Opel-Rüsselsheim: Kurzarbeit für mindestens sechs Monate

Der Opel-Konzern weitet die Kurzarbeit aus. Ab der zweiten Januarwoche sollen in Rüsselsheim 4000 Mitarbeiter im Bereich Engineering und Verwaltung vorerst sechs Monate lang Kurzarbeit fahren.

In Eisenach ist dies bereits seit Wochen der Fall. Die Opel-Arbeiter von Eisenach hatten vom 8. Dezember bis zum 10. Januar Zwangsurlaub, was teilweise als Urlaub, teilweise als Kurzarbeit verrechnet wurde. Auch in Eisenach wird die Kurzarbeit jetzt verlängert. Sie wird bei Opel in der Form organisiert, dass jede Woche ein Arbeitstag wegfällt, also 24 Tage im halben Jahr.

Als Entschädigung für den Lohnausfall erhalten die Arbeiter von der Bundesagentur für Arbeit, abhängig vom Familienstand, 60 bis 67 Prozent ihres Verdienstes. Damit werden die Kosteneinsparungen für den Konzern sowohl durch die Arbeiter als auch durch das Arbeitslosengeld aufgefangen. Letzteres wird hauptsächlich durch die Sozialbeiträge der Arbeiterklasse finanziert.

Opel-Chef Michael Lohscheller, Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug und die IG Metall-Vertreter haben Mitte Dezember den so genannten Sanierungsplan „Pace“ beschlossen. Damals verkündeten die Medien lauthals, es werde „Keine Werkschließungen! Keine Kündigungen!“ (Bild) geben.

Die WSWS dagegen schrieb: „Vorstand, Betriebsrat und IG Metall haben bei Opel einen drastischen Abbau von Personal und Arbeitskosten vereinbart, um den Konzern profitabler zu machen.“ Jetzt kommen nach und nach die konkreten Beschlüsse ans Licht, und wie sich zeigt, war die Einschätzung der WSWS richtig.

Außer der Kurzarbeit wurden noch zahlreiche weitere Maßnahmen beschlossen, um Personalkosten einzusparen und die Zeit bis Ende 2018 zu überbrücken. So lange sind die festeingestellten Arbeiter in Deutschland noch durch eine vertragliche Garantie vor Entlassungen geschützt.

Zu den Maßnahmen gehört momentan in erster Linie der Abbau der Leiharbeiter. In Eisenach sind die Leiharbeiter schon vor Weihnachten gekündigt worden. Auslaufende Verträge mit Zulieferfirmen werden nicht verlängert. Gleichzeitig werden den älteren festangestellten Arbeitern der Jahrgänge 1957 bis 1960 jetzt Altersteilzeit- oder Vorruhestandsverträge angeboten.

Nach Eisenach sollen jetzt auch in Rüsselsheim und Kaiserslautern die Verträge der Leiharbeiter nicht verlängert werden. Außerdem soll ab dem 1. April die aktuell gültige 40-Stunden-Woche wieder auf 35 Stunden zurückgefahren werden, natürlich ohne vollen Lohnausgleich.

Der Sanierungsplan „Pace“ der Konzernleitung und des Betriebsrats von der IG Metall ist Teil eines massiven Umstrukturierungsplans der neuen Konzernmutter Peugeot-Citroën (PSA Group). Um diesen Plan durchzusetzen, spielt PSA-Konzernchef Carlos Tavares die Arbeiter der verschiedenen Länder gegeneinander aus und bedient sich dabei der Gewerkschaften.

Er will PSA zu einem hochmodernen Konzern umbauen, der auch die Entwicklung und Produktion von E-Autos und neuer, roboter-gesteuerter Modelle ermöglicht. Wie Tavares dem Manager-Magazin gegenüber sagte, will er seinen Konzern „zum effizientesten Autohersteller der Welt“ machen. Dies erfordert den Totalumbau der Produktionsanlagen und damit der bisherigen Belegschaftsstruktur.

Im wirtschaftspolitischen „Neusprech“ wird dies oft als Notwendigkeit einer „schlanken“ und „atmenden“ Belegschaft beschönigt. Es bedeutet nichts anderes, als dass eine traditionelle Stammbelegschaft von fest eingestellten, abgesicherten Arbeitern aufgebrochen und durch Leiharbeiter ersetzt wird, die je nach Bedarf geheuert und gefeuert werden können, während handverlesene Teams von gut ausgebildeten Entwicklern und IT-Spezialisten die Planung übernehmen.

In Frankreich ist diese Entwicklung schon weit fortgeschritten. Gerade hat PSA angekündigt, noch in diesem Jahr 2200 Stellen zu streichen, teils mit Abfindungen und teils über Frühverrentungsmodelle. Gleichzeitig sollen 1300 neue Autobauer eingestellt werden. Ein Teil von ihnen sollen „junge Nachwuchskräfte“ sein, während die übrigen über Leihfirmen eingestellt werden sollen, so dass sie jederzeit wieder entlassen werden können.

PSA kann dies nur mit Zustimmung der französischen Gewerkschaften durchsetzen. Der Konzern stützt sich auf die neuen, sogenannten Kollektiven Aufhebungsverträge (RCC), die die Macron-Regierung ab 1. Januar 2018 eingeführt hat. Aber dazu braucht er grünes Licht von den Gewerkschaften.

Diese spielen in Frankreich ein Spiel mit verteilten Rollen nach dem Muster „Good Cop – Bad Cop“. Die CGT übernimmt es, die Pläne heftig zu kritisieren und den Widerstand in wirkungslosen Protestaktionen gegen Macrons Arbeitsdekrete zu verschleißen. Gleichzeitig treten die anderen großen Gewerkschaft, die CFDT und die FO, deutlich gemäßigter auf und betreiben eine offene Klassenkollaboration.

Auch in Großbritannien baut PSA massiv Arbeitsplätze ab. In den britischen Vauxhall-Werken wurden schon vor Weihnachten 400 Stellen im Werk Ellesmere Port bei Liverpool gestrichen, weitere 250 Stellen kommen jetzt hinzu, und ab dem 1. April wird dort die zweite Schicht abgeschafft. Damit wird mehr als jeder dritte der bisher 1870 Arbeitsplätze des Konzerns im Königreich zerstört.

Betroffen ist auch das größte osteuropäische Werk im polnischen Gliwice. Dort arbeiten bisher 3000 Autobauer, doch ab Anfang Februar wird die dritte Schicht ganz gestrichen. Arbeitsplätze sind auch in Tychy (Polen), Szentgotthard (Ungarn), Saragossa (Spanien) und Aspern (Österreich) bedroht.

Tavares setzt sehr bewusst auf die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Weit davon entfernt, die Arbeiter zu gemeinsamen Kampfaktionen aufzurufen, sind diese vollkommen auf die jeweils nationalen Standorte konzentriert.

So fordert die britische Gewerkschaft Unite in hysterischem Ton regelrechte Handelskriegsmaßnahmen gegen die Konzernmutter aus Frankreich. Unite-Generalsekretär Len McCluskey schrieb auf Twitter, er werde Tavares noch im Januar in Paris aufsuchen. „Ich werde dem PSA-Boss Carlos Tavares kristallklar sagen: Sollte es irgendeinen Versuch zur Schließung des Vauxhall-Werks Ellesmere Port geben, dann werden wir dafür sorgen, dass es mit ihrem Markt in den UK ein für alle Mal Schluss ist“, sagte McCluskey.

In Deutschland zeichnet sich die IG Metall durch eine besondere Vasallentreue aus. Schon als General Motors vor knapp einem Jahr, Anfang Februar 2017, Verhandlungen mit der PSA Group über eine Opel/Vauxhall-Übernahme aufnahm, beeilten sich die Gewerkschaftsvertreter, mit dem neuen Konzernherrn Tavares eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufzubauen, wobei „vertrauensvoll“ bedeutet: hinter dem Rücken der Belegschaft.

IG Metall-Chef Jörg Hofmann und Opel-Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug trafen sich vom ersten Tag an immer wieder mit Tavares und nehmen seither regelmäßig an Geheimgesprächen mit der Konzernleitung teil, über die sie kein Sterbenswörtchen nach außen dringen lassen.

Was Tavares seinerseits betrifft, so rühmte er vom ersten Tag an die „Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern und das gute Verhältnis zu ihnen“ und versprach, dies „zu einem klaren Wettbewerbsvorteil zum Wohle des Unternehmens zu machen“. Die PSA-Group passe „wie angegossen zur deutschen Mitbestimmung“. Es ist klar, dass die so genannten „Arbeitnehmervertreter“ um Wolfgang Schäfer-Klug und im IG Metall-Vorstand bereit sind, die Arbeitsplätze und den Lebensstandard von tausenden von Arbeitern in ganz Europa der Profitgier der Aktionäre zu opfern.

Wie die World Socialist Web Site schon im Februar 2017 schrieb, „stehen die amerikanischen, britischen, französischen und deutschen Autobauer vor der Notwendigkeit, gemeinsam zu kämpfen, um Werkschließungen, Entlassungen und weitere Angriffe zu verhindern“.

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