalb dieses Rahmens einige Zugeständnisse für ihre wohlhabende Klientel herauszuholen, die selbst extrem eng mit der EU verbandelt ist. Bereits im Wahlkampf hatte Tsipras den französischen Präsidenten François Hollande als sein Vorbild bezeichnet und gehofft, dass er dessen Differenzen mit Deutschland zum eigenen Vorteil nutzen könne.

Dies erwies sich bald als Illusion. Schon kurz nach ihrer Wahl im Januar 2015 verriet Syriza sämtliche Wahlkampfversprechen, dass sie die Sparpolitik beenden werde, und stellte die Weichen auf einen Kürzungs-Deal mit der EU. Trotz des überwältigenden Neins im Juli-Referendum setzte sie die Sparpolitik kompromisslos durch. Diese Politik soll jetzt auf ganz Europa ausgedehnt werden.

Dabei steht Tsipras nun tatsächlich an der Seite des französischen Präsidenten. In einer Situation, in der dieser mit heftigem Widerstand gegen seine reaktionäre Arbeitsmarktreform konfrontiert ist, gibt Syriza ihm Rückendeckung. Mit ihrer Politik des vorauseilendem Gehorsams wollte sie verhindern, dass sich die Kämpfe in Frankreich mit der Wut der griechischen Arbeiter verbinden. Ein Eklat auf dem Treffen der Eurogruppe sollte um jeden Preis vermieden werden.

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