PSG-Wahlkampf: Empörung über Zivilschutzkonzept der Bundesregierung

Das neue Konzept der Bundesregierung für den Zivilschutz sorgt im Berliner Wahlkampf für Empörung. So treffen die Kandidaten und Wahlhelfer der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) an Jobcentern, Betrieben und öffentlichen Plätzen viele Berliner, die schockiert und wütend auf die offensichtliche Kriegsvorbereitung reagieren.

Am 24. August hat die Regierung eine so genannte „Konzeption für Zivile Verteidigung“ (KZV) beschlossen. Darin empfiehlt sie der Bevölkerung, sich durch Hamsterkäufe auf den Ernstfall vorzubereiten. Auch ein Krieg auf deutschem Boden wird dabei nicht ausgeschlossen.

Das Konzept wird von einigen als schlechter Scherz aufgefasst, aber die meisten Berliner sind besorgt. Das PSG-Wahlprogramm, das den Kampf gegen Krieg in den Mittelpunkt stellt, weckt bei ihnen wachsendes Interesse.

Großplakat der PSG an der Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain

„Ich habe als Achtjährige noch den zweiten Weltkrieg mitgemacht und im Keller gezittert, als die Bomben fielen“, sagt eine Achtzigjährige am Heinrich-Dathe-Platz. „Die Ankündigung der Regierung hat mich schaudern lassen. Haben wir nicht genug Kriege in Deutschland gehabt? Wir sollten uns alle zusammentun, um einen neuen Krieg zu verhindern.“

Schnell bildet sich eine ganze Diskussionsrunde um den Infotisch der PSG herum. Eine Rentnerin namens Ursula erzählt: „Als ich das hörte, dachte ich: Sind wir also wieder soweit. Die spielen doch wirklich in Gedanken schon Krieg.“ Ihr zweiter Gedanke, fährt sie fort, sei gewesen: „Wie sollen die ganzen Leute das denn machen? Ich zum Beispiel habe eine kleine Zweizimmer-Wohnung und keinen Balkon.“

Katherina, eine Frau mittleren Alters, wendet ein: „Am Radio haben sie es mit der Abwehr terroristischer Angriffe begründet.“ Darauf Ursula: „Aber Krieg ist auch Terror. Wie viele Menschen sind ihres Lebens nicht mehr sicher, wenn sie in einer Stadt in der Ostukraine wohnen, wo die Bomben fallen. Oder in Syrien oder dem Irak. Ist das etwa kein Terror?“

Simone, eine junge Frau, erklärt, sie sei absolut gegen Krieg. Wie sie berichtet, hat sie extrem wenig Geld. Vom Arbeitsamt wurde sie in einen Security-Job geschickt. Von der Vierten Internationale hat sie bisher noch nichts gehört, aber sie interessiert sich für alles, was dazu beitragen könnte, einen Krieg zu verhindern.

Frank arbeitet als Verkäufer. Er hört der Diskussion zu und wirft dann den Hinweis in die Runde: „Jetzt will man schon eine eigene Europa-Armee aufstellen, mit eigenen Panzern und Ausrüstung. Dafür werden zig Milliarden aufgewendet, aber für die Jugend haben sie kein Geld.“

Damit wendet sich die Diskussion den verantwortlichen Parteien zu. Frank sagt: „Ich habe ein paarmal die PDS gewählt, und später Die Linke. Aber dann, als sie dran waren – was haben sie da gemacht? Sie haben sich auch nur ihre Pöstchen gesichert und lassen es sich gutgehen. Was macht die Linke im Bundestag? Sie hat nichts erreicht; die CDU kriegen sie auf diese Weise niemals weg. Dafür müsste man schon die AfD wählen.“

„Um Gottes Willen“, sagt Katherina. „Alles würde ich eher wählen als die AfD – das sind doch die reinsten Nazis.“ Sie verteidigt die Linkspartei, muss aber dann zugeben: „Natürlich machen die Linken auch nur Sprüche. In der Phase Rot-Rot [als die Linke in Berlin mit der SPD von 2001–2011 den Senat stellte] haben sie die sozialen Rechte sehr beschnitten.“ Sie fügt entschuldigend hinzu, die Linke habe sich doch nach ihrem Koalitionspartner SPD richten müssen, und schließt: „Die Linkspartei ist nur gut, solange sie Opposition macht.“

Ursula, die Rentnerin, kommentiert: „Als sie dran waren, da haben mir die Reden von Lötzsch und Gysi zwar gefallen, aber gemacht hat Die Linke nichts anderes als alle andern. Am Schlimmsten fand ich die Mieterhöhungen.“

Peter Hartmann, PSG-Direktkandidat im Wahlkreis Mitte 6, Berlin

„Die Erfahrungen mit der Linkspartei zeigen, dass an der Partei nichts Fortschrittliches ist“, sagt der Kandidat der PSG, Peter Hartmann. „Sie ist ein Zusammenschluss der alten stalinistischen Bürokraten aus dem Osten und der Gewerkschaftsbürokraten aus dem Westen. In der Regierung wie in der Opposition besteht ihr Ziel darin, die Arbeiter zu unterdrücken und eine extrem rechte Politik durchzusetzen. In keinem Bundesland wurden so heftige Sozialkürzungen durchgesetzt wie in Berlin unter dem rot-roten Senat.“

Hartmann erklärt, dass sich an der rechten Politik der Linkspartei zeige, dass man nur auf der Grundlage eines internationalen und sozialistischen Programms gegen die Sozialkürzungen und gegen Krieg kämpfen könne. „Wer das nicht glaubt, soll nach Griechenland gucken, wo die Schwesterpartei der Linkspartei an der Regierung ist und das brutale Spardiktat der EU durchsetzt, während die horrenden Ausgaben für die Armee unangetastet bleiben.“ Mit dieser rechten Politik stärkten diese Parteien schließlich die Rattenfänger der extremen Rechten wie die AfD in Deutschland.

Ein andermal kommt eine junge Geschichtsstudentin auf das Team zu und sagt, die PSG-Wahlplakate seien ihr schon an der Freien Universität aufgefallen. Sie finde besonders den Aufruf ansprechend: „Solidarität mit Flüchtlingen – gemeinsam gegen Kapitalismus und Krieg“. Das bringe den Zusammenhang zwischen der Verteidigung der Flüchtlinge, der Kriegsfrage und dem Kapitalismus auf den Punkt.

Auch an der Charité in Berlin Mitte diskutieren Krankenschwestern und -pfleger in ihrer Mittagspause mit den PSG-Kandidaten über die Kriegsgefahr und die sozialen Angriffe. Die Charité ist mit fast 14.000 Beschäftigten nach der Deutschen Bahn der größte Arbeitgeber in Berlin und Umgebung. Vor einem Jahr haben die Charité-Beschäftigten für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen gestreikt, vor allem für eine Personalaufstockung. In diesem Juni trat ein Tarifvertrag in Kraft, der von der Gewerkschaft ver.di, der Linkspartei und insbesondere ihren pseudolinken Anhängern wie der SAV als „historisch“ gefeiert wurde.

Die Beschäftigten reagieren auf die Frage, welche Verbesserungen der letzte Streik gebracht habe, mit kaum verhohlenem Sarkasmus: „Der große Streik hat schon was gebracht. Es soll mehr Personal geben, man weiß nur nicht woher, und wir haben es auch noch nicht erlebt.“ Auch am letzten Tarifvertrag lassen sie kein gutes Haar. „Es wird auch nicht mehr Personal geben“, so eine Krankenschwester. „Es gibt ja nicht mehr Geld. Nur müssen die, die da sind, doppelt arbeiten.“

Auf das Zivilschutzkonzept angesprochen, meint ein Krankenpfleger: „Es gibt ganz viele Parallelen zu den Zwanzigerjahren, zur Weltwirtschaftskrise, und ich finde das erschreckend. Ich möchte mein Leben genießen, aber als ich jetzt gehört habe, dass die USA Assads Truppen bombardieren, ist es mir kalt über den Rücken gelaufen. Solche Ereignisse können ein Auslöser für die Ausweitung des Kriegs sein.“

Besonders über die Mobilisierung der Nato gegen Russland mache er sich Sorgen. In der darauffolgenden lebhaften Diskussion, wie man gegen diese Kriegsgefahr kämpfen könne, wird beinahe die Mittagspause überzogen.

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