Pilotenstreik bei Lufthansa

Für den heutigen Mittwoch hat die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) die Lufthansa-Piloten zu einem 24-stündigen Streik aufgerufen. Am Dienstag legten schon die Eurowings-Flugbegleiter die Arbeit nieder.

Der Pilotenstreik richtet sich gegen die Lang- und Kurzstreckenflüge des Lufthansa-Konzerns, die aus Deutschland starten, und führt zur Annullierung von 876 Flügen, davon 51 Interkontinentalverbindungen. Eine Klage des Konzerns gegen den Streik lehnte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main am Dienstagabend ab.

In dem Streik geht es vordergründig um die Gehälter von 5400 Lufthansa-Piloten. Der letzte Vergütungstarifvertrag ist schon seit dem ersten Mai 2012 abgelaufen, also seit viereinhalb Jahren. Vereinigung Cockpit fordert deshalb insgesamt 22 Prozent Gehaltserhöhung für im Ganzen sechs Jahre, was jährlich 3,66 Prozent ausmacht.

Der Lufthansa-Konzern bietet dagegen eine Nullrunde für die ersten vier Jahre und insgesamt 2,5 Prozent für die Zeit von 2016 bis Ende 2018. Dieses Angebot stellt für die Piloten eine echte Lohnsenkung dar und kommt einer Provokation gleich.

Der Gehaltskonflikt ist nur die Spitze des Eisbergs. Im globalen Luftverkehr herrscht ein scharfer Wettbewerb, und Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr ist entschlossen, die Profite gegen die wachsende Konkurrenz, speziell von Billig-Airlines wie Ryanair, zu verteidigen. Deshalb greift der Konzern seit Jahren Entgelte, Renten und Übergangsbedingungen der Lufthansa-Piloten an, um sie drastisch nach unten zu drücken und jahrzehntelange Errungenschaften abzuschaffen.

Einen Übergangsversorgungs-Tarifvertrag hat Lufthansa schon im Februar 2013 aufgekündigt. Er sicherte den Piloten die Möglichkeit zu, ab 55 Jahren in den Ruhestand zu gehen und ein Übergangsgehalt bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu beziehen. Diese Maßnahme kam nicht nur den Piloten, sondern auch der Flugsicherheit zugute, denn der Beruf des Piloten ist mit Dauerstress, ständiger Zeitverschiebung, Klimawechsel und permanent unterschiedlichen Arbeitszeiten verbunden. Nur sehr wenige Piloten sind gesundheitlich in der Lage, ihn bis zum Rentenalter durchzuhalten.

Diese Übergangsversorgung gewährt Lufthansa nur noch ab dem sechzigsten Altersjahr. Gleichzeitig wandelt der Konzern die festen Betriebsrenten in Zuschüsse zur Rente um. Damit sollen die Beschäftigten ihre Rente über ein eigenes Konto am Kapitalmarkt selbst finanzieren, und das damit verbundene Risiko selbst tragen.

Die Gewerkschaften Verdi und Ufo, die für das Bodenpersonal und die Kabinen-Crews zuständig sind, haben dieser Umstellung schon zugestimmt, und der Druck auf Cockpit wächst, dasselbe zu tun.

Auch in der Frage der Billig-Airlines setzt Lufthansa die Piloten massiv unter Druck. Der Konzern ist entschlossen, den globalen Konkurrenzkampf auf Kosten der Piloten, der Crews und des Bodenpersonals auszutragen. Deshalb wird systematisch die Billigtochter Eurowings ausgebaut, die mit Sitz in Wien unter österreichischem Tarifrecht arbeitet. Bei Eurowings sind die Löhne und Gehälter um vierzig Prozent niedriger als im Stammkonzern.

Diese miserablen Bedingungen sind auch der Hintergrund des Streiks vom Dienstag bei Eurowings.

Praktisch parallel zu Cockpit hat die DGB-Gewerkschaft Verdi die Flugbegleiter von Eurowings zu einem fünfzehnstündigen Streik in Hamburg und Düsseldorf aufgerufen. Die Arbeitsniederlegung war aber von vorneherein nicht darauf angelegt, die Bedingungen der Crews wesentlich zu verbessern, sondern diente eher dazu, „Dampf abzulassen“.

Darüber hinaus sollte der Streik dafür sorgen, dass Verdi die Kontrolle über die Flugbegleiter nicht gänzlich an die Spartengewerkschaft Ufo verliert, die Ende Oktober bei Eurowings ebenfalls einen eintägigen Streik ausgerufen hatte.

Weder Verdi noch Ufo noch Cockpit haben auch nur den Versuch unternommen, die Arbeitskämpfe, die sich gegen dieselbe mächtige Lufthansa Group richten, zu koordinieren.

Die Vereinigung Cockpit versucht schon seit fünf Jahren in immer neuen Verhandlungen, zu einer Einigung und friedvollen Zusammenarbeit mit dem Vorstand zu kommen. Woran es jedesmal scheitert, darüber will sie nichts sagen, da sie „strengstes Stillschweigen“ zugesagt habe (so VC-Präsident Ilja Schulz auf der jüngsten Pressekonferenz).

Von April 2013 bis September 2015 hatten die Piloten dreizehn Mal gestreikt, ohne das Mindeste zu erreichen. Im September 2015 urteilte das Landesarbeitsgericht Hessen, ein Arbeitskampf gegen das „Lowcost-Konzept“ des Konzerns sei illegal. Daraufhin setzte die Vereinigung Cockpit die Streiks für ein Jahr und zwei Monate aus.

Im Dezember 2015 beteiligte sich Cockpit gemeinsam mit Verdi und Ufo am „Jobgipfel“, den der Lufthansa-Vorstand einberufen hatte, um den Konzernumbau mit den Gewerkschaften abzustimmen.

Seither hat der Lufthansa-Konzern den Druck auf all seine Beschäftigten massiv erhöht. So wurden die Bereiche Cargo, Technik, Bodendienste, Catering etc. immer stärker aufgesplittert, ausgegliedert oder an immer neue Tochtergesellschaften delegiert und mit Dumping-Löhnen und Entlassungen unter Druck gesetzt.

In all diesen Bereichen steigt die Wut und Kampfbereitschaft gegen die Angriffe des Konzerns, wie beispielsweise der spontane Streik bei handling counts, einer hundertprozentigen Tochter von Lufthansa-Cargo, im Juli zeigte.

Doch immer deutlicher wird sichtbar, dass weder Verdi, noch Ufo, noch die Vereinigung Cockpit auf Seiten der Arbeiter stehen. Wenn es drauf ankommt, agieren sie als Vertreter des Vorstands. Das zeigte im Oktober der Fall TUIfly.

Als sich bei TUIfly Piloten, Flugbegleiter und Bodenpersonal gegen Stellenstreichungen wehrten und einen spontanen „Sick-out“ organisierten, indem sie sich kurzfristig und massenhaft krank meldeten, gab sich Cockpit als Streikbrecher her. Zusammen mit Verdi beteiligte sich VC an einer gemeinsamen „Ad-hoc-Krisenvereinbarung“, um „dringende Sofortmaßnahmen in Kraft zu setzen, mit dem Ziel, den Flugbetrieb zu stabilisieren“. Sie beteiligte sich außerdem am gemeinsamen Aufruf von Unternehmensleitung, Gewerkschaft und Betriebsrat, in dem es hieß:

„Von den massiven Flugstreichungen bei TUIfly sind in hohem Maße auch Air Berlin Flüge betroffen, die von TUIfly im Wet-Lease geflogen werden. Vor diesem Hintergrund ruft Air Berlin, gemeinsam mit der Vereinigung Cockpit, der Tarifkommission ver.di und dem Gesamtbetriebsrat ihre Piloten, Flugbegleiter und Bodenmitarbeiter dazu auf, auf freiwilliger Basis Sondereinsätze zu leisten.“

Deutlicher hätte Vereinigung Cockpit nicht demonstrieren können, wo sie steht, wenn es darauf ankommt, die Interessen der Unternehmer zu verteidigen. Sie teilt im Wesentlichen deren Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und unterstützt die Wettbewerbs-Strategie des Lufthansa-Vorstands.

Auf einer Pressekonferenz zum aktuellen Streik erklärte VC-Präsident Ilja Schulz am 14. November: „Cockpit ist kein Freund von Streikmaßnahmen. Wir haben alles versucht, was möglich war. Wir müssen aber feststellen, dass das Unternehmen aus dem bisherigen Versuch ausschert, die Interessen der Shareholder, der Kunden und der Mitarbeiter auszugleichen.“ Der Streik sei „die letzte Möglichkeit“, in diesem Dreier-Verhältnis den Stellenwert der Mitarbeiter zu behaupten.

Diese Sozialpartnerschaft führt dazu die Interessen der Beschäftigten den Profitniteressen der Konzernleitung und der Kapitaleigner unterzuordnen. Zu Gunsten der Shareholder hat Cockpit schon früher weitgehende Zugeständnisse gemacht und eigene Sparpläne über hunderte Millionen Euro vorgelegt. Dies hat den Vorstand nur zu immer schärferen Angriffen auf die Piloten ermutigt.

Auch heute wird der 24-stündige Pilotenstreik die Probleme nicht lösen und Lufthansa-Vorstand Carsten Spohr nicht davon abhalten, den Konzern-Umbau weiterhin durchzusetzen.

Um die Angriffe wirkungsvoll zurückzuschlagen, müssen sich Piloten, Flugbegleiter, Bodenarbeiter– unabhängig von Cockpit, Verdi, Ufo oder IGL – mit den Beschäftigten an andern Flughäfen und darüber hinaus zusammenschließen. Gleichzeitig ist es notwendig Verbindung zu Arbeitern von VW und anderen Betrieben aufzunehmen die auch von massivem Arbeitsplatzabbau und Sozialangriffen bedroht sind. Das erfordert eine sozialistische Perspektive und internationale Strategie, die die Interessen und Bedürfnisse der Beschäftigten höher stellt, als die Bereicherung der Kapitaleigner und des Vorstands.

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