Perspektive

Der AfD-Parteitag in Hannover und die Rückkehr des deutschen Militarismus

Die Reaktionen auf den Bundesparteitag der AfD am Wochenende zeigen, wie weit nach rechts die herrschende Klasse Deutschlands sieben Jahrzehnte nach dem Untergang der Hitler-Diktatur wieder gerückt ist. Obwohl in Hannover der offen rechtsextreme und völkisch-nationalistische Flügel um Björn Höcke den Ton angab, kritisierten die etablierten Medien und Politiker die AfD vor allem wegen ihrer internen Streitereien und mangelnden Geschlossenheit.

So beklagte etwa die Süddeutsche Zeitung am Montag, die AfD habe in Hannover „ein peinliches Chaos“ vorgeführt. Und dies, nachdem sich ihre Fraktion im Parlament doch bereits so „geschlossen und politikfähig“ präsentiert habe. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung äußerte sich ähnlich. Die AfD sei ein „gäriger Haufen“ und „nicht nur die Gemäßigten, sondern auch die Radikalen waren am Wochenende nur Zuschauer einer führerlosen Partei“. Der Nachrichtensender Phoenix übertrug den Parteitag sogar live im Fernsehen und kommentierte den Schlagabtausch zwischen den unterschiedlichen Parteiströmungen, als handele es sich um einen sportlichen Wettkampf.

Tatsächlich ist das Ganze bitterer politischer Ernst. Die AfD ist ein Sammelbecken von extrem rechten Kräften, die den Schmutz repräsentieren, der in Deutschland lange als überwunden galt: Rassismus, völkischer Nationalismus und Militarismus. Zum neuen Ko-Vorsitzenden wurde Alexander Gauland gewählt, der im Bundestagswahlkampf „die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“ gepriesen und gefordert hatte, die Bundesintegrationsbeauftragte Aydan Özoguz nach Anatolien zu „entsorgen“. Als Vorsitzender im Amt bestätigt wurde der Wirtschaftsprofessor Jörg Meuthen.

Die AfD wird damit von zwei Personen geführt, die eng mit dem rechtsextremen „Flügel“ innerhalb der AfD verbunden sind. Beide traten in diesem Jahr auf dem von Höcke organisierten Treffen am Kyffhäuser auf – einem nationalistischen Monument aus der Kaiserzeit, zu dem bereits in den 1920er und 1930er Jahren die völkisch-nationalistischen Gruppierungen und später die Nationalsozialisten gepilgert waren. Höcke schwadronierte dort im Jahr 2016 – im Beisein von Gauland und Meuthen – vom „Furor Teutonicus“ und der Entstehung eines „neuen Mythos“ für das deutsche Volk.

Die Wahl von Gauland geht direkt auf eine Intervention des Höcke-Flügels zurück. Um die Wahl des „gemäßigten“ Kandidaten und Landesvorsitzenden der AfD Berlin, Georg Pazderski, zu verhindern, schickten Höcke und Co. Doris von Sayn-Wittgenstein ins Rennen. Die Landessprecherin der AfD Schleswig-Holstein hielt eine aggressive Brandrede, hetzte gegen Antifaschisten und nahm die neonazistische Identitäre Bewegung in Schutz. Sie machte damit nicht nur den Weg für Gauland frei, sondern stellte sich in die „besten“ Traditionen ihres Geschlechts aus deutschem Hochadel. Mit Heinrich Prinz zu Sayn-Wittgenstein war einer ihrer Vorfahren hochdekorierter Offizier der Wehrmacht. Er war unter anderem als Nachtflieger am Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion beteiligt.

Die rechtsextremen und militaristischen Traditionen und Seilschaften, die die Welt im 20. Jahrhundert zweimal in die Katastrophe stürzten, können nur deshalb wieder so aggressiv ihr Haupt erheben, weil sie im Staatsapparat Unterstützung finden. Der AfD-Parteitag wurde von schwer bewaffneten Polizeieinheiten abgesichert, die angefeuert von den AfD-Delegierten brutal gegen Demonstranten vorgingen. „Immer feste druff. In diesem Sinne, Wasser marsch! Es trifft immer die Richtigen“, hetzte der Dresdner Richter Jens Maier auf Twitter.

In der vergangenen Woche hatte mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) das Staatsoberhaupt selbst dem rechten Spuk von Hannover seinen Segen geben. Nach ihrem gemeinsamen Treffen im Schloss Bellevue twitterte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel: „Gestern waren Alexander #Gauland und ich zu Gast bei #Bundespräsident Frank-Walter #Steinmeier. Thema neben den Sondierungsgesprächen war auch unsere bevorstehende Bundesvorstandswahl in #Hannover.“

Es ist kein Zufall, dass Steinmeier bei seinem Versuch, hinter dem Rücken der Bevölkerung eine rechte Regierung ins Amt zu hieven, auch die AfD hofiert. Noch als Außenminister hatte er Anfang 2014 das „Ende der militärischen Zurückhaltung“ verkündet und war dann maßgeblich am rechten Putsch in der Ukraine beteiligt. Unter seiner Regie leitete das Auswärtige Amt einen sogenannten Review-Prozess ein, um den tief verwurzelten Widerstand der Bevölkerung gegen Krieg und Militarismus zu durchbrechen. Aus Steinmeiers Feder stammen Strategiepapiere, die die Militarisierung Europas unter deutscher Vorherrschaft anstreben, und er schwadronierte in unzähligen Reden und Artikeln von „Deutschlands neuer globaler Rolle“.

Die militaristischen Positionen der AfD decken sich mit denen der Führung in Staat und Militär und werden im Kern von allen Bundestagsparteien unterstützt. In ihrem Programm fordert die AfD „angesichts der gegenwärtigen Bedrohung Europas und der geopolitischen Neuausrichtung der USA… die Rückkehr der Streitkräfte zur Einsatzbereitschaft“. Sie seien „so zu reformieren, dass deren Einsatzbereitschaft auch bei Einsätzen mit höchster Intensität gewährleistet ist. Dazu sind umfangreiche strukturelle, personelle und materielle Veränderungen unabdingbar.“ Wenige Tage vor dem Parteitag der AfD hatten sich die Inspekteure der Teilstreitkräfte der Bundeswehr auf einer Podiumsdiskussion nahezu wortgleich geäußert.

Die Sozialistische Gleichheitspartei hatte bereits im September 2014 die objektiven Triebkräfte der Rückkehr des deutschen Militarismus in einer Resolution analysiert und gewarnt: „Die Propaganda der Nachkriegsjahrzehnte – Deutschland habe aus den ungeheuren Verbrechen der Nazis gelernt, sei ‚im Westen angekommen‘, habe zu einer friedlichen Außenpolitik gefunden und sich zu einer stabilen Demokratie entwickelt – entpuppt sich als Mythos. Der deutsche Imperialismus zeigt sich wieder so, wie er historisch entstanden ist, mit all seiner Aggressivität nach innen und nach außen.“

Das bestätigt sich nun und verleiht dem Aufbau der SGP eine enorme Dringlichkeit. Alle anderen Parteien – allen voran die Linke – sind gegen Neuwahlen, weil sie eine sozialistische Entwicklung in der Arbeiterklasse mehr fürchten, als den Aufstieg der extremen Rechten. Die SGP tritt als einzige Partei diesem Wahnsinn entgegen und fordert Neuwahlen, um eine sozialistische Alternative zu Kapitalismus, Faschismus und Krieg aufzubauen.

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