Perspektive

Die US-Wahlen von 2016 und die Krise der amerikanischen Demokratie

Die Wahlen von 2016 leiten eine neue Etappe in der tiefen und anhaltenden Krise der amerikanischen Demokratie ein. Politische Parteien, die seit mehr als anderthalb Jahrhunderten existierten, brechen auseinander. Neue politische Gruppierungen entstehen und eine extrem gefährliche Politikrichtung, die schon seit längerer Zeit in Vorbereitung war, tritt jetzt an die Öffentlichkeit.

Nach den Parteitagen der Demokraten und Republikaner sind Donald Trumps Umfragewerte deutlich gesunken, speziell in wichtigen umkämpften Staaten. Prominente Kreise in der Republikanischen Partei und mit ihnen verbündete Medien beschweren sich, dass Trump keinen üblichen Wahlkampf führt, mit dem er die Präsidentschaft erobern könnte. Forderungen, er solle seinen Kurs ändern, werden lauter.

Im Leitartikel des Wall Street Journal stand diese Woche, wenn die republikanische FührungMr. Trump nicht dazu bewegen kann, bis zum Tag der Arbeit (Labor Day, 1. Montag im September) sein Auftreten zu ändern, dann wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als ihren nominierten Kandidaten als aussichtslos abzuschreiben und sich darauf zu konzentrieren, den Senat und das Repräsentantenhaus zu gewinnen...“ Was Trump angeht, so erklärt das Journal, er müsse sich „entscheiden, ob er sich wie jemand benimmt, der Präsident werden will, oder die Nominierung an [den Kandidaten für die Vize-Präsidentschaft] Mike Pence übergeben“.

Besonders bemerkenswert ist, wie wenig Gedanken sich Trump über die Umfragewerte oder die zunehmenden Beschwerden aus der Führung der Partei zu machen scheint, deren Chef er nominell ist.

Er reagierte auf die Beschwerden des Journals und anderer, indem er seinen Stab neu organisierte, und zwar im genau entgegengesetzten Sinn dessen, was seine republikanischen Kritiker von ihm forderten. Er degradierte seinen gegenwärtigen Wahlkampfleiter, Paul Manafort, und ernannte den Nachrichtenchef von Breitbart, Stephen Bannon, zum Leiter des laufenden Tagesgeschäfts seiner Wahlkampagne. Mit der Berufung von Bannon, schrieb der Guardian, hat Trump „die letzten Überreste der politischen Überwachung abgeschüttelt ... indem er einen Außenseiter ernannt hat,... der wahrscheinlich seine exzentrische Art befürwortet“, Das ist der „Stinkefinger in Richtung des republikanischen Establishments“ lautete eine Überschrift in der Washington Post.

Viele wichtiger als Fragen des Stils sind die politischen Konsequenzen der Wahl von Bannon. Breitbart News gehört zur Rechtsaußen-Skandalpresse, dem Netzwerk von Blogs und Radioprogrammen, die eine extrem üble, nationalistische, militaristische und faschistische Politik verbreiten.

Ein Bericht, der am Mittwoch im Daily Beast veröffentlicht wurde, weist auf die Verbindungen von Breitbart zu weißen rassistischen Organisationen hin, wie VDare, dem National Policy Institute, Alt-Right und American Renaissance. Andrew Breitbart, der Breitbart gründete und bis zu seinem Tod im Jahr 2012 leitete, soll Bannon die „Leni Riefenstahl der Tea-Party-Bewegung“ genannt haben. Laut der Post hat Bannon Trump ermutigt, als „unerschrockener Nationalist“ zu kandidieren.

Banon hat kürzlich für Aufregung gesorgt, als er Trumps ehemaligen Wahlkampfmanager Corey Lewandowski gegen Anschuldigungen verteidigte, er habe einen von Breitbarts Reportern, Michelle Fields, tätlich angegriffen. Seitdem ist Breitbart zu so etwas wie einer Wahlkampagnen-Website für Trump geworden.

Trumps offensichtliches Desinteresse an den Meinungen prominenter republikanischer Funktionäre steht in Einklang mit der politischen Orientierung, die er im Verlauf seines Wahlkampfs entwickelt hat. Er geht davon aus, dass es eine Menge aufgestauter sozialer Wut und Frustration gibt, die auf der Grundlage vager Anprangerungen der „Elite“ in extrem rechte Kanäle gelenkt werden kann. Wie die World Socialist Web Site im März nach einer Reihe von Trumps Siegen in den Vorwahlen anmerkte: „Es war nur eine Frage der Zeit, bis der eine oder andere rechte Demagoge das politische Potential erkennen würde, das darin liegt, an die wirtschaftliche und soziale Unsicherheit von Millionen von Menschen zu appellieren.“

Ob Trump im November gewinnt oder nicht, er schafft die Grundlage für eine faschistische und nationalistische Bewegung, deren Schwerpunkt Angriffe auf Einwanderer, anti-islamische Hysterie, der Ruf nach „Recht und Ordnung“ und nach einem Ende aller Beschränkungen für die Polizei und das Militär ist. Diese Bewegung wird auch nach den Wahlen bestehen bleiben, mit Trump oder einem anderen Demagogen an der Spitze.

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Trump immer öfter den Vorwurf erhebt, die Wahlen würden zugunsten von Clinton und den Demokraten gefälscht. Das beinhaltet eindeutig, dass die Präsidentschaft von Clinton von Anfang an rechtswidrig wäre.

Letzten Endes spricht Trump für einen Teil der herrschenden Klasse, der sich der Krise seines wirtschaftlichen und politischen Systems und der wachsenden sozialen Opposition sehr bewusst ist und sich auf autoritärere und gewaltsamere Herrschaftsmethoden vorbereitet.

Trump ist eine ernste Gefahr für die Arbeiterklasse. Dass er unter bestimmten unterdrückten Schichten der Bevölkerung Gehör findet, ist allerdings vor allem der bankrotten und reaktionären Politik geschuldet, die in den Vereinigten Staaten als „links“ bezeichnet wird. Dass Trump Clinton „betrügerische Hillary“ nennt, seine Angriffe auf die Medien, seine Breitseiten gegen die „politische Korrektheit“ der liberalen Elite – all das nutzt die weitverbreitete Feindseligkeit gegenüber der Demokratischen Partei aus, die durch siebeneinhalb Jahre Obama-Regierung noch größer geworden ist.

In den letzten Monaten wurde die Charakterisierung Clintons als Kandidatin des politischen Status quo durch die World Socialist Web Site auf besonders dramatische Weise bestätigt. Sie hat jetzt die ausdrückliche oder stillschweigende Unterstützung von allen diesen Kreisen, angefangen bei neokonservativen Republikanern wie dem Irak-Kriegshetzer Robert Kagan, von Top-Geheimdienstlern wie den ehemaligen CIA-Chefs Michael Morell und Michael Hayden bis zur Obama-Regierung und dem gesamten Gewerkschaftsapparat sowie ihrem ehemaligen Herausforderer Bernie Sanders. Dieser Liste müssen noch die wichtigsten Hedge-Fonds-Milliardäre und der Großteil der Medien hinzugefügt werden.

Die Präsidentschaft von Clinton wäre ein Bündnis zwischen der Wall Street, dem Amerika der Konzerne, dem militärisch-geheimdienstlichen Apparat und der oberen Mittelschicht, die auf der Grundlage der Politik von Rassen-, Geschlechts- und Sexualidentität Anhänger der Demokratischen Partei sind. Der Schwerpunkt einer Clinton-Regierung wäre die umfassende Ausweitung der Militärinterventionen der USA, speziell im Nahen Osten und gegen Russland sowie die Verschärfung der anti-chinesischen Strategie des „Pivot to Asia“ der Obama-Regierung.

Die Demokraten und die Medien versuchen die Wahlen zu einem Mandat für den Krieg zu machen, vertuschen aber zugleich die Folgen für die Bevölkerung der USA und der Welt. Die Wahlkampagne von Clinton hat ihre Kritik an Trump nicht auf seine faschistische Politik konzentriert, sondern auf seine angeblichen Verbindungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin und seine Untauglichkeit für das Amt des US-Oberbefehlshabers aus politischen und psychologischen Gründen.

Die Wahlkampagne von Clinton drückt auf ihre Weise die Krise der bürgerlichen Demokratie aus, speziell in der bisher einmaligen Intervention von Spitzenvertretern der Geheimdienste und des Militärs. Das Programm, das sie vorbereitet, erfordert eine Verschärfung des Angriffs auf die Arbeiterklasse und einen weiteren Abbau der verfassungsmäßigen Herrschaftsformen über das hinaus, was Bush und Obama schon verwirklicht haben.

In den Wahlen von 2016 erreichen Prozesse, die sich schon seit einiger Zeit entwickelt haben, eine neuen Höhepunkt. Vor 16 Jahren kam George W. Bush an die Macht, weil der Oberste Gerichtshof die Fälschung des Wahlergebnisses abgesegnet hatte. Dem war ein Amtsenthebungsverfahren gegen Hillary Clintons Ehemann vorausgegangen, das auf einem fabrizierten Sexskandal beruhte.

Den Wahlen von 2000 folgte der Anschlag vom 11. September 2001. 9/11 wurde benutzt, um den „Krieg gegen den Terror“ zu rechtfertigen, was zu den Invasionen in Afghanistan und dem Irak, den Kriegen in Libyen und Syrien, einem neuen Krieg im Irak, dem „Patriot Act“, Inlandsspionage, Guantanamo Bay, CIA-Folterungen und Drohnenanschlägen geführt hat. Ein Vierteljahrhundert Krieg hat zu einem immensen Anwachsen der Macht und des Einflusses der Militär- und Geheimdienstagenturen geführt. Das reicht zurück bis zur Auflösung der Sowjetunion und der Verkündung einer „Neuen Weltordnung“ durch die erste Regierung Bush.

Der Grund für die Krise der demokratischen Herrschaftsformen ist der langjährige Niedergang des amerikanischen Kapitalismus, der von einem Prozess der Finanzialisierung und vom Aufstieg einer neuen Aristokratie begleitet wurde, die durch Parasitentum und Spekulation einen unvorstellbaren Reichtum angehäuft hat. Die soziale Ungleichheit hat eine Rekordmarke erreicht, und die große Mehrheit der Bevölkerung ist mit einer Mischung aus Arbeitslosigkeit, wirtschaftlicher Unsicherheit und Hungerlöhnen konfrontiert.

Der grundlegende Trend in der Stimmung der Bevölkerung geht nach links. Jüngste Umfragen bestätigen die unbestreitbare Tatsache, dass Millionen von Menschen das gesamte politische System, einschließlich Trump und Clinton, mit Hass und Verachtung betrachten. Die breite Unterstützung für die Wahlkampagne von Sanders während der Vorwahlen der Demokraten hat gezeigt, dass breite Schichten der Bevölkerung nach einem Weg suchen, um gegen die Herrschaft der Banken und Unternehmen über das wirtschaftliche und politische Leben zu kämpfen. Der Ausgang der Wahlkampagne von Sanders, den die WSWS vorhergesehen hat und vor dem sie gewarnt hat, hat dafür gesorgt, dass diese Stimmung keinen politischen Ausdruck mehr findet.

Was immer das Ergebnis der Wahlen im November sein wird, die Krise der amerikanischen Demokratie wird sich weiter verschärfen. Die größte Gefahr für die arbeitende Bevölkerung besteht darin, dass sie nicht politisch organisiert ist und sich nicht über die Aufgaben, die vor ihr stehen, bewusst ist. Der Präsidentschaftswahlkampf der Socialist Equality Party hat genau das zum Ziel: die unabhängige politische Organisation und das Bewusstsein der Arbeiterklasse zu entwickeln.

Die Gefahren, die vor den Arbeitern in den Vereinigten Staaten und internationale stehen, werden nicht durch taktische Manöver oder Wunschdenken bewältigt werden. Erforderlich ist ein kompromissloser politischer Kampf, der auf dem Verständnis beruht, dass die politische Krise eine Widerspiegelung der Krise des gesamten kapitalistischen Systems ist.

Die Kandidaten der SEP, Jerry White als Präsident und Niles Niemuth als Vizepräsident, schlagen ein sozialistisches internationalistisches Programm vor, dass die Interessen der Arbeiterklasse vertritt und sie auf die kommenden Kämpfe vorbereitet.

Die World Socialist Web Site erreicht jeden Tag Zehntausende von Lesern. Die Ereignisse haben die Richtigkeit der Perspektiven und des Programms der Socialist Equality Party bewiesen. Es ist jetzt an der Zeit, die notwendigen politischen Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir erklären allen unseren Lesern, die die Gefahren und die Notwendigkeit des Kampfs für den Sozialismus erkennen: Setzt eure Überzeugungen in Taten um.

Der Aufbau der Socialist Equality Party ist die dringlichste politische Aufgabe. Die Zeit ist gekommen, der SEP beizutreten und ihre Wahlkampagne zu unterstützen.

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