Der scheinheilige, feige Ausschluss Roman Polanskis aus der Academy of Motion Picture

Samantha Geimer, sein Opfer von 1977: „Das ist hässlich und grausam.“

Am 1. Mai hat die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) die Entscheidung getroffen, den polnisch-französischen Filmregisseur Roman Polanski auszuschließen. Der scheinheilige und feige Entschluss ist der vorerst letzte Akt in der sexuellen Hexenjagd, die im Oktober letzten Jahres begonnen hat.

Polanski hatte sich 1977 schuldig bekannt, illegal Sex mit der 13-jährigen Samantha Gailey (heute Geimer) gehabt zu haben. Er verbrachte 42 Tage im Gefängnis und unterzog sich einer psychiatrischen Untersuchung. Nach einer gerichtlichen Absprache gingen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung davon aus, dass der Regisseur Bewährung erhalten würde. Ein rachsüchtiger Richter, der grob ungesetzlich handelte, drohte Polanski jedoch, er werde die Vereinbarung aufheben und ihn für lange Jahre ins Gefängnis stecken. Da floh der Regisseur aus den Vereinigten Staaten.

Roman Polanski 2013 (Bild: Georges Biard)

Jetzt hat die Akademie den Ausschluss Polanskis bekanntgegeben. Gleichzeitig schließt sie auch den Schauspieler und Komiker Bill Crosby aus. Die Entscheidung sei „in Übereinstimmung mit den Verhaltensstandards der Institution“ getroffen worden, wie es heißt. Und weiter: „Der Vorstand fordert weiterhin die Einhaltung ethischer Standards, die von den Mitgliedern die Achtung der Menschenwürde verlangen.“

Was für ein schmutziges Geschäft. Die erhabene Einrichtung, die sich pompös „Akademie“ nennt, wurde 1927 von dem Produzenten Louis B. Mayer gegründet und verfolgte nach der Einschätzung mehrerer Historiker den ausschließlichen Zweck, durch die Einrichtung einer „gelben Gewerkschaft“ eine echte Vertretung der Beschäftigten zu unterlaufen und dem politischen Radikalismus in Hollywood entgegen zu treten.

Später spielte sie eine entscheidende Rolle bei der antikommunistischen Hexenjagd und den Säuberungsaktionen der 1940er und 1950er Jahre. Unter anderem verabschiedete die Akademie eine besondere Verordnung, die diejenigen boykottierte, die sich weigerten, mit dem Komitee für Unamerikanische Umtriebe (HUAC) zusammenzuarbeiten. Sie konnten dann keinen Oskar mehr erhalten. Diese skandalöse Maßnahme wurde erst Ende der 1950er Jahre aufgehoben.

In dieser Branche, die für ihre Rücksichtslosigkeit und Unlauterkeit berüchtigt ist, hat die Akademie noch nie jemanden wegen Diebstahls oder Korruption gemaßregelt, und niemals ist es vorgekommen, dass jemand boykottiert oder ausgeschlossen worden wäre, weil er die Beschäftigten schlecht behandelt hätte. Auch wurde kein Mitglied je ausgeschlossen, weil es die Hexenjagd der Regierung, das Militär oder die CIA unterstützte. Aber bei Roman Polanski, einem hervorragenden Filmemacher unsrer Zeit, haben die Moralapostel der AMPAS in Übereinstimmung mit ihren „Werten zur Achtung der Menschenwürde“ ein Exempel statuiert. Das ist etwa so wie ein Plakat an der Wand eines Bordells mit der Aufschrift „Hygiene ist unsere einzige Sorge“.

Wie Polanskis Anwalt Harland Braun erklärte, wird der Regisseur gegen die Entscheidung Berufung einlegen. Laut Vanity Fair teilte er mit: „Wir wollen einen fairen Prozess. Das ist doch von der Akademie nicht zu viel verlangt … Sie hätten Polanski über die Vorwürfe in Kenntnis setzen müssen und ihm zehn Tage Zeit geben müssen, seine Sicht der Dinge darzustellen. Es ist wirklich eine Katastrophe, dass sie nicht einmal ihre eigenen Regeln befolgen.“ Weiter heißt es in dem Magazin: „Braun sagte, er habe schon vom Plan der Akademie gehört gehabt, die Frage von Polanskis Mitgliedschaft aufzuwerfen. Er sei bereit gewesen, Polanskis Standpunkt vor dem Vorstand zu vertreten, und wollte dabei auch Aussagen des Opfers von 1977, Samantha Geimer, vorlegen.“ Der AMPAS-Vorstand zog es aber offenbar vor, keine begründeten Argumente gegen die überstürzte und unfaire Entscheidung anzuhören.

Tatsächlich gab die heute 55jährige Geimer die beste Antwort auf die Entscheidung der Akademie, als sie diese „hässlich und grausam“ nannte: „Diese Maßnahme kratzt nur an der Oberfläche … An der sexistischen Kultur, die heute in Hollywood herrscht, ändert sie nichts. Sie beweist nur, dass die Herren sich notfalls selbst gegenseitig verzehren, um zu überleben. Ich sage zu Roman, sei froh, dass du sie los bist. Die Akademie hat keine wirkliche Ehre, ihr geht es nur um PR.“ Geimer meinte dann kurz und bündig: „Die Akademie ist nur ein Haufen Knalltüten.“

Der 84jährige Polanski hat in seiner Laufbahn eine große Anzahl wichtiger Filme gedreht, wie Das Messer im Wassser, Wenn Kattelbach kommt, Rosemary’s Baby, Macbeth, Chinatown, Der Mieter, Tess und Der Pianist. Er ist ein ausgesprochen ehrlicher Chronist der Traumata der Mitte des 20. Jahrhunderts, und diese Fähigkeit hat er sich durch bittere Erfahrungen erworben.

Als Kind erlebte Polanski 1942–1943 die Deportation der jüdischen Bevölkerung Krakaus in die Konzentrationslager. Er selbst konnte diesem Schicksal nur knapp entkommen. Sein Vater überlebte ein Lager, seine Mutter starb in Auschwitz. Jahre später wurde Polanskis schwangere Frau, die Schauspielerin Sharon Tate, 1969 in ihrem Haus in Los Angeles von Mitgliedern der Manson-Familie ermordet, als der Regisseur gerade in Europa war.

Polanski hat für seine Filme alle wichtigen Auszeichnungen der Branche und Festival-Preise gewonnen: den silbernen Bären des Berliner Filmfestivals, einen Oskar, einen Golden Globe, zahlreiche Preise der BAFTA (British Academy of Film and Television Art), den César der französischen Akademie für Filmkunst und Technik, die Goldene Palme von Cannes und viele weitere mehr.

Schon 2009 war Polanski in der Schweiz verhaftet worden, und ihm drohte die Abschiebung in die USA. Die Wiederaufnahme seiner Verfolgung durch die Behörden in den USA und Los Angeles entspringt im Wesentlichen der Rachsucht und politischen Bösartigkeit.

Die WSWS bemerkte damals: „Die Verleumdungskampagne gegen Roman Polanski, der zurzeit in der Schweiz inhaftiert ist, und der Kampf für seine Auslieferung an die USA wird zum Kristallisationspunkt für eine Hetze gegen alle Künstler, Intellektuellen, Nonkonformisten und so genannte ‚Hollywood-Liberale‘. Hinter der Forderung, dass ‚der Gerechtigkeit Genüge getan werden muss‘ und ‚niemand über dem Gesetz stehen darf‘, steht eine reaktionäre gesellschaftliche und ideologische Agenda. Wer immer mit dem Gedanken spielt, sich dieser Kampagne anzuschließen, sollte sich gut überlegen, wohin das führt. Eine Koalition von Rechten und ‚feministischen Liberalen‘ hat sich hier gefunden, die zu wüstester Demagogie und zu den übelsten Beschuldigungen fähig ist.“ Diese Allianz, die sich 2009 erst herausbildete, hat sich im Rahmen der #Me Too-Kampagne voll entfaltet.

Die Entscheidung des AMPAS-Vorstands, Polanski auszuschließen, der 40 Jahre lang, seit er sich 1977 schuldig bekannte, immer Mitglied geblieben war, ist eine Kapitulation vor der #Me Too-Bewegung, einer aggressiven Kampagne einer Schicht wohlhabender Frauen in Hollywood, denen es um mehr Privilegien und Macht geht.

Vor 15 Jahren erhielt Polanski einen Oskar für Der Pianist. Dazu schrieb Associated Press: „Die Zuschauer der Oskar-Verleihung 2003 zollten dem abwesenden Polanski für seinen Sieg eine herzliche stehende Ovation. Unter ihnen befanden sich [Harvey] Weinstein, Martin Scorsese und Meryl Streep. Vor neun Jahren, als Polanski in Zürich verhaftet wurde, und als US-Behörden versuchten, seine Auslieferung zu erreichen, unterschrieben 100 Prominente eine Petition für seine Freilassung, darunter Woody Allen, Weinstein, Scorsese, Steven Soderbergh, Darren Aronofsky, Natalie Portman, David Lynch, Penelope Cruz und Tilda Swinton.“

Nichts hat sich verändert. Die Verfolgung Polanskis ist nach wie vor politisch motiviert. Aber der Liberalismus in Hollywood ist weiter nach rechts gerückt und hat es weitgehend aufgegeben, auch nur formal für demokratische Rechte einzutreten.

Die Akademie gab nicht bekannt, mit welchem Abstimmungsergebnis sie Polanski am 1. Mai ausschloss. Dem 55-köpfigen Vorstand gehören je drei Mitglieder der 17 Niederlassungen an, unter anderen die Schauspielerinnen Laura Dern (eine fanatische #Me Too-Anhängerin), Whoopy Goldberg und der Schauspieler Tom Hanks, die Regisseure Michael Mann und Steven Spielberg und die Produzentin Kathleen Kennedy, Präsidentin von Lucas-Film. Kennedy schlug im vergangenen Oktober vor, eine Kommission einzusetzen, die sexuelle Belästigungen untersuchen und gegen sie vorgehen soll, eine Art Komitee für unamerikanische sexuelle Umtriebe.

Samantha Geimer hat, wie oben erwähnt, die vernünftige Meinung der großen Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung ausgedrückt, die nicht von Fragen der Hautfarbe und des Geschlechts besessen ist.

Es ist ein ganz bestimmter sozialer Typus, der jetzt nach Polanskis Blut schreit. So kommt zurzeit in der New York Times und im Guardian die Stimme von erbärmlichen Moralisten der oberen Mittelschicht zu Wort. Diese Leute haben mit den Massenmorden und Zerstörungen in Libyen, Syrien und im Jemen kein Problem, solange sie im Namen der „Menschenrechte“ oder der „Frauenrechte“ durchgesetzt werden. Bei dem Gedanken an Polanski aber sehen sie rot und wollen ihn für Jahre hinter Gittern bringen.

So lesen wir auch in einem Artikel der Kolumnistin des Guardian, Barbara Ellen („Wer Roman Polanskis Verfolgung beklagt, ermöglicht die Taten eines Weinstein“) einen Artikel im Stil McCarthys, der darauf abzielt, jeden Gegner des sexuellen Feldzugs einzuschüchtern. Ellen schreibt: „Man darf nicht ignorieren, wohin das, was einem Polanski zugestanden wurde, in direkter Linie geführt hat, und dass es Jahre später einen Weinstein glauben machte, ihm sei alles erlaubt. Wer Polanski irgendeine Art von Sympathie oder Unterstützung entgegenbringt, weil er angeblich ‚verfolgt‘ wird, der muss sich auch dazu gratulieren, dass er solche rücksichtslosen Typen wie Weinstein ermutigt hat. Also ein Bravo der Akademie für ihren verspäteten Aufschrei, Polanski auszuschließen.“

Geimers treffende Bemerkung über den Vorstand der Academy of Motion Picture Arts and Sciences trifft auch auf die Kolumnistin des Guardian zu.

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