Französischer Präsidentschaftskandidat François Fillon fordert Deutschland zu Bündnis gegen die USA auf

François Fillon, der Präsidentschaftskandidat der französischen Republikaner (Les Républicains), traf sich am Montag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nahmen an dem Treffen teil.

Die aggressive Haltung des neuen US-Präsidenten Trump gegenüber Europa und insbesondere Deutschland versetzt die europäischen Mächte in Panik. Sie fürchten die Folgen von Trumps „America-First“-Kurs für ihre wirtschaftliche und militärische Stellung. Fillons Berlin-Besuch, der die französischen Wirtschafts- und Militärbindungen zu Deutschland festigen sollte, unterstreicht, dass die europäischen Mächte rasch auf einen Konflikt mit Washington zusteuern.

Auf dem Treffen wurde die geostrategische Orientierung bekräftigt, die nach dem Brexit-Referendum im Juni 2016 zwischen Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande abgestimmt worden war. Damals schlugen Paris und Berlin ein von der Nato und Großbritannien unabhängiges Militärbündnis vor. Auch bei den jüngsten Gesprächen ging es in erster Linie um Fillons Forderung nach einem „europäischen Verteidigungsbündnis“. Die militärische Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland soll dahingehend weitert werden, dass sie ihre imperialistischen Interessen unabhängig von der Nato durchsetzen können (die Trump kürzlich für „obsolet“ erklärte).

Fillon machte unmissverständlich deutlich, dass man sich mit dieser Politik darauf vorbereite, aggressiven Maßnahmen der amerikanischen Regierung entgegenzutreten, und zwar notfalls auch militärisch.

In einem langen Interview, das die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die französische Zeitung Le Monde am Vortag des Berliner Treffens veröffentlichten, zeichnete Fillon Trump als Bedrohung für Europa: „Europa ist jetzt vorgewarnt. Die amerikanische Politik wird uns nichts schenken, wir müssen uns dementsprechend organisieren. Das setzt mehr denn je eine europäische Initiative voraus. Was Trump jetzt ankündigt, hat schon vor Trump begonnen.“

Fillon erinnerte an die Strafen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar, die US-Finanzbehörden gegen die Deutsche Bank und die französische BNP Paribas verhängten.

Zudem rief Fillon zu engeren Beziehungen zwischen Deutschland, Frankreich und Russland auf. Gemeinsam solle eine Lösung für die Kriege in Syrien und der Ukraine gefunden werden, die von den USA angezettelt wurden. In Syrien führen Washington und die europäischen Mächte seit 2011 einen blutigen Stellvertreterkrieg gegen Präsident Baschar al-Assad, um einen Regimewechsel herbeizuführen. In der Ukraine setzten sie nach dem von Faschisten angeführten Putsch in Kiew vom Februar 2014 eine antirussische Regierung ein. Fillon machte klar, dass diese Interventionen seiner Ansicht nach ein Fehler waren und durch eine bewusste Irreführung der Nato-Mächte, auch Frankreichs, herbeigeführt wurden.

Russland bezeichnete er als „immenses Land, das nicht mit Leichtfertigkeit behandelt werden sollte, es ist ein Land ohne demokratische Traditionen, das über Atomwaffen verfügt. […] Wer kann sich ernsthaft einen Konflikt mit Russland wünschen?“ Auf die Frage, ob Putin ein zuverlässiger Partner sei, antwortete er: „War der Westen immer zuverlässig? Hat er die Russen niemals getäuscht? In Libyen, im Kosovo, bei der Wirtschaftspartnerschaft mit der EU? Russland ist für vieles verantwortlich, aber es ist nicht allein verantwortlich.“

Fillon bezeichnete Frankreichs Bündnis mit Deutschland als „absolut grundlegend“ und verurteilte Hollande, weil dieser zu Beginn seiner Amtszeit eine „Einkesselung“ Deutschlands versucht habe. Er hingegen wolle das deutsch-französische Bündnis „stärken“. Doch dieses Bündnis müsse eine „Partnerschaft unter Gleichen“ sein, trotz der „Wirtschaftsschwäche und de[m] Mangel an Strukturreformen“ auf französischer Seite.

Fillon skizzierte Vorschläge für eine von Paris und Berlin geführte Wirtschaftsregierung in der Eurozone. „Zunächst muss die Eurozone wiederbelebt werden“, sagte er, hierzu sei „eine Agenda für die Steuerharmonisierung für die Unternehmen“ festzusetzen. Zudem schlug Fillon vor, die Vormachtstellung des Dollars in der Weltwirtschaft zu reduzieren und „aus dem Euro eine internationale Währungsreserve zu machen“, indem ein Europäischer Währungsfonds als potenzielles Gegengewicht zum Internationalen Währungsfonds geschaffen wird.

Die Ziele, die Berlin und Paris mit einer solchen militärischen und finanziellen Zusammenarbeit verfolgen, sind reaktionär. Auf Trumps Drohungen und das unmittelbar drohende Auseinanderbrechen der Europäischen Union (EU) reagieren die Herrschenden in Europa mit dem Versuch, die EU mit Militär- und Polizeistaatsmethoden zusammenzuhalten.

Voraussetzung für diese Strategien, mit denen die Gefahr eines offenen militärischen Konflikts zwischen Nato-Mächten zunimmt, sind verheerende Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiter. Fillons Ruf nach „Strukturreformen“ entspricht seinem Vorhaben, 500.000 Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen und das staatlich finanzierte Gesundheitssystem in Frankreich in großen Teilen oder ganz abzuschaffen.

Zum Thema Immigration sagte Fillon, er wolle die theoretisch offenen Grenzen der Schengen-Zone ignorieren, und rief zu verstärkter Sicherheit der inneren und äußeren Grenzen Europas auf: „Ich verteidige auch eine viel strengere Einwanderungspolitik mit festen Quoten, […] jedes Land muss die Hoheit über seine Einwanderungspolitik bewahren.“ Fillon kritisierte Merkels Flüchtlingspolitik und machte klar, dass Frankreich unter seiner Führung, anders handeln würde als Deutschland. Es müsse „klar sein, dass Frankreich nicht akzeptiert, noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen.“

Die von Fillon vorgeschlagene Allianz mit Berlin erinnert stark an die Achse Paris-Berlin-Moskau, die sich herausbildete, als im Jahr 2003 mehrere europäische Mächte den völkerrechtswidrigen Einmarsch der USA im Irak kritisierten. Sie ist ein Symptom für die tiefgehenden und anhaltenden Rivalitäten zwischen den imperialistischen Mächten, die im vergangenen Jahrhundert zu zwei Weltkriegen führten.

Die relative Stabilität in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa nach dem Zweiten Weltkrieg beruhte auf der wirtschaftlichen Übermacht der USA und auf dem gemeinsamen Feind der Nato-Mächte, der Sowjetunion. Mit der Auflösung der UdSSR im Jahr 1991 änderten sich die Beziehungen zwischen den vereinigten Staaten und Europa. Es kam sehr bald zu Konflikten über die Kriegspolitik und um den Zugang zu Öl, Rohstoffen, Märkten und billigen Arbeitskräften.

Heute sind die geostrategischen Spannungen noch schärfer als vor 25 Jahren. Der Niedergang der US-Wirtschaft hat sich beschleunigt und die europäischen Mächte, einschließlich Russlands, knüpfen noch engere Beziehungen zu China, das Trump zu einer der Hauptzielscheiben der Außenpolitik seiner Regierung erkoren hat.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte, Europa und Deutschland hätten gegenüber Trump „keinen Grund für Angst und schon gar nicht für Unterwürfigkeit“, sondern sollten „beinhart“ ihre eigenen Interessen vertreten. Deutschland sei ein „starkes Land“ und Europa ein „starker Kontinent, der zusammenhalten muss“. Laut Gabriel brauchten Deutschland und Europa eine neue Orientierung auf China und Asien. Wenn die USA „mit China und ganz Asien einen Handelskrieg beginnen, dann sind wir ein fairer Partner“, ergänzte er.

Sollte ein Bündnis der kapitalistischen Regierungen Deutschlands, Frankreichs, Russlands und Chinas gegen die Vereinigten Staaten verwirklicht werden – eine Gefahr, der Washington zunehmend militärisch begegnen wird –, dann würde es sich als völlig reaktionär erweisen. Es zeigt sich erneut, dass die internationale Bourgeoisie die fundamentalen Widersprüche zwischen dem integrierten Charakter der globalen Wirtschaft und der Aufteilung der Welt in antagonistische Nationalstaaten nicht zu lösen vermag.

Die einzige Kraft, die einen neuerlichen Weltkrieg verhindern kann, ist die internationale Arbeiterklasse. Nur sie kann seine Ursache bekämpfen: das kapitalistische System.

Die zunehmend erbitterteren und unauflösbaren Spaltungen, die das kapitalistische Europa auseinanderreißen, während Fillons Besuch unübersehbar, obwohl versuchte, Paris enger an Berlin zu binden.

Trumps feindselige Haltung gegenüber Deutschland, erkennbar an seiner Drohung mit Sanktionen gegen dessen Autoindustrie und an seiner Bezeichnung der EU als „Vehikel für Deutschland“, wird von der herrschenden Klasse Deutschlands als Bedrohung wahrgenommen und lässt in ihren Augen eine unabhängigere und aggressivere europäische Außenpolitik sowie eine Abstimmung mit Paris ratsam erscheinen.

Dennoch gab es erhebliche Konflikte zwischen Merkel und Fillon, nicht allein wegen der Einwanderungsfrage, sondern auch wegen Fillons Eintreten für eine vereinte europäische Wirtschaftsregierung. Diesen Vorschlag hatte Deutschland bereits abgelehnt hatte, als er vom früheren französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy vorgebracht wurde. Außerdem möchte Fillon die Beziehung zu Russland wiederherstellen, indem engere militärische Bande geknüpft und die während der Ukraine-Krise verhängten Sanktionen gelockert werden – was Merkel ablehnt.

Die soziale, wirtschaftliche und politische Lage in Europa ist ohnehin bereits extrem angespannt, und Fillon hat erklärt, er wolle Frankreich zu Europas beherrschender Macht machen: eine kaum verhüllte Herausforderung an die deutsche Hegemonie in Europa. In beiden Staaten haben nationalistische Kräfte Auftrieb. Der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU hat die Spannungen in Europa weiter befeuert. Zweifellos betrachtet London die Rufe nach größerer militärischer Integration auf dem europäischen Kontinent als Bedrohung, insbesondere jetzt, da die Premierministerin Theresa May die Nähe zu Trump sucht.

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