Unterstützung für SGP-Wahlkampagne in NRW

In Berlin und Nordrhein-Westfalen sowie in Frankfurt und Leipzig sammelt die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) derzeit Unterschriften, um an der Bundestagswahl vom 24. September teilzunehmen. Mit dem Wahlaufruf „Gegen Militarismus und Krieg! Für Sozialismus!“ wirbt sie vor Supermärkten, an Arbeitsämtern und an Universitäten für ihr sozialistisches Programm.

Vor dem Job Center Duisburg nimmt Erika, eine junge Angestellte, erst den Wahlaufruf mit, ohne viel zu sagen. Doch sie kommt wieder zurück und unterschreibt für die SGP. Sie weist auf die Stelle im Aufruftext, wo es heißt: „Deutschland ist bereits jetzt eines der sozial ungleichsten Länder der Welt“, und: „Jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland arbeitet für einen Niedriglohn von weniger als 10 Euro pro Stunde.“

Erika berichtet, sie habe mehrere Jahre mit einem Stahlarbeiter von Thyssen-Krupp zusammengelebt: „Er war nicht bei dem Konzern direkt, sondern über einen Subunternehmer beschäftigt“, sagt sie. „Man konnte niemals vernünftig planen. Heiraten, Kinder bekommen – das war alles nicht drin. Immer hatte er das Gefühl, ein Damoklesschwert hänge über ihm. Immer sagte er: Und was ist, wenn ich in einem halben Jahr arbeitslos bin?“

Das Thema Zeitarbeit bedrückt offenbar sehr viele Arbeiter. Die Unternehmer und öffentlichen Arbeitgeber greifen überall zu Personalvermittlern und Subunternehmern, um traditionelle Arbeitsverhältnisse aufzuweichen und durch temporäre und prekäre Stellen zu ersetzen. Davon kann auch Ergün ein Lied singen.

Ergün

Ergün hat drei Jahre lang über eine Zeitfirma für die Müllabfuhr Duisburg gearbeitet. „Immer nur befristet – und die ganze Zeit habe ich versucht, einen festen Vertrag zu bekommen. Nach drei Jahren war es endlich soweit. Ich sollte fest eingestellt werden. Und zwei Tage vorher habe ich dann eine Lungenembolie bekommen. Ich war krank, und es war sehr schlimm. Sie mussten mich nicht einmal entlassen, denn ich war ja nur befristet beschäftigt! Und jetzt bin ich hier am Arbeitsamt gelandet.“

Ergün erzählt, er sei eigentlich ausgebildeter Musiker. „Aber in Deutschland habe ich als Musiklehrer keine Stelle gefunden. Am Ende hat mir die Arbeit als Müllmann auch Spaß gemacht. Aber heute habe ich dazu die Kraft nicht mehr.“

Zum Programm der SGP sagt Ergün: „Ihr kämpft gegen Krieg – da habt ihr Recht.“ Seine Mutter lebt in der Türkei, wo täglich viele Menschen als Flüchtlinge aus dem Krieg ankommen. Krieg, das ist „die schlimmste Katastrophe überhaupt“, sagt Ergün.

Ewald (26) ist im Ruhrgebiet aufgewachsen; seine Familie stammt aus Kasachstan. Er winkt erst ab und sagt, von Wahlen halte er nichts: Über das Parlament werde sich sowieso nichts zum Bessern ändern. Als er hört, dass wir eine Arbeiterpartei aufbauen, die international ist und gegen Krieg kämpft, bleibt er aber doch stehen und unterschreibt. „Das wäre mal was Sinnvolles, wenn wir uns als Arbeiter international zusammentun würden.“

Ewald sagt, er erlebe es heute immer häufiger, dass er, obwohl in Deutschland aufgewachsen, als Ausländer angesprochen werde. „Das ist ein schleichendes Gift, und es wird hier etwa seit einem Jahr bewusst verbreitet“, sagt Ewald. „Man spürt es überall. Die so genannten Ausländer werden mehr und mehr als Bürger zweiter Klasse behandelt.“

Ruhr-Uni Bochum

Auch an der Ruhruniversität Bochum wird der Wahlaufruf gut aufgenommen. Ein Beispiel: Der Physikstudent Maximilian unterschreibt für die SGP und nimmt einen Aufruf mit. Später kommt er mit zwei Kommilitonen zurück und erklärt ihnen: „Hier könnt ihr unterschreiben, die Sache ist in Ordnung.“

Sein Freund unterschreibt, die dritte Person, eine junge Studentin, hat leider keinen deutschen Pass. Aber alle drei unterstützen die Kampagne. Maximilian kauft sich die Broschüre von David North zur Oktoberrevolution und sagt: „Darüber weiß ich wirklich noch zu wenig.“ Sein Freund erklärt, er werde das im Internet lesen, gibt das Geld dafür aber trotzdem als Spende.

Mit Lorenz, einem Geschichtsstudenten, ergibt sich eine längere Unterhaltung. Er steht kurz vor seinem Bachelorabschluss. Lorenz hat die Artikel über das Kölner Urteil gegen Jörg Baberowski gelesen und freut sich sehr über den Sieg des Bremer Asta. „Was Baberowski betrifft“, sagt Lorenz, „mag es sein, dass er sich selbst nicht als rechts empfindet. Aber das große Problem ist, dass die Rechte seine Themen aufgreifen und ihn als einen der ihren verstehen. Zum Beispiel Breitbart News hat seine Thesen publiziert.“

„Das jüngste Kölner Urteil“, fährt er fort, „hat einwandfrei festgestellt, dass man Baberowski als rechtsextrem bezeichnen darf. Dabei geht es ja weniger um seine Monographien, als vielmehr darum, dass er in der Öffentlichkeit auftritt, sich einmischt und Interviews gibt.“

Lorenz findet es „eigentlich traurig, dass es unter Wissenschaftlern so wenig Widerstand gegen ihn gibt. Die Kritik an ihm kommt jetzt im Nachhinein, nach dem Urteil, und vorher hat sich an der Uni niemand getraut, gegen Baberowski aufzutreten. Was die Zeitungen angeht, so hat außer euch nur der Tagesspiegel objektiv darüber berichtet. Das kann man nicht mehr als breites Meinungsspektrum oder Diskussionskultur bezeichnen.“

Man könne, was Baberowski sagt, doch eigentlich gar nicht missverstehen, fährt Lorenz fort. „Er sagt zum Beispiel: ‚Hitler war nicht grausam‘. Dabei war Hitlers Ideologie an sich schon grausam. Hitler hat Slawen ausdrücklich als ‚Untermenschen‘ bezeichnet – und auch behandelt. In den besetzten Gebieten wurden Massenerschießungen organisiert, und die Wehrmacht hat besonders im Osten entsetzliche Gräueltaten begangen. Das ist nicht zu leugnen.“

Baberowski müsse wohl für seine Thesen breite Unterstützung haben.

In dem Zusammenhang kommt die Diskussion auf die rechte „Leitkultur“ von Thomas de Maizière. „Leitkultur – das tritt immer dann auf, wenn es brenzlig wird und wenn man Wahlkampf betreiben will“, sagt Lorenz. Als Beispiel nennt er die jüngste Forderung, an den Schulen nur einen bestimmten Prozentsatz an Zugewanderten pro Klasse zuzulassen.

„Aber wie wollen sie das praktisch umsetzen? Es gibt Gebiete, in denen es kaum Migranten gibt, und es gibt Gebiete mit höherem Migrationsanteil. Außerdem sind ja viele schon hier geboren und haben deutsche Staatsbürgerschaft, werden aber immer noch als Ausländer behandelt. Soviel zur Leitkultur – es läuft auf offene Ungerechtigkeit hinaus.“

Lorenz berichtet, seiner Erfahrung nach stütze sich ein Teil der AfD-Anhänger auf rechtspopulistische Konzepte, die von der rechten SPD stammten. „Ich habe mit AfD-Anhängern gesprochen, die sich vor allem auf Thilo Sarrazin und die rechte SPD berufen haben.“

Am Wahlprogramm der SGP habe ihn am stärksten das offene Eintreten für den Sozialismus beeindruckt. „Linke Parteien, die sich für die Arbeiter einsetzen, das gibt es so gut wie gar nicht mehr. Bei uns in Nordrhein-Westfalen hat die SPD bei der Wahl gerade deswegen Stimmen verloren, weil sie sich immer stärker an die CDU angleicht. Das sieht man auch bei Martin Schulz: Er hat kaum noch zentrale Aussagen, die die soziale Gerechtigkeit betreffen. Für Arbeiter sehe ich da keine Alternative.“

Beim Sammeln von Unterschriften

Schließlich unterschreibt auch Matthias (35), der bei der Haustechnik der Universität arbeitet. „Die soziale Lage wird immer schlimmer“, sagt Matthias. „Das macht die Leute krank. Die ganze Gesellschaft ist irgendwie krank.“ Seiner Meinung nach würde „eine neue Partei der politischen Gesellschaft guttun. Man hat ja das Gefühl, dass alle gleichgeschaltet sind, hauptsächlich was die SPD und die CDU angeht: Das kommt durch die große Koalition.“

Matthias meint, die SPD müsste doch eigentlich „für die soziale Gerechtigkeit zuständig sein“. Dann erklärt er, er finde die Forderung der Linkspartei nach einem Grundeinkommen nicht schlecht. „Wenn sie das machen würden, dann bräuchte man keine Revolution.“

Auf den Hinweis, dass die Kapitalisten immer irgendwelche Schlupflöcher finden, um zu verhindern, dass ihre Profite geschmälert werden, und dass ein Grundeinkommen für alle, mit dem sich vernünftig leben lässt, erst möglich sein wird, wenn die kapitalistische Profitgesellschaft überwunden wird, meint Matthias: „Eine Gesellschaft, die nach den Bedürfnissen der Menschen und nicht nach den Profiten ausgerichtet wäre – das wäre schon eine feine Sache.“

Den Kampf gegen Krieg findet er „eigentlich eine Selbstverständlichkeit“. Als er hört, dass es Politiker gibt, die Deutschland wieder als „Macht in der Mitte“ aufbauen wollen, und dass es Professoren wie Baberowski gibt, die behaupten: „Hitler war nicht grausam“, da sagt Matthias: „Ich dachte, die alten Nazis seien vorbei. Ein neuer Krieg bedroht ja die ganze Welt – wer kann denn heute im klaren Kopf eine neue Aufrüstung und Atomwaffen zulassen? Wenn es möglich wäre, dass die internationale Arbeiterklasse sich dagegen vereint – das wäre natürlich prima.“

Loading