Wut und Streikbereitschaft der Metallarbeiter am Beispiel der Opel-Werke

Am heutigen Mittwoch befinden sich tausende Metallarbeiter in einem 24-stündigen Warnstreik.

Die IG Metall hat eine halbherzige Forderung nach einer Lohnerhöhung von 6 Prozent aufgestellt, von der sie in den Verhandlungen bereits abgerückt ist. Außerdem fordert sie eine freiwillige, familienfreundliche Arbeitszeitverkürzung auf 28 Stunden – was die Unternehmer mit der Forderung nach Arbeitszeitverlängerungen auf 40 oder gar 42 Stunden kontern. Im Prinzip versuchen die Konzernmanager gerade, den Ausstieg auf der 35-Stunden-Woche durchzusetzen.

Die IG Metall reagiert mit ihren Streiks auf eine Stimmung in den Betrieben, die man nur als aufgebracht bezeichnen kann. Millionen Arbeiter sind bereit, den Kampf aufzunehmen, da die Konzerne mit Hilfe der gewerkschaftlichen Betriebsräte ihre Arbeitsplätze, Rechte und Löhne seit Jahren systematisch angreifen.

Schichtwechsel bei Opel

Beispielhaft dafür ist die Situation im Opel-Konzern. Vor einem Jahr hat die frühere Konzernmutter General Motors die Opel-Werke zusammen mit Vauxhall an den PSA-Konzern (Peugeot-Citroen) verkauft, und nach und nach kommen die Einzelheiten des Deals namens „Pace“ ans Licht. Dazu gehören die Einführung von Kurzarbeit in allen Betrieben und der schrittweise Abbau der Leiharbeiter.

Zum Jahresbeginn ist in Rüsselsheim schon 125 Leiharbeitern gekündigt worden, was für viele Arbeiter, auch langjährige Opelaner, als ein Schock kommt. So kommentieren die Opel-Arbeiter den Tarifkampf der IG Metall mit höchst gemischten Gefühlen.

„Natürlich brauchen wir eine Lohnerhöhung“, sagt Heiner (41), ein Arbeiter der Stammbelegschaft, der seit Januar Kurzarbeit fahren muss. „Hier bei Opel verlieren wir jede Woche 6½ Stunden, das macht sich schon bemerkbar.“

Auf die Frage nach seiner Meinung zum Tarifkampf der IG Metall sagt Heiner: „Ich bezahle jetzt seit 17 Jahren meinen Beitrag für die IG Metall. Sie haben uns ja letzte Woche schon auf die Straße geholt [damit meint er die Warnstreiks]. Ehrlich gesagt, wird aber nicht wirklich deutlich, was sie vorhaben, und wie sie unsere Löhne und Arbeitsplätze schützen wollen.“

„Uns hier bei Opel holen sie wahrscheinlich gar nicht zu einem richtigen Streik raus“, meint sein Kollege. „Dafür ist unsere Lage viel zu brisant.“ Er berichtet, dass die Arbeiter erst nach und nach alle Einzelheiten des Umstrukturierungsplanes „Pace“ erfahren, den der Betriebsrat gemeinsam mit der Werksleitung ausgearbeitet hat. „Jetzt erst erfahren wir mehr und mehr Details. Jetzt sollen die Leiharbeiter alle gehen. Das ist völlig ungerecht.“

Ein Kollege sagt: „Wir sind hier sehr skeptisch, denn der Betriebsrat schenkt uns nicht reinen Wein ein. Es war klar, dass es mit der PSA-Übernahme Veränderungen geben werde, aber dass es nun so dicke kommt, das hat doch viele überrascht.“

Ernesto, ein älterer Opelaner, meint zur Tarifforderung: „Die Forderung nach 6 Prozent ist okay, das ist das Mindeste, was man fordern muss, um überhaupt was zu kriegen. Was hier die Situation bei uns betrifft, so muss man leider sagen, dass die Lage seit der Opel-Übernahme völlig verworren ist, und wir werden auch nicht sachlich aufgeklärt.“

Giovanni (58) arbeitet schon fast vierzig Jahre bei Opel. Zum Tarifkampf sagt er: „Wir sind es ja hier bei Opel gewohnt, dass man uns am Ende immer was abzieht.“ Er erklärt: „Das müssen mittlerweile schon mindestens 20 Prozent sein, die wir weniger kriegen als normal. Denn jedes Mal müssen wir was abgeben, nach jeder Tarifeinigung sind es mindestens ein oder anderthalb Prozent, worauf wir verzichten müssen. Das summiert sich in all den Jahren.“

„Wenn wir das volle Geld hätten“, fügt er hinzu, „dann hätte ich auch nicht lange überlegt, als sie mir anboten, in die Frührente zu gehen.“ Er wisse jedoch gar nicht, was da auf ihn zukomme.

Giovanni erinnert sich an den Arbeitskampf vor über dreißig Jahren, als es im Westen um die 35-Stunden-Woche ging: „Ich habe den Kampf für die 35-Stunden-Woche mitgemacht. Das hat sich damals ganz gut angehört: Alle arbeiten weniger, bei vollem Lohnausgleich, und alle bleiben hier. Das Ziel war gut, es wurde aber niemals richtig umgesetzt.“

Dann erklären zwei Leiharbeiter, Halil und Ahmet, wie sie die Lage sehen. Die zwei sind Cousins, und beide fühlen sich jetzt, nach den ersten Entlassungen der Leiharbeiter, unsicher und bedroht. „Man kann der IG Metall nicht vertrauen“, ist Halils Fazit. „Ich bin gleich nach meiner Einstellung in die IG Metall eingetreten, weil alle meine Kollegen hier auch Mitglied waren – aber es zeigt sich, dass sie uns fallenlassen.“

Der Abbau der Leiharbeiterstellen bei Opel – das ist eine „Unverschämtheit“, erklärt Ahmet. Er hat zuerst in der Bankbranche gearbeitet, hat dort eine Ausbildung gemacht, und sein Cousin war vorher Koch, ehe er Produktionsarbeiter am Band bei Opel wurde. „Das war eine krasse Umstellung, das können Sie glauben. Der Lärm und Stress, die Schnelligkeit, die hier vorherrscht, das geht auf die Gesundheit. Man kommt hier deutlich kaputter raus, als wenn man woanders arbeitet.“

„Man hat es für die Familie, für unsre Kinder gemacht“, sagt Halil, „und der Lohn ist okay.“ Er sei jedoch sehr enttäuscht, dass jetzt schon so viele Leiharbeiter entlassen werden. „Ich sehe darin auch ein Problem der Politiker, auch der SPD“, erklärt Ahmet. „Sie kümmern sich nicht darum, diese Rechtlosigkeit abzuschaffen. Sie richten sich nach ihren Interessen und öffnen den Großkonzernen die Tür, tanzen nach deren Pfeife. Die Arbeiter bleiben auf der Strecke.“

Auch Markus, ein Industriemeister, ist seit anderthalb Jahren als Leiharbeiter bei Opel, hat sich aber mittlerweile selbst eine andere Stelle gesucht. „Ich hatte schon die Hoffnung, dass die mich hier übernehmen, aber seitdem wir jetzt zu PSA gehören und sie mit der Umstrukturierung begonnen haben, hat es sich geändert. Viele meiner Kollegen wurden schon entlassen, in meinem Bereich sind es zehn.“

Zur IG Metall sagt er: „Ich war mal selbst in der IG Metall, aber heute nicht mehr. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie wirklich meine Interessen vertreten. Jetzt zum Beispiel setzen sie voll auf die Sache mit der kürzeren Arbeitszeit, wo ich und andere im Prinzip vor allem eine feste, zuverlässige Arbeit brauche, von der ich leben kann.“

Ein weiterer Leiharbeiter kommt herzu, und er macht seiner Wut Luft: „Ich habe mir vor einem halben Jahr einen Opel gekauft, aber jetzt bin ich bald an dem Punkt, wo ich ihn am liebsten anzünden würde. 125 Leiharbeiter haben sie schon nach Hause geschickt, und mindestens weitere 250 sind auf HOLD gestellt, d.h. sie haben keine Ahnung, ob sie im Sommer noch einen Job haben.“

Zu den Forderungen der IG Metall im Tarifkampf sagt er: „Das kommt mir total künstlich vor, denn wenn man sich die Forderungen genau betrachtet, dann gehen sie total an den wirklichen Problemen im Betrieb vorbei.“

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