Flüchtlingskinder in den USA schwer misshandelt

Juristische Unterlagen, die in Virginia und Texas veröffentlicht wurden, bieten einen Einblick in die systematische Misshandlung von Flüchtlingskindern in öffentlichen und privaten Haftanstalten. Minderjährige werden angeschnallt, mit Kapuzen vermummt und geschlagen oder gewaltsam mit Psychopharmaka vollgepumpt. Sie sieht der Alltag in diesen Einrichtungen aus, die man nur als amerikanischer Gulag bezeichnen kann.

Ein Bericht der Nachrichtenagentur Associated Press, der am Donnerstag veröffentlicht wurde, beschreibt die Misshandlung junger Migranten aus Lateinamerika in einer Jugendhaftanstalt im Bundesstaat Virginia. Es handelt sich um das Shenandoah Valley Juvenile Center in der Nähe von Staunton. Die Anwälte der jugendlichen Opfer habe Klage gegen das Gefängnis eingereicht – eine staatliche Einrichtung, die von einem Konsortium aus sieben Kommunen im Shenandoah-Tal betrieben wird. Eine gerichtliche Anhörung ist für Juli angesetzt.

Beim zuständigen Bundesgericht für den Western District of Virginia wurde ein halbes Dutzend Aussagen eingereicht, die unter Eid auf Spanisch abgegeben und dann übersetzt worden sind. Daraus geht hervor, dass Kinder, die gerade einmal 14 Jahre alt waren, in Handschellen gelegt und geschlagen, nackt und mit Kapuzen über den Kopf an Stühle gefesselt und für lange Zeit in Einzelhaft gehalten wurden, auch dies manchmal nackt und frierend.

Solche Foltermethoden, in Guantanamo Bay und in CIA-Foltergefängnissen auf der ganzen Welt praktiziert, werden nun in die Vereinigten Staaten selbst übertragen und gegen Einwandererkinder eingesetzt, die von der Trump-Administration dämonisiert werden.

In der Klage, die vom gemeinnützigen „Washington Lawyers' Committee for Civil Rights and Urban Affairs“ eingereicht wurde, heißt es, dass junge Latino-Immigranten, die in Shenandoah festgehalten werden, „verfassungswidrigen, erschütternden Bedingungen ausgesetzt sind: Gewalt durch Mitarbeiter, missbräuchliche und unverhältnismäßige Einzelhaft und sonstige Beschränkungen sowie Verweigerung notwendiger psychologischer Behandlung“. Durch „böswillige und sadistische Gewaltanwendung“ hätten die Jugendlichen „erhebliche körperliche und seelische Verletzungen davongetragen“.

Ein honduranischer Jugendlicher, der mit 15 Jahren in Shenandoah eingesperrt wurde, berichtet: „Immer, wenn sie mich festhielten und auf den Stuhl setzten, legten sie mir Handschellen an....[Sie] fesselten mich von den Füßen bis hoch zur Brust, ich konnte mich kaum noch bewegen... Sie haben die totale Kontrolle über dich. Sie ziehen einem auch einen Sack über den Kopf. Er hat kleine Löcher, durch die man hindurchsehen kann. Darunter fühlt man sich, als müsse man ersticken.“

Ein 15-Jähriger aus Mexiko, der neun Monate in Shenandoah verbrachte, schildert eine ähnliche Behandlung.

„Sie fesselten mich mit Handschellen und zogen mir eine Art weiße Tüte über den Kopf“, berichtete er in seiner eidesstattlichen Aussage. „Sie zogen mir alle Kleider aus und setzten mich auf einen Fesselstuhl, an dem sie meine Hände und Füße festzurrten. Außerdem spannten sie mir einen Gurt über die Brust. Sie ließen mich zweieinhalb Tage lang allein nackt und gefesselt auf diesem Stuhl sitzen, auch nachts.“

Ein 14-jähriger Jugendlicher aus Guatemala sagt, dass er häufig bis zu 23 Stunden am Tag in seiner winzigen Zelle eingesperrt und dabei über lange Zeitspannen fixiert wurde. „Wenn sie eines der Kinder nicht dazu bringen konnten, sich zu beruhigen, setzten uns die Wachen auf einen Stuhl – einen Sicherheitsstuhl, ich weiß nicht, wie sie es nennen – und ließen uns einfach den ganzen Tag dort sitzen“, erklärte er unter Eid. „Das ist mir passiert, und ich habe auch gesehen, wie es anderen passierte. Das ging die ganze Zeit so.“

Ein 17-Jähriger, der aus Mexiko geflohen war, um der Misshandlung durch seinen Vater und der Gewalt eines Drogenkartells zu entkommen, wurde an der US-Grenze festgenommen und durchlief mehrere Haftanstalten, bevor er in Shenandoah landete. Shenandoa ist eine von drei Einrichtungen in den Vereinigten Staaten, die Verträge mit dem Office of Refugee Resettlement“ (ORR) geschlossen haben – einer Behörde, die für die „sichere Unterbringung“ junger Einwanderer zuständig ist. Der Junge wurde häufig gefesselt, meist mit Stoffbändern, und berichtet von mindestens einer gewaltsamen Leibesvisitation und wiederholten Schlägen. Er hat mehrere Selbstmordversuche hinter sich.

Weitere Vorwürfe lauten, dass die lateinamerikanischen Jugendlichen schlechtere Lebensmittel und Unterkünfte erhielten als die einheimischen, zumeist weißen Häftlinge, und dass ihre Mahlzeiten häufig kalt und unzureichend waren, sodass die Kinder hungrig blieben.

AP interviewte eine namentlich nicht genannte Expertin für kindliche Entwicklung, die Jugendliche in Shenandoah betreut hat. „Die Mehrheit der Kinder, die wir besuchten, wurden emotional und verbal misshandelt. Einem Kind, das ich betreute, war der Fuß von einer Wache gebrochen worden“, berichtet sie. „Sie wurden monatelang in Isolationshaft gesteckt, weil sie z.B. einen Bleistifts in die Hand genommen hatten, obwohl ein Wärter gesagt hatte, sie dürften sich nicht rühren. Einige von ihnen begannen Stimmen zu hören, die ihnen sagten, sie sollten andere oder sich selbst verletzen, und ich wusste, dass sie bei ihrer Ankunft in Shenandoah keine Gewaltvorstellungen hatten.“

Da es sich bei den in Shenandoah festgehaltenen Kindern um unbegleitete Minderjährige handelte, die folglich nicht von ihren Familien getrennt worden waren, wurden sie in den Medien bisweilen als Bandenmitglieder hingestellt, die eine brutale Behandlung verdient hätten. Aber dem AP-Bericht zufolge erklärte ein führender Mitarbeiter der Einrichtungen, dass die Zugehörigkeit zu Banden bei den Jugendlichen ausgeschlossen worden sei. In Wirklichkeit litten sie an psychischen Problemen, weil sie in ihrem Herkunftsländern traumatisiert worden waren.

An den Folterungen waren mehrere Wachen beteiligt. Die Einrichtung wird zwar auf regionaler Ebene betrieben, unterliegt aber der Aufsicht des Bundesstaats, der im gesamten fraglichen Zeitraum von Gouverneur Terry McAuliffe, einem Demokraten, regiert wurde. Der neue Gouverneur Ralph Northam, ebenfalls Demokrat, der sein Amt am 1. Januar antrat, ordnete eine staatliche Untersuchung der Misshandlungsvorwürfe an – allerdings erst, nachdem der AP-Bericht erschienen war.

Laut einem Bericht des Center for Investigative Reporting, der am Dienstag in der Texas Tribune erschien, fielen selbst kleine Kinder den Misshandlungen zum Opfer. Entsprechende Vorwürfe werden in einer Klage des Center for Human Rights & Constitutional Law näher ausgeführt.

Darin wird der Vorwurf erhoben, dass das Shiloh Treatment Center im texanischen Manvel Einwandererkindern, die z.T. an der Grenze von ihren Eltern getrennt worden waren, Psychopharmaka verabreichte. Weder die Kinder, die teilweise erst neun Jahre alt waren, noch die Eltern hatten einer solchen Medikation zugestimmt, und in einigen Fällen wurde sie schreienden, sich heftig wehrenden Kindern gewaltsam eingeflößt.

So heißt es u.a.: „Einige Kinder, die in Shiloh festgehalten wurden, berichteten, dass sie bis zu neun verschiedene Pillen am Morgen und sechs am Abend erhielten, darunter Antipsychotika, Antidepressiva, Parkinson-Medikamente und Arznei gegen Krampfanfälle. Ihnen wurde gesagt, sie würden inhaftiert bleiben, wenn sie die Medikamente nicht nehmen wollten, so die Klageschrift. Die Kinder sagten auch aus, dass sie nach der Einnahme der Medikamente Nebenwirkungen verspürten, müde waren und nicht mehr laufen konnten.“

In der Klageschrift heißt es weiter: Die Behörde verabreicht den Kindern ohne rechtmäßige Genehmigung routinemäßig Psychopharmaka... Wenn Jugendliche die Einnahme solcher Medikamente ablehnen, zwingt die Behörde sie dazu. Sie holt vor der Behandlung eines Kindes weder die Einwilligung eines Elternteils ein, noch ersucht sie einen Vormund um eine ordentliche Genehmigung. Stattdessen unterschreibt die Behörde oder das Personal der Einrichtung ‚Einverständnis‘-Formulare, mit denen sie sich selbst die ‚Befugnis‘ zur Verabreichung von Psychopharmaka an eingesperrte Kinder erteilt.“

Die sieben Medikamente, die in den juristischen Unterlagen genannt werden – Clonazepam, Duloxetin, Guanfacin, Geodon, Olanzapin, Latuda und Divalproex – werden zur Bekämpfung von Depressionen, Angstzuständen, Aufmerksamkeitsstörungen, bipolaren Störungen, Stimmungsstörungen, Schizophrenie und Anfällen eingesetzt. Die Behandlung der Kinder bestand in der Anwendung von „chemischen Zwangsjacken“, um sie gefügig zu machen, und war medizinisch nicht angezeigt, so die Klageschrift.

Entsprechend dem Bericht der investigativen Reporter zahlte die Behörde 3,4 Mrd. Dollar an private Organisationen, die Immigrantenkinder in Haft halten. Fast die Hälfte davon, 1,5 Mrd., ging zu 13 Firmen, denen Hunderter schwerer Verstöße gegen ihre Fürsorgepflicht vorgeworfen werden. Hierzu zählen die Verweigerung ärztlicher Behandlung bei Unfällen oder Krankheiten, „unangemessener Kontakt“ zwischen Kindern und Mitarbeitern (offenbar sexueller Art) und Vernachlässigung.

Diese Berichte über furchtbare Misshandlungen unschuldiger Kinder werfen nicht nur ein Schlaglicht auf die Brutalität und den Sadismus einzelner Wachen, Verwalter und sonstiger Beamter, sondern auch auf die Gier der Unternehmenschefs, die sich an der Inhaftierung und dem Missbrauch von Einwanderern bereichern.

Vor allem wird zeigen sie den verbrecherischen Charakter der amerikanischen politischen Elite, Demokraten wie Republikaner, die bewusst eine Atmosphäre der Brutalität und des Terrors schüren, um Einwanderer an der Grenze zu Mexiko „abzuschrecken“. Das gilt nicht nur für den der soziopathischen Tyrannen, der heute im Weißen Haus sitzt, sondern auch für seinen Vorgänger von dem Demokraten, der für mehr Abschiebungen verantwortlich ist als jeder frühere Präsident.

Der Chef des Heimatschutzministeriums unter Obama, Jeh Johnson, erklärte, die Inhaftierung von zentralamerikanischen Asylsuchenden und die Trennung von Eltern und Kindern habe sich positiv ausgewirkt, da sich der Zustrom von Flüchtlingen im Jahr 2014 unversehens verringert habe. Terry McAuliffe, ein langjähriger Vertrauter Hillary Clintons, war als Gouverneur von 2014 bis 2017 für die Folterung von eingewanderten Jugendlichen in Shenandoah verantwortlich.

Der Wechsel von Obama zu Trump hat die seit jeher antidemokratische und brutale Politik der herrschenden Klasse gegenüber Immigranten nicht grundlegend verändert. Aber in den Händen von Trump und seinem faschistischen Handlanger Stephen Miller ist die Brutalität systematischer geworden. Sie wird von einer Kampagne begleitet, die darauf abzielt, Rassismus und Hysterie zu schüren. Die Vereinigten Staaten würden Gefahr laufen „überrannt zu werden“, wie Trump auf einer Kundgebung am Mittwochabend in Minnesota verkündete.

Entsprechend einem Bericht im Wall Street Journal hat die Trump-Regierung Anfang des Jahres mehrere Verträge im Wert von Dutzenden Millionen Dollar für den Bau von Kinderhaftanstalten vergeben. Dies unterstreicht, dass die massenhafte Trennung von Kindern und Eltern im Zuge der „Null-Toleranz“-Politik von Generalstaatsanwalt Jeff Sessions kein unerwartetes Nebenprodukt der neuen Politik, sondern geplant und überlegt ist. Es handelt sich um ein vorsätzliches Verbrechen: die staatliche Entführung von mehr als 2.400 Kindern. Trump, Sessions, Stephen Miller, Kirstjen Nielsen und andere Spitzenbeamte gehören vor Gericht gestellt und hinter Gitter.

Weit davon entfernt, diese Politik aufzugeben – wie die Medien nach Trumps Anordnung vom letzten Mittwoch behaupteten – bereitet sich das Weiße Haus darauf vor, die Massenverhaftung von Einwanderern einschließlich Kindern zu verstärken. Ein Pentagon-Sprecher erklärte am Donnerstag, dass Militärstützpunkte in Texas und in Arkansas als mögliche Standorte für die Unterbringung von bis zu 20.000 Immigrantenkindern geprüft würden – das ist das Doppelte der momentan Betroffenen.

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