US-Präsidentschaftskandidaten der SEP sprechen an der Humboldt-Universität Berlin

Am Freitag verfolgten dutzende Studierende und Arbeiter eine Live-Übertragung der US-Präsidentschaftskandidaten der Socialist Equality Party (SEP) an der Humboldt-Universität in Berlin. Jerry White und sein Vizepräsidentschaftskandidat Niles Niemuth waren per Videokonferenz zugeschaltet. Sie hielten mitreißende Reden und stellten sich den Fragen der Anwesenden.

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) hatten unter dem Titel „Weder Trump noch Clinton: Sozialisten bei den US-Wahlen“ zu der Veranstaltung geladen. Der Sprecher der IYSSE an der HU, Sven Wurm, erklärte zu Beginn die Bedeutung der US-Wahlen für Arbeiter und Jugendliche auf der ganzen Welt.

„Der amerikanische Imperialismus stellt eine enorme Bedrohung dar“, sagte Wurm. Die militärische Einkreisung Chinas und Russlands könnte sich rasch in einen umfassenden Krieg entwickeln, der die Zukunft der Menschheit bedroht. Die einzige soziale Kraft, die eine solche Katastrophe verhindern könne, sei die amerikanische und internationale Arbeiterklasse.

Jerry White und Niles Niemuth sprechen zur Veranstaltung der IYSSE

White ging in seiner Rede zunächst auf die tiefe Krise der amerikanischen Gesellschaft ein. „Während das politische Establishment nach rechts geht, bewegt sich die Bevölkerung nach links“, sagte er. „In den US-Wahlen zeigt sich der Verfall der amerikanischen Demokratie, der jahrzehntelang durch den wirtschaftlichen Niedergang und den Aufstieg einer kriminellen Finanzaristokratie befeuert wurde.“

Beide Kandidaten gehörten zu den unbeliebtesten Gestalten der amerikanischen Politik, so White. Der republikanische Kandidat Donald Trump trage faschistoide Züge und nutze die Wut in der Bevölkerung für eine rechte Agenda. „Man muss einem deutschen Publikum nicht die Bedeutung des Aufstiegs einer solchen politischen Gestalt erklären, die sich auf ein extrem nationalistisches und fremdenfeindliches Programm stützt und in wachsendem Maß Gewalt und rückständige Stimmungen schürt.“

Doch Hillary Clinton und die Demokraten stellten keine Alternative dar. Ihre rechte Politik habe Trumps Aufstieg überhaupt erst ermöglicht. „Hillary Clinton, ist die Personifizierung der korrupten Verbindung zwischen dem politischen Establishment, dem Militär- und Geheimdienstapparat sowie der Wall Street.“ Das Ziel ihrer Kampagne sei es, ein Mandat für eine extrem rechte und militaristische Politik zu erhalten. Deshalb kritisierten die Demokraten Trump ausschließlich von rechts und forderten eine aggressive Militärpolitik gegen Russland und China.

Mit Blick auf die Verfechter der Identitätspolitik fügte White hinzu: „Allerdings macht es für die Weltbevölkerung nicht den geringsten Unterschied, ob ein Nuklearkrieg von einem Mann oder einer Frau begonnen wird.“

Jerry White spricht an der HU

Die einzige Kraft, die den Wahnsinn stoppen könne, sei die amerikanische und auch die deutsche Arbeiterklasse. „Wir wollen die Arbeiterklasse in unserem Wahlkampf ausbilden und erklären, was wirklicher Sozialismus ist. So bereiten wir sie auf die gewaltigen Kämpfe vor, die vor ihr liegen – gegen Krieg, Ungleichheit und Diktatur.

Niemuth sprach in seiner Rede direkt das junge Publikum an der Humboldt-Universität an. „Ich kandidiere als Vertreter einer Generation von Millionen jungen Menschen in den USA und auf der ganzen Welt, deren politisches Bewusstsein von der Wirtschaftskrise 2008 und ihren Nachwirkungen geprägt wurde. Allgemeiner gesprochen wurden wir von den Auswirkungen der Auflösung der Sowjetunion vor 25 Jahren und dem darauf folgenden Ausbruch des amerikanischen Imperialismus rund um den Globus geprägt.“

Die Frage des Sozialismus komme in seiner Generation ganz objektiv wieder auf, so Niemuth. Das habe sich in der Kampagne von Bernie Sanders ausgedrückt, der sich selbst als demokratischer Sozialist bezeichnete. Allerdings habe Sanders Programm mit Sozialismus nichts zu tun gehabt. Niemuth belegte das insbesondere mit Sanders Nationalismus und seiner Unterstützung für den amerikanischen Imperialismus und dessen zahllose Kriege. Diverse kleinbürgerliche und pseudolinke Gruppen hätten Sanders dabei unterstützt, dieses rechte Programm als sozialistisch zu verkaufen. Die SEP trete demgegenüber zu den Wahlen an, um für politische Klarheit zu kämpfen.

„Da wir die aufkeimende anti-kapitalistische Stimmungen erkannt haben, die der Unterstützung für Sanders zugrunde liegt, haben wir als SEP die Pflicht, eine wirklich sozialistische Orientierung zu geben und den Kampf für den Aufbau einer revolutionären Führung aufzunehmen“, erklärte Niemuth. „Wir müssen Arbeiter und Jugendliche befähigen, zwischen wirklichem Sozialismus und Täuschungen zu unterscheiden. Ohne das bewusste Eingreifen unserer Bewegung, der trotzkistischen Bewegung, werden die oppositionellen Stimmungen wieder zurück in die Sackgasse der Demokratischen Partei und des kapitalistischen Systems gelenkt.“

Den Beiträgen folgte eine lebhafte Diskussion, die noch lange nach der Veranstaltung am Büchertisch und in den Gängen fortgesetzt wurde. Ein Student führte an, dass der Neoliberalismus das Ziel hatte, das Klassenbewusstsein der Arbeiter zu zerstören. Viele sähen sich gar nicht mehr als Arbeiter. Er fragte, welche Strategien die SEP habe, das Klassenbewusstsein wiederzubeleben.

Niles Niemuth und Jerry White während der Video-Übertragung

White erklärte, dass die SEP nicht vom unmittelbaren Bewusstsein ausgehe, das Arbeiter heute haben mögen, sondern von ihrer objektiven Lage. Arbeiter würden heute auf der ganzen Welt in Kämpfe getrieben, weil ihre Lebensbedingungen zerstört und die Kriegspolitik verschärft würden. Wie Marx und Engels erklärt hätten, sei die Geschichte der Menschheit die Geschichte von Klassenkämpfen, die in den USA oft sehr scharfe Formen angenommen hätten und wichtige Lehren beinhalteten.

Die Herrschenden hätten immer versucht, diese Kämpfe zu unterdrücken und die Arbeiter entlang ethnischer, kultureller oder sprachlicher Linien zu spalten. Sozialisten hätten dagegen die Einheit der Kämpfe der Arbeiter gegen die Kapitalisten hergestellt.

Der Stalinismus habe der Arbeiterbewegung schwere Niederlagen beigebracht, und zahllose kleinbürgerliche Theoretiker hätten sie als revolutionäre Kraft abgeschrieben. Hinzu käme die zerstörerische Rolle der Gewerkschaften, die sich seit den 80er Jahren in Co-Manager verwandelt hätten und die Arbeiter unterdrückten.

Die zentrale Frage sei deshalb der Aufbau einer revolutionären Führung, um die Arbeiterklasse in eine unabhängige politische Kraft zu verwandeln. Denn die Arbeiterklasse sei die einzige soziale Kraft, die ein objektives Interesse daran habe, den Kapitalismus und das irrationale Nationalstaatensystem zu überwinden. Dazu müssten aber die Lehren aus der Geschichte gezogen werden.

Niemuth ging noch einmal genauer auf die Erfahrungen der amerikanischen Arbeiter mit den Gewerkschaften ein. Diese stünden auf der Seite der Unternehmen und setzten die Angriffe auf die Arbeiter durch. Arbeiter müssten sich deshalb unabhängig von diesen bürokratischen Apparaten organisieren.

White sprach die Rolle an, die Identitätspolitik dabei spielt, Arbeiter zu spalten und die Interessen einer gehobenen Mittelschicht durchzusetzen. Die Forderung nach mehr Frauen oder Schwarzen in Spitzenpositionen habe nichts mit dem Kampf gegen Ungleichheit und Krieg zu tun. Dabei gehe es nur um die Frage, wie der Reichtum in den oberen zehn Prozent verteilt werde. „Amerika ist nicht in schwarz und weiß gespalten, sondern in Klassen“, erklärte White. „Wir kämpfen für die Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse.“

Eine Studentin aus Ägypten fragte, wie die Arbeiterklasse im Nahen Osten unterstützt werden könne und wie die SEP zum „Krieg gegen den Terror“ und zur Zusammenarbeit der US-Regierung mit Diktatoren stehe.

White erklärte, dass die SEP den angeblichen „Krieg gegen den Terror“ der US-Regierung entschieden ablehne. Dieser basiere auf Lügen und habe mit den Kriegen im Nahen Osten ganze Gesellschaften zerstört. Tatsächlich gehe es darum, die Ölquellen der Region unter Kontrolle zu bringen und die Vormachtstellung der USA auf der eurasischen Landmasse zu verteidigen.

In der ägyptischen Revolution habe sich die enorme Kraft der Arbeiterklasse gezeigt, die das US-gestützte Regime stürzte. Doch die Revolution habe grundlegende Fragen der revolutionären Führung aufgeworfen. Der einzige Weg vorwärts wäre eine internationale Vereinigung der Arbeiterklasse gewesen, die sich auch in Tunesien, Griechenland und Israel in Bewegung gesetzt hatte.

Doch pseudolinke Organisationen wie die Revolutionary Socialists hätten alles daran gesetzt, die Arbeiter der einen oder anderen Fraktion der Bourgeoisie unterzuordnen. Sie hätten zunächst die Muslimbruderschaft und dann den Militärputsch unterstützt. Die gleichen Kräfte kritisieren jetzt Obama, weil er nicht aggressiv genug in Syrien interveniere.

Sven Wurm

„Die deutsche und die amerikanische Arbeiterklasse sind mit den gleichen Kämpfen gegen die gleichen transnationalen Konzerne konfrontiert und vor allem mit der Gefahr, dass sich die schrecklichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts wiederholen, nur diesmal mit Atomwaffen“, erklärte White in seinem Schlussstatement. „Aber die Kriegsdynamik ist ein Ausdruck der tiefen Krise des amerikanischen Kapitalismus und des kapitalistischen Systems auf der ganzen Welt. Die Krise des Nationalstaatensystems und die globale Wirtschaftskrise führen auch zu ihrem Gegenteil: zum Auftauchen der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt.“ Die SEP und ihre internationalen Schwesterorganisationen kämpften für eine revolutionäre Führung auf der Grundlage der Lehren aus der Geschichte.

Das Publikum reagierte begeistert auf die Beiträge und die Diskussion. Sven Wurm erklärte abschließend, dass die Fragen, die auf der Veranstaltung diskutiert wurden, auch bei den Wahlen in Berlin die zentrale Rolle spielen. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus tritt die Schwesterpartei der SEP, die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) an, um eine internationale Bewegung gegen den Krieg aufzubauen.

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