Österreich: Sozialdemokraten offen für Koalition mit rechtsextremer FPÖ

Die österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ) haben wenige Monate vor der Parlamentswahl im Oktober die Weichen für eine Koalition mit der rechtsextremen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) gestellt. Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern verkündete Mitte Juni „den lange erwarteten Tabubruch“ (Tageszeitung), dass eine Koalition mit der ausländerfeindlichen und anti-islamischen FPÖ nicht mehr prinzipiell ausgeschlossen sei.

Die formal mehr als 30 Jahre gültige so genannte Vranitzky-Doktrin (benannt nach dem früheren sozialdemokratischen Kanzler Franz Vranitzky) gehört damit endgültig der Vergangenheit an. Vranitzky hatte 1986, nachdem Jörg Haider die FPÖ übernahm und sie auf einen stramm rechten Kurs brachte, erklärt, man werde mit dieser Partei kein Bündnis mehr eingehen und beendete die Regierungskoalition mit den bis dato als liberal geltenden Freiheitlichen.

Als Hebel für die Weichenstellung einer Koalition mit der extremen Rechten dient der SPÖ ein so genannter „Wertekompass“. Dieser wurde unter der Federführung des sozialdemokratischen Landeshauptmann von Kärnten, Peter Kaiser, entworfen. Neben diesem Katalog einigte sich der Parteivorstand auf sieben „Bedingungen“, welche die SPÖ möglichen Partnern stellen will. Beide Dokumente sind so verfasst, dass die FPÖ ihr formal ohne Weiteres zustimmen kann.

Neben einer „Reform“ der Renten tritt die SPÖ für Kürzungen im Öffentlichen Dienst und eine Stärkung der Polizei ein. Dies deckt sich mit dem Programm der FPÖ. Darüber hinaus verspricht die SPÖ einen Mindestlohn von 1500 Euro monatlich und die Einführung einer Erbschaftssteuer. Beides hatte sie bereits in den letzten Wahlkämpfen versprochen und nach den Wahlen schnell wieder fallen lassen.

Die SPÖ-Führung ließ keinen Zweifel daran, dass die Aufstellung der Koalitionsbedingungen direkt auf die Zusammenarbeit mit der FPÖ zielt. Diese könne nun nicht mehr sagen, sie würde ausgegrenzt, sondern müsse selbst entscheiden, „ob sie auf das Spielfeld zurückkehrt“, sagte Kern. Und Kaiser erklärte: „Wir befinden und in einer Situation, in der der Wind nicht links bläst, sondern von rechts kommt“.

Die FPÖ hat auf die Anbiederungsversuche der Sozialdemokraten bereits reagiert und signalisiert, dass sie die „Bedingungen“ der SPÖ als kein Hindernis für eine mögliche Regierungszusammenarbeit betrachtet: „Es ist in Wirklichkeit nichts unüberwindbar“, erklärte Vizeparteichef Norbert Hofer in einem Interview mit dem Standard.

Die Öffnung der SPÖ für die extreme Rechte auch auf Bundesebene wurde lange vorbereitet. Bereits 2004 bildeten die österreichischen Sozialdemokraten eine Koalition mit der FPÖ in Kärnten und wählten Jörg Haider zum Ministerpräsidenten. 2015 einigte sich dann die SPÖ im Burgenland nur drei Tage nach der Wahl auf eine Koalition mit der FPÖ. Der notorisch rechte SPÖ-Landesparteichef Hans Niessl gilt seit langem als ein vehementer Verfechter von Koalitionen mit den Rechtsextremen. Und auch zahlreiche weitere SPÖ-Größen favorisieren ein Bündnis mit der FPÖ, darunter der amtierende Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil.

In Linz regiert der sozialdemokratische Bürgermeister Klaus Luger mit der FPÖ und lobt diese ausdrücklich. Auch der Gewerkschaftsflügel der Partei arbeitet eng mit den Rechtsextremen zusammen. „Auch in der Arbeiterkammer und in den Gewerkschaften pflegt man Kontakte mit FPÖ-Funktionären“, schrieb jüngst das Nachrichtenmagazin Profil. Man lege dort Wert auf „eine gewisse Gesprächsebene, denn wenn sie an die Regierung kommen, braucht man einen Ansprechpartner für Arbeitnehmerinteressen“.

Der scharfe Rechtsruck der Sozialdemokraten unter dem ehemaligen Bahnmanager Kern fällt zusammen mit dem Aufstieg von Sebastian Kurz in der konservativen Volkspartei (ÖVP). Der Außenminister der derzeitigen großen Koalition in Wien setzte sich mit einem Palastputsch an die Spitze der Partei und sorgte für die anstehenden Neuwahlen. Auch Kurz schließt eine Regierung mit der FPÖ nicht aus. Er vertritt wie die FPÖ eine aggressive Politik gegen Flüchtlinge und Ausländer und fordert heftige Sozialkürzungen.

Die Vorbereitung einer extrem rechten und arbeiterfeindlichen Regierung in Wien unterstützen auch pseudolinke Kräfte, die im Jahr 2000 noch an den Massendemonstrationen gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung beteiligt waren. „Rot-Blau wäre weniger unappetitlich als Schwarz-Blau“, erklärte beispielsweise Robert Misik, ein ehemaliges Mitglied der pablistischen Gruppe Revolutionärer Marxisten (GRM). Heute ist Misik ein enger Freund von Kanzler Kern und dessen wohlwollender Biograph.

Unter Bedingungen der sich verschärfenden sozialen und politischen Krise in Europa wird die offizielle „Linke“ vom Wegbereiter zunehmend zum offenen Verbündeten der extremen Rechten. Arbeiter und Jugendliche müssen daraus die Lehren ziehen. Im Kampf gegen Rechts, gegen Sozialabbau und Krieg gibt es kein „kleineres Übel“. Notwendig ist die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines antikapitalistischen und sozialistischen Programms.

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