Perspektive

Amerikanischer „Pivot to Asia“ in der Krise

Kurz vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen droht der sogenannte „Pivot to Asia“, die Orientierung der US-Regierung auf Asien, offenbar zu scheitern. Zahlreiche Kommentare in den amerikanischen und internationalen Medien weisen auf die Krise des „Pivot“ hin, der dazu dienen sollte, China einzukesseln und zu unterwerfen.

Die Regierung wird sich jedoch nicht aus der Region zurückziehen. Sie wird ihre diplomatischen Intrigen noch ausweiten und ihre provokante militärische Aufrüstung im asiatisch-pazifischen Raum weiter verschärfen.

Ein schwerer Schlag für die amerikanische Asien-Strategie ist zweifellos die überraschende Annäherung des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte an China. Bei seinem Staatsbesuch vergangene Woche in Peking kündigte Duterte an, er strebe eine „Trennung“ von den USA und eine neue engere Zusammenarbeit der Philippinen mit China an. Gideon Rachman, Außenpolitik-Kolumnist der Financial Times, bezeichnete diese Entwicklung als „bedeutende strategische Kehrtwende“.

Seit seinem Amtsantritt im Juni hatte Duterte den US-Präsidenten Obama als „Hurensohn“ beschimpft und gefordert, dass die US-Spezialeinheiten von der südphilippinischen Insel Mindanao abgezogen würden. Er kündigte das Ende der gemeinsamen amerikanisch-philippinischen Militärübungen im Südchinesischen Meer an und brachte die Neuverhandlung des Stationierungsabkommens mit den USA ins Gespräch. Seine Entscheidung, das Urteil des Ständigen Schiedshofs in Den Haag zugunsten Manilas und gegen Pekings Gebietsansprüche zu missachten, behindert die Pläne der USA, dieses Urteil gegen Chinas Stellung im Südchinesischen Meer auszunutzen.

Wie Rachman erläuterte, sind die USA noch mit weiteren Rückschlägen konfrontiert. Der bisherige Verbündete Thailand nähert sich China an, um U-Boote zu kaufen, und auch der malaysische Premierminister Najib Razak geht auf Peking zu, um die im Westen gegen ihn verbreiteten Korruptionsvorwürfe abzuwehren.

Der Außenpolitikredakteur von Rupert Murdochs Zeitung The Australian schrieb am Dienstag: „Dutertes dramatischer Kurswechsel auf China ist der schwerste Rückschlag für die Stellung der USA in Südostasien seit dem Fall von Saigon.“ Er erklärte, der Kurswechsel habe das amerikanische Bündnissystem in Asien stark geschwächt, und bezeichnete Obamas Außenpolitik als „nahezu vollständigen Misserfolg“. Sie habe es China, Russland und dem Iran erlaubt, ihre Einflusssphären in „gefährlichem Ausmaß“ auszudehnen.

Obamas „Pivot to Asia“ ist eine umfassende diplomatische, wirtschaftliche und militärische Strategie mit dem Ziel, die Vorherrschaft der USA in Asien sicherzustellen. Doch die Verbündeten und Partner der USA in der Region stellen die amerikanische Orientierung auf Asien immer stärker infrage. Ein schwerwiegender Grund dafür ist die Tatsache, dass die Verwirklichung ihrer wichtigsten wirtschaftlichen Initiative, der Transpazifischen Partnerschaft (TPP), unsicher geworden ist, weil beide Präsidentschaftsanwärter, sowohl Hillary Clinton als auch Donald Trump, und andere Abgeordnete der Republikaner und der Demokraten sie ablehnen.

US-Verteidigungsminister Ashton Carter betonte letztes Jahr die zentrale Bedeutung der TPP für den „Pivot to Asia“. Er zog eine Verbindung zwischen dem Wirtschaftspakt und den Kriegsplänen des Pentagon und erklärte, der Wirtschaftspakt sei „für mich so wichtig wie ein weiterer Flugzeugträger“. Im August drängte der Premierminister von Singapur, Lee Hsien Loong, die USA zu einem weiteren Engagement in Asien und warnte, die Ratifizierung der TPP sei „ein Test für unsere Glaubwürdigkeit und die Ernsthaftigkeit unseres Anliegens“.

Die Bedenken der herrschenden Kreise in der asiatisch-pazifischen Region werden durch wachsende Anzeichen einer tiefen politischen Krise in den USA noch verstärkt. Ein Beispiel ist das geschmacklose und entwürdigende Schauspiel der amerikanischen Präsidentschaftswahl. Die Außenpolitik der kommenden Regierung ist vollkommen unklar. Hillary Clinton befürwortet eine stärker militaristische Strategie gegen China; sie war als Außenministerin die leitende Architektin des „Pivot to Asia“. WikiLeaks hat mehrere frühere Reden von ihr vor der Wall Street veröffentlicht, und in einer aus dem Jahr 2013 erklärte sie: „Wir werden China mit Raketenabwehrsystemen umkreisen. Wir werden noch größere Teile unserer Marine in das Gebiet verlegen.“

Trumps Haltung gegenüber Asien ist weniger klar, doch sein Wahlversprechen, Amerika „wieder groß zu machen“, deutet darauf hin, dass er eine noch aggressivere Haltung gegenüber China einnehmen würde. Er würde außerdem von den amerikanischen Verbündeten Japan und Südkorea verlangen, sich stärker zu engagieren.

Angesichts der Unsicherheit der amerikanischen Wahl, der scharfen geopolitischen Spannungen und der schlechten Aussichten der Weltwirtschaft, gehen führende Politiker des asiatisch-pazifischen Raums lieber auf Nummer Sicher. Japan und Australien, die beiden wichtigsten Säulen des „Pivot to Asia“, verfolgen beide eine Politik, die jener der USA zuwider läuft.

Der japanische Premierminister Shinzo Abe hat vor kurzem angekündigt, er wolle den seit dem Zweiten Weltkrieg schwelenden Streit mit Russland um die Kurilen beilegen. Damit knüpft er Beziehungen zu einem in den Augen der US-Regierung „geächteten Staat“ an. Und die australische Regierung weigert sich trotz heftigem Druck der USA, eine Operation „Freiheit der Seefahrt“ durchzuführen, um Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer anzufechten. In der herrschenden Elite Australiens herrscht Uneinigkeit über die Risiken, die sich aus einer Konfrontation mit dem größten Handelspartner des Landes ergeben könnten.

Der Grund für die Krise der US-Außenpolitik in Asien liegt im Wesentlichen in ihren wahnsinnigen Ansprüchen: Die Regierung hat sich das unerreichbare Ziel gesetzt, eine globale Hegemonialstellung einzunehmen. Die Krise um die TPP hat gezeigt, dass der US-Imperialismus der Welt sein Diktat nicht mit wirtschaftlichen Mitteln aufzwingen kann. Daher greift er auf vollkommen abenteuerliche Militärprovokationen und Interventionen zurück, die die Welt in einen Konflikt zwischen den Atommächten ziehen könnten.

Noch während Dutertes Aufenthalt in China letzte Woche schickte die US Navy einen Lenkraketenzerstörer zu ihrer vierten Operation zur „Sicherung der Freiheit der Seefahrt“ in chinesische Hoheitsgewässer und stellte provokante Gebietsansprüche auf das Seegebiet um die Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer. Diese Mission zeigt nicht nur Washingtons Bereitschaft, einen Zusammenstoß mit der chinesischen Marine zu riskieren, sondern bedeutet auch, dass die dritte Flotte der US Navy das Militäraufgebot im Westpazifik gegen China noch vergrößert. Diese Flotte besteht aus hundert Kriegsschiffen und vier Flugzeugträgern.

Diese Reaktion zeigt die gefährliche Kriegsentwicklung: Je mehr die amerikanische Regierung bei ihren globalen Ambitionen auf Widerstand und Hindernisse trifft, desto leichtsinniger und kriegerischer geht sie vor. Im amerikanischen Wahlkampf warnen nur die Socialist Equality Party und ihr Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidat, Jerry White und Niles Niemuth, vor der Kriegsgefahr. Die SEP und ihre Jugendorganisation, die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), veranstalten am 5. November in Detroit eine Konferenz mit dem Titel Socialism vs Capitalism & War. Sie werden dort über den Aufbau einer internationalen Anti-Kriegs-Bewegung diskutieren, die sich auf die Arbeiterklasse und auf den Kampf für Sozialismus stützt. Jeder, der den imperialistischen Krieg ablehnt und dagegen kämpfen will, sollte daran teilnehmen.

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