Volkswagen: Gewinnrückgang und Konzernumbau

Der Betrug bei den Diesel-Emissionen sorgte bei Volkswagen auch im letzten Quartal für einen Gewinnrückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen auf einen Umbau des Konzerns zu Lasten der Beschäftigten auf Hochtouren.

Am meisten Gewinn büßte die Kernmarke VW ein. Der Umsatz sank von 26,3 Milliarden auf 25,1 Milliarden Euro, die Zahl der verkauften Autos fiel von knapp 1,12 Millionen auf 1,07 Millionen Fahrzeuge. Nach Verlusten im vorletzten Quartal gab es im ersten Quartal dieses Jahres zwar mit 73 Millionen Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern zumindest schwarze Zahlen. Doch im Vergleich zu den ersten drei Monaten des letzten Jahres brach der Gewinn um 86 Prozent ein.

Die Aktie fiel nach Bekanntgabe der Quartalszahlen zwischenzeitlich um vier Prozent. Die Kernmarke VW habe die Gewinnerwartungen verfehlt, zudem sei das wichtige China-Geschäft schwächer gewesen, kommentierte der Analyst Michael Punzet von der DZ Bank in einer ersten Stellungnahme.

Als Erklärung für die Gewinnrückgänge gab der Konzern vor allem die gestiegenen Vertriebskosten „im Wesentlichen aufgrund höherer Vermarktungskosten infolge der Abgasthematik“ an. Damit sind hohe Rabatte für Käufer gemeint, die aufgrund des Abgasbetrugs offensichtlich zögern, sich für einen Neuwagen der Marke VW zu entscheiden.

Auch der ansonsten für hohe Gewinne sorgende Tochterkonzern Audi erlitt Einbußen. Vor allem die Marken Porsche und Skoda sorgten dafür, dass der VW-Konzern mit seinen zwölf Marken im ersten Jahresquartal dennoch bei 51 Milliarden Euro Umsatz (minus 3,4 Prozent) einen Gewinn von 2,3 Milliarden Euro erzielte. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das aber immer noch ein Rückgang um rund 20 Prozent.

Die Zahlen, die VW-Konzernchef Matthias Müller am Dienstag auf der Pressekonferenz vorlegte, waren besser als viele erwartet hatten. Müller sagte daher: „Es ist uns auch im ersten Quartal gelungen, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Dieselthematik in Grenzen zu halten und unter schwierigen Bedingungen respektable Ergebnisse zu erwirtschaften.“ Er erwarte für das laufende Jahr einen Umsatzrückgang von maximal fünf Prozent für den Gesamtkonzern.

Was Müller stets euphemistisch mit „Dieselthematik“ umschreibt, ist der Skandal um die Abgaswerte, die VW über viele Jahre in betrügerischer Weise manipuliert hat. Dementsprechend drohen durch den Tod der Dieseltechnologie kurzfristig milliardenhohe Strafzahlungen und mittel- bis langfristig enorme Absatzeinbußen. VW hatte bereits im abgelaufenen Geschäftsjahr den größten Verlust seiner Geschichte verbucht, weil der Konzern Milliarden zurückstellen musste.

Staatliche Behörden, allen voran in den USA, drohen mit Milliarden-Strafen, Kunden in aller Welt fordern Schadensersatz. Aber vor allem die Aktionäre gehen aufgrund des Verfalls des Aktienkurses immer aggressiver gegen VW vor und fordern den Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen und Lohnsenkungen, um die Rendite und den Aktienwert zu erhöhen. Zuletzt hatte der Hedgefonds TCI gefordert, VW solle rasch 30.000 Arbeitsplätze abbauen.

Auch der Vorstand versucht im Einvernehmen mit Betriebsrat und IG Metall, die durch den Abgasbetrug hervorgerufene existenzielle Krise zu nutzen, um den Konzern gehörig umzubauen und die Arbeitsplätze, Löhne und Rechte der VW-Belegschaft anzugreifen.

Die zuletzt erzielte Einigung über den VW-Haustarif soll die Belegschaften ruhig halten. Die 120.000 Beschäftigten erhalten innerhalb von 20 Monaten eine zweistufige Lohnerhöhung von 2,8 und 2 Prozent.

Das Handelsblatt kommentierte, das verschaffe VW „eine dringend notwendige Atempause“. Sowohl die IG Metall als auch der Konzern könnten sich in der aktuell extrem schwierigen Situation keine Streiks erlauben. „Doch die wahren Probleme sind noch nicht gelöst.“ Klar sei, dass im Verwaltungsbereich jede zehnte der 30.000 Stellen abgebaut wird. „Doch die Verwaltung ist nur der Anfang“, so das Handelsblatt, „auch an anderer Stelle will und muss VW sparen.“

An welchen Stellen gespart wird, wird womöglich in zwei oder drei Wochen deutlicher. Dann will VW-Chef Müller die so genannte „Strategie 2025“ vorstellen, in der er die Ziele der kommenden neun Jahre benennen wird. So existieren bei VW offenbar Pläne, eine eigene gewaltige Batteriefabrik für bis zu zehn Milliarden Euro zu bauen. Das Handelsblatt berichtete unter Berufung auf Konzernkreise, man wolle sich durch die Batteriefabrik unabhängig von asiatischen Herstellern machen.

Ein möglicher Standort sei Salzgitter. Dort wird derzeit von rund 6.500 Arbeitern die Hälfte aller im Gesamtkonzern verbauten Motoren gefertigt, weit über eine Million. Das Werk ist genauso wie das Getriebewerk in Kassel-Baunatal stark gefährdet.

Anstelle der scheidenden Dieselaggregate sollen Elektroantriebe entwickelt werden. Bislang haben die zwölf Marken des gesamten Konzerns nur neun Elektro- bzw. Hybridmodelle im Angebot – eher als Alibi denn als wirkliche Alternative zu Verbrennungsmotoren. Aber allein in den kommenden vier Jahren sollen rund zwei Dutzend zusätzliche Elektro- und Hybridmodelle auf den Markt kommen. Nach den hochtrabenden Plänen des Vorstands soll VW schon 2018 Marktführer bei Elektroautos sein, 2025 wollen die Wolfsburger jährlich eine Million Elektroautos verkaufen.

Ähnliche Pläne betreffen das Carsharing. Immer mehr Menschen, vor allem in Städten, wollen Autos nicht mehr kaufen, sondern dann nutzen, wenn sie sie wirklich benötigen. Anders als Daimler und BMW hat VW bislang nicht viel darauf gegeben. Seinen ersten Geh-Versuch in diesem Bereich hat VW abgebrochen. Das hauseigene Carsharing-Programm Quicar, das VW in der nahe der Wolfsburger Konzernzentrale gelegenen Landeshauptstadt Hannover testete, wurde Anfang des Jahres eingestellt.

Vor wenigen Tagen stieg dann aber VW mit 300 Millionen Dollar (267 Millionen Euro) bei der israelischen Taxi-App Gett ein, um gemeinsam neue „Mobilitätsdienstleistungen“ zu entwickeln. VW will bis 2025 einen „substanziellen“ Teil seines Umsatzes mit solchen neuen Dienstleistungen erwirtschaften, schreibt das Manager Magazin.

Doch während es zwischen Vorstand, Betriebsrat und IG Metall eine ausgemachte Sache zu sein scheint, Arbeitsplätze abzubauen und Werke zu schließen, steht in Sachen Batteriefabrik noch alles in den Sternen. Das Manager Magazin berichtet unter Berufung auf Unternehmenskreise, dass noch nichts entschieden sei.

Eine Batteriefabrik in Deutschland ist vor allem von Betriebsräten – von VW, Daimler und BMW – ins Spiel gebracht worden, die mit dem Versprechen möglicher „alternativer Arbeitsplätze“ jeden Widerstand gegen den Abbau der bestehenden verhindern wollen. VW-Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh hatte schon vor Wochen erklärt, wenn die Arbeiter des Werks in Salzgitter nicht bald alternative Antriebe bauten, seien ihre Arbeitsplätze bedroht.

Der VW-Vorstand appelliert im Zuge des Konzernumbaus an die Beschäftigten, Geduld zu haben und sich hinter ihn zu stellen. In der aktuellen VW-Mitarbeiterzeitung wenden sich Konzernchef Müller und VW-Markenchef Herbert Diess direkt an die Verwaltungsbeschäftigten, die den Umbau als erste zu spüren bekommen.

Sie schreiben, die Trennung zwischen dem VW-Gesamtkonzern als Überbau und VW-Pkw als Kernmarke wirble vieles durcheinander. „Aufgaben und Schnittstellen wurden neu definiert, Teams haben sich neu formiert, Kollegen haben neue Aufgaben übernommen.“ Dies führe zu Reibungsverlusten. Dabei gebe es aber „kein Gegeneinander, sondern nur ein Miteinander. Gemeinsam bilden wir eine Solidargemeinschaft“.

Das nennt man Unverfrorenheit! Der Vorstand, der sich im schlechtesten Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte Gehälter in Höhe von über 63 Millionen Euro ausgezahlt hat, spricht von „Solidargemeinschaft“.

Als vor gut drei Wochen bekannt wurde, dass der ehemalige Daimler-Vorstand Andreas Renschler für seinen Wechsel zu VW eine Wechselprämie von 11,5 Millionen Euro erhielt, so dass er auf ein Jahreseinkommen von mehr als 14,9 Millionen Euro kommt, war noch gar nicht bekannt, dass der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende Bernd Pitschesrieder nach seiner Ablösung 2006 für weitere fünf Jahre einen Minijob bei VW ausübte, für den er insgesamt 50 Millionen Euro erhielt, wie die Bild am Sonntag am vergangenen Wochenende berichtete. Dafür sei er einmal monatlich für jeweils einen Tag per Firmenjet aus Bayern nach Wolfsburg eingeflogen worden. In den Geschäftsberichten sei das Gehalt nie aufgetaucht.

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