1000 ehemalige Bochumer Opel-Arbeiter gehen in die Arbeitslosigkeit

Das Ende der Transfergesellschaft

Vor gut zwei Jahren schloss Opel sein Werk in Bochum. Rund 3300 Arbeiter verloren ihre Jobs. 2614 von ihnen wechselten in die von IG Metall, Betriebsrat und Konzern vereinbarte Transfergesellschaft. Nun ist es für rund 1000 Opel-Arbeiter gekommen, wie sie befürchtet hatten. Sie werden zum Jahresbeginn arbeitslos.

Weitere 750 ehemalige Opelaner sind bereits Ende 2015 aus der Transfergesellschaft ausgeschieden. Diese älteren Arbeiter der Jahrgänge 1961 und früher (so genannte „rentennahe“ Beschäftigte) sind in der Regel arbeitslos gemeldet, um ihre Zeit bis zum frühzeitigen Renteneintritt zu überbrücken. Pro Jahr vorzeitigen Eintritts müssen sie dann eine gesetzliche Rentenkürzung von 3,6 Prozent hinnehmen.

Nach Angaben der TÜV-Nord-Transfergesellschaft konnten in den letzten zwei Jahren nur 750 Arbeiter in einen neuen Job vermittelt werden, zusätzliche 150 hätten Arbeitsverträge für 2017 unterschrieben. Zu überprüfen ist das alles nicht.

Das schlechte Ergebnis liege „zum Beispiel auch daran, dass das zukünftige Einkommen auf dem Arbeitsmarkt für den Großteil der Transfermitarbeiter unter dem liegt, was sie zur Zeit von der Transfergesellschaft bekommen“, heißt es auf der Website der TÜV Nord Transfer.

Diese Aussage hat es in sich. In den letzten Jahren von Opel vereinbarten IG Metall und Betriebsrat schon Lohnkürzungen von über 20 Prozent für die Beschäftigten, angeblich um den „Standort zu sichern“. Im ersten Jahr der Transfergesellschaft erhielten die ehemaligen Opelaner dann 80 Prozent ihres letzten Nettogehalts, im zweiten Jahr ist die Summe sogar auf 75 Prozent reduziert worden. Und dennoch ist dieses Geld mehr, als die ehemaligen Opelaner zukünftig an Lohn erwarten können!

Kein Wunder, dass „viele gezögert [haben], den Entschluss zum Austritt aus der Transfergesellschaft zu fassen“, wie deren Geschäftsführer Hermann Oecking erklärte.

Oecking versucht das schlechte Vermittlungsergebnis unter anderem damit zu rechtfertigen, dass mehr als 300 Bochumer Opelaner gesundheitlich eingeschränkt und 1800 bereits über 50 Jahre alt gewesen seien. Doch das war bereits vorher bekannt.

Das wirkliche Problem besteht darin, dass es im de-industrialisierten Ruhrgebiet kaum noch gut bezahlte Arbeit für qualifizierte Fachkräfte gibt. Opel war nicht der einzige Industriekonzern, der Arbeitsplätze abgebaut hat. In seinen Hochzeiten in den 80er Jahren beschäftigte Opel in Bochum über 20.000 Arbeiter. Seitdem sind dort und bei anderen Konzernen wie Nokia, Thyssen, Outokumpu, Johnson Controls usw. allein in Bochum zigtausende solcher Arbeitsplätze vernichtet worden.

Neue Jobs entstehen hingegen fast ausschließlich im Billiglohnsektor. Die Arbeitslosenquote beträgt aktuell 10,6 Prozent. Von den derzeit mehr als 18.500 Arbeitslosen in Bochum ist fast jeder fünfte über 55 Jahre alt, rund 7800 gelten als langzeitarbeitslos.

So arbeiten nun viele der vermittelten ehemaligen Opel-Arbeiter in prekären, niedrig entlohnten und befristeten Jobs, die meisten in Logistik-Firmen und als Lkw-Fahrer, einige in Sicherheitsfirmen. Nur wenige kamen als Elektriker oder Schlosser unter.

Den 1000 nun aus der Transfergesellschaft ausscheidenden Opelanern droht Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung, Leiharbeit, später Hartz IV.

Der einzige Nutznießer der Transfergesellschaft, mit denen die Opelaner vertröstet wurden, war der Betreiber, die TÜV Nord Transfer GmbH. Sie streicht einen guten Teil der 550 Millionen Euro ein, die Opel laut IG Metall für den „Sozialtarifvertrag“ – eine beschönigende Umschreibung für den Schließungsvertrag – zahlt.

Rund 150 Arbeiter sind noch bis Juni 2017 in der Transfergesellschaft und rund 100 sogenannte „Härtefälle“ haben die Möglichkeit, ein weiteres Jahr in der Transfergesellschaft zu bleiben. Die IG Metall teilte mit, eine Einigungsstelle unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Landesarbeitsgerichtes Bremen, Martin Bertzbach, habe entschieden, dass dies für schwerbehinderte Beschäftigte gelte, die mindestens einen Grad der Behinderung von 70 Prozent haben, sowie für Beschäftigte der unteren Entgeltgruppen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent.

Die Opel-Betriebsräte, die all das in den letzten Jahren mit dem Konzern ausgehandelt haben, teilen nicht das Schicksal der Arbeiter, die nun, in einem halben oder in einem Jahr in die Arbeitslosigkeit gehen. Sie sind allesamt in das Ersatzteillager (Werk III) gewechselt, das vor rund zehn Jahren zunächst an Caterpillar, dann an Neovia ausgegliedert und Anfang 2016 wieder von Opel übernommen worden war, genauer: von der „Opel Group Warehousing GmbH“.

Sie beklagen nun, dass Opel die Vereinbarungen der letzten Jahre nicht einhalte. Der Betriebsratsvorsitzende von Opel Bochum Murat Yaman, Nachfolger von Rainer Einenkel, der inzwischen in Rente ist, jammerte Anfang Dezember, die von Opel zugesagten 100 Industrie-Arbeitsplätze am Standort Bochum seien „weiterhin nicht klar definiert und auch nicht umgesetzt worden“. Die vereinbarte „Überführung der Berufsausbildung in eine zukunftsfähige Lernfabrik“ sei „in weiter Ferne“.

Opel hat die Ausbildung inzwischen an die „Karrierewerkstatt“ der Deutschen Edelstahlwerke (DEW) gegeben. Geschäftsführer dieser ausgegliederten Gesellschaft ist der ehemalige DEW-Arbeitsdirektor Burkhard Hartmann, der traditionell über die IG Metall bestimmt wird.

Derweil geht die Spaltung der Opel-Arbeiter weiter. Seit August verordnet Opel den Werken in Rüsselsheim und Eisenach wegen der Absatzprobleme in Großbritannien nach dem Brexit-Votum Kurzarbeit. Deren Ende ist nach Angaben eines Opel-Sprechers nicht absehbar.

Den rund 1800 Beschäftigten im Eisenacher Werk ist am 16. Dezember auf einer Betriebsversammlung mitgeteilt worden, dass sie ab 2019 anstelle des Adam und Corsa den Nachfolger des SUV Mokka X bauen. Adam und Corsa werden dann im spanischen Saragossa hergestellt.

Der Eisenacher Betriebsratsvorsitzende Bernd Lösche behauptet, diese Entscheidung sei gut für Eisenach: „Jetzt können wir entspannter in die Weihnachtsferien gehen.“ Die meisten Arbeiter genießen diese Ankündigungen allerdings mit Vorsicht, schreibt die Thüringer Allgemeine und zitiert einen Opel-Arbeiter: „Ob das dann alles genau so kommt, werden wir sehen – und bis 2019 fließt noch viel Wasser die Werra runter.“

Wenige Tage später berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass ein neuer großer SUV, der 2019 auf den Markt kommen soll, im Opel-Werk in Rüsselsheim gebaut wird. In der Firmenzentrale produzieren derzeit 3800 Beschäftigte das Modell Insignia. Wolfgang Schäfer-Klug, der Vorsitzende des Rüsselsheimer und des Gesamtbetriebsrats, sagte, dass mit diesen Entscheidungen Arbeitsplätze in beiden Werken gesichert worden seien.

Arbeiter sollten den Ausführungen und Behauptungen der IG Metall und der Betriebsräte keinerlei Glauben schenken. Sie sind aufs engste mit der Konzernspitze verbunden, arbeiten Kürzungs- und Schließungspläne aus und setzen sie im Auftrag des Konzerns um. Dabei hintergehen und erpressen sie die Belegschaften. Das zeigte sich anschaulich bei der Schließung von Opel in Bochum.

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