Neofaschistin Marine Le Pen verkündet Kandidatur für Präsidentschaftswahlen

Am 17. und 18. September hielt der französische neofaschistische Front National (FN) in der Mittelmeerstadt Fréjus seinen jährlichen Parteitag ab und ernannte dort seine Vorsitzende Marine Le Pen zur Präsidentschaftskandidatin für 2017. Vor ihrer Eröffnungsansprache wurde sie von tausenden Anhängern begrüßt, die französische Fahnen schwenkten und „Wir sind in unserem Land“ skandierten. Le Pen sagte, sie werde die „Kandidatin des Volkes“ sein. Sie appellierte an Populismus und Nationalismus und machte Stimmung gegen die Europäische Union (EU).

Le Pen erklärte, sie beginne jetzt erst einmal einen Vorwahlkampf, da ihr „Präsidentschaftswahlkampf genau genommen erst Mitte Februar mit einem Parteikonvent zur Präsidentschaftswahl“ beginne erst richtig losgehe, „wenn wir alle Kandidaten kennen, die antreten.“ Bis dahin, sagte sie, werde ihr Team alle notwendigen Voraussetzungen schaffen, um ihre Wahlkampagne sieben Monate vor Beginn der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen im April 2017 zu starten. „Ich bin äußerst gelassen und warte ungeduldig auf den Start,“ sagte sie.

Den aktuellen Umfragen zufolge würde sich Le Pen für die im Mai stattfindende Endrunde des Präsidentschaftswahlkampfs qualifizieren. Dort würde sie allerdings unterliegen, es sei denn sie trifft auf den zutiefst unpopulären amtierenden Präsidenten François Hollande von der Sozialistischen Partei (PS). Bei den jüngsten Wahlen errang der FN bedeutende Zugewinne. Er erhielt Sitze sowohl in der Nationalversammlung als auch im Senat sowie hunderte Posten als Bürgermeister und Ratsmitglieder auf regionaler Ebene. Unter Hollande weitete der FN seine Wählerbasis zudem in neue Berufsfelder aus, darunter Schulen, Krankenhäuser und vor allem unter breiten Schichten der Polizei.

Le Pens Rede war gespickt mit chauvinistischen Ausfällen gegen Einwanderung und Multikulturalismus. Sie sagte: „Ohne Identität wird es kein Frankreich mehr geben, und es wird keine Identität ohne Souveränität geben.“ Sie klagte darüber, dass Frankreich nicht mehr „in den Händen der Franzosen“ sei und kritisierte, dass Frankreich Befehle aus „Berlin, Brüssel und Washington“ erhalte.

In außenpolitischen Fragen konzentrierte Le Pen sich darauf, den Euro anzugreifen, der von neunzehn europäischen Ländern gemeinsam als Währung genutzt wird, sowie die EU, die dem ganzen Kontinent Sparmaßnahmen verordnet hat, mit denen der Lebensstandard dezimiert und zig Millionen Arbeitsplätze vernichtet wurden.

Sie pries die britische Entscheidung beim Referendum im Juni, die EU zu verlassen und wiederholte ihre Ankündigung, in Frankreich einen Volksentscheid über einen Austritt aus der EU und die Rückkehr zur französischen Währung, dem Francs, durchzuführen, falls sie im nächsten Jahr zur Präsidentin gewählt werde. „Wir wollen ein freies Frankreich, das Herr über seine Gesetze und seine Währung und Wächter über seine Grenzen ist“, so Le Pen.

Der Aufstieg des FN zum ernstzunehmenden Bewerber um die Macht hat nichts damit zu tun, der Bevölkerung mehr Wohlstand und Freiheit zu verschaffen. Er ist Bestandteil der Offensive der französischen herrschenden Klasse, ihre Interessen in Frankreich und international gewaltsam durchzusetzen. Im Innern ist diese Offensive vor allem gegen die Arbeiterklasse gerichtet.

Das vergangene Jahrzehnt, das von einer weltweiten Wirtschaftskrise geprägt war, in dem die EU Sparmaßnahmen durchsetzte und in dem imperialistische Kriege in Afrika und dem Nahen Osten vom Zaun gebrochen wurden, hat den europäischen Kapitalismus bis auf die Grundfesten erschüttert. Mit dem Brexit hat die EU ihre Auflösung eingeleitet. Ebenso wie die EU sind auch die beiden traditionellen Regierungsparteien Frankreichs, die PS und die rechten Republikaner (Les Républicains - LR), zutiefst diskreditiert. Unter solchen Bedingungen sucht die Bourgeoisie nach neuen Fundamenten für ihre Herrschaft.

Mächtige Fraktionen der herrschenden Klasse sind übereingekommen, dass der FN der einzige Weg aus einer hoffnungslosen Situation ist. Bei einer Aufgabe des Euro und der Einführung einer abgewerteten französischen Nationalwährung würden Arbeiter in Armut gestürzt und die Arbeitskosten gesenkt werden. Unter solchen Voraussetzungen könnte die herrschende Klasse ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen und eine insbesondere gegen Deutschland gerichtete Handelskriegspolitik betreiben.

Im Inneren könnte der FN die Umwandlung Frankreichs in einen Polizeistaat vollenden, die dank der permanenten Verlängerung des Ausnahmezustands durch die PS bereits weit fortgeschritten ist. Der FN würde außerdem die antimuslimischen und immigrantenfeindlichen Maßnahmen der PS beschleunigen, mit denen die Arbeiterklasse gespalten werden soll. Er würde eine noch militaristischere Atmosphäre schaffen, um die Stellung des französischen Imperialismus im Rahmen der Kriegsoffensive aller imperialistischen Mähte zu stärken.

Der FN und Marine Le Pen sind unter der Mehrheit der französischen Bevölkerung weiterhin unpopulär. Dies geht vor allem auf die Rolle des FN-Gründers Jean-Marie Le Pen, des Vaters von Marine, zurück. Er rechtfertigt das französische Vichy-Regime, das während des Zweiten Weltkriegs mit Nazi-Deutschland kollaborierte. Außerdem war er der Anführer einer paramilitärischen Einheit, die während des französisch-algerischen Krieges 1954-1962 Unabhängigkeitskämpfer gefoltert hat.

Der entscheidende Faktor für den Ausgang der Wahlen wird aber nicht die Meinung der arbeitenden Menschen sein, sondern die Interessen der herrschenden Klasse unter Bedingungen einer sich verschärfenden internationalen Krise. Es wäre ein Fehler, Le Pens Chancen abzuschreiben. Es gibt eine massive soziale Wut, die jedoch keinen politischen Massenausdruck findet. Was vorherrscht, ist eine tiefe Desillusionierung über die reaktionäre Politik der sogenannten „linken“ Parteien wie der PS.

Da das gesamte Spektrum bürgerlicher Politik weit nach rechts schwenkt, erscheint der FN nicht mehr sehr verschieden von der PS oder den Republikanern. Sein immigrantenfeindlicher Chauvinismus, seine Law-and-Order-Hysterie, seine wirtschaftsfreundliche Politik und sein Militarismus sind im Mainstream der französischen bürgerlichen Politik breit vertreten. Aber von den großen Parteien appelliert nur der FN demagogisch an die soziale Not der breiten Massen der Bevölkerung. Auf dieser Grundlage findet der FN paradoxerweise selbst unter Schichten von Einwanderern Unterstützung.

Sollte es in einer sich zuspitzenden Kriegssituation erforderlich sein, würden die französischen Medien und die herrschenden Eliten sich bei den Wahlen dem FN zuwenden. Eine FN-Regierung würde rasch mit massiver Opposition in der Arbeiterklasse konfrontiert sein und der FN weiß genau, dass er sich dann auf die Unterstützung breiter Schichten reaktionärer sozialdemokratischer und pseudolinker Kräfte verlassen könnte.

Nach der Konferenz von Fréjus erläuterte Le Pen, wie sie an die Macht gelangen könnte. Am Dienstag sagte sie Radio RTL: „Wir werden gewinnen, weil die Entscheidungen, die wir getroffen haben, den Interessen der Mehrheit des Landes entsprechen.“

Sie sagte, sie würde eine Regierung „aus Menschen vom Front National zusammenstellen, aber ebenso aus Menschen, die mit uns auf Grundlage der Verteidigung von Nation und Vaterland zusammenarbeiten […]. Ich glaube, es gibt Patrioten auf der Rechten und auf der Linken. Unser Ziel ist es, Menschen zusammenzubringen.“

Le Pens Strategie beruht vor allem auf dem reaktionären Charakter der PS und seiner pseudolinken Anhängsel. Zweifellos hat Le Pen aufmerksam verfolgt, wie zahlreich im Jahr 2007 PS-Vertreter in die rechte Regierung von Nicolas Sarkozy eingetreten sind. Seitdem sie im Jahr 2011 die Führung des FN übernommen hat, arbeitet sie daran, ihn zu normalisieren oder zu „entdämonisieren“. Unterstützung erhält sie dabei von den Medien und den korrupten Kräften, die sich seit Jahrzehnten als französische „Linke“ gerieren.

Die Politik der PS hat eine Schlüsselrolle dabei gespielt, den FN zu normalisieren, da die Sozialisten eine politische Basis für Krieg und Sparmaßnahmen suchten. Nach den Terrorangriffen auf Charlie Hebdo und vom 13. November letzten Jahres lud Hollande Marine Le Pen wiederholt in den Präsidentenpalast ein, um die „nationale Einheit“ herzustellen.

Gleichzeitig erklärte die PS-Regierung den Ausnahmezustand, der auf Gesetze aus der Zeit des Algerienkriegs zurückgeht und demokratische Grundrechte außer Kraft setzt. Dazu versuchte sie, faschistische Rechtsprinzipien zu rehabilitieren und unterstützte die Aufnahme des Prinzips der Aberkennung der Staatsbürgerschaft in die Verfassung. Diese Maßnahme wurde vom Vichy-Regime gegen Führer der Resistance und besonders gegen Tausende französische Juden angewandt, welche die Vichy-Politiker in Nazi-Todeslager in ganz Europa deportierten.

Pseudolinke Kräfte, wie die kleinbürgerliche Linksfront von Jean-Luc Mélenchon tragen ebenfalls entscheidende Verantwortung für den Aufstieg des FN. Insbesondere Mélenchon spielte eine zentrale Rolle dabei, den FN zu entdämonisieren. Er trat wiederholt öffentlich mit Le Pen auf und nahm seit 2011 mehrfach an Debatten mit ihr teil.

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