Perspektive

„Haltet eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen fern...“

Trump-Regierung führt Zwei-Klassen-Einwanderungssystem ein

Am Samstagabend kündigte die US-Regierung unter Präsident Donald Trump stillschweigend eine Änderung der Einwanderungsbestimmungen an. Immigranten, deren Familien Sozialprogramme in Anspruch genommen haben, sollen effektiv daran gehindert werden, einen legalen Status zu erhalten.

Diese Änderung, die nach einer 60-tägigen öffentlichen Pro-forma-Kommentarfrist in Kraft treten wird, ist ein monumentaler Angriff auf die internationale Arbeiterklasse. Die explizite Institutionalisierung eines Einwanderungssystems, das auf Klassen beruht, markiert einen Wendepunkt und wird die sozialen Beziehungen erheblich zugunsten der Reichen verschieben.

Die neue Richtlinie bezeichnet alle undokumentierten Einwanderer, die jemals Geld- oder Sachleistungen in Anspruch genommen haben, als „public charge“, also als Last für die öffentlichen Kassen. Immigranten, die zur Arbeiterklasse zählen und deren Familien Sozialleistungen wie Lebensmittelkarten, Wohnungsbeihilfe oder Sozialwohnungen nach dem Housing Act von 1937, Medicaid oder Gesundheitszuschüsse nach Medicare Part D erhalten haben, werden nun in die permanente Illegalität verbannt.

Nach der neuen Regelung gilt ein Einkommen, das unter 125 Prozent der Armutsgrenze (31.400 Dollar im Jahr für eine vierköpfige Familie) liegt, als „negativer Faktor“ bei der Prüfung einer Green Card oder eines Visumsantrags. Ein Einkommen von über 250 Prozent der Armutsgrenze wird hingegen als „stark positiver Faktor“ gewertet. Mit anderen Worten: Wohlhabenden Immigranten sind Reisen und Einwanderung erlaubt, während die Arbeiterklasse gezwungen wird, ein Schattendasein zu führen.

Millionen Arbeiter werden von den Änderungen betroffen sein. Knapp 10 Millionen undokumentierte Arbeiter haben bereits Leistungen, die in den Bestimmungen genannt werden, bezogen. Die meisten von ihnen flohen vor bitterer Armut und Gewalt in ihren Ländern, die vom US-Imperialismus verwüstet worden waren.

Darüber hinaus werden wahrscheinlich fast alle nicht eingebürgerten Immigranten – einschließlich derer, die bereits einen legalen Daueraufenthaltsstatus haben – künftig auf die Sozialprogramme verzichten, was verheerende Auswirkungen auf Gesundheit und Ernährung haben wird. Noch dazu werden auch 18 Millionen Kinder mit US-Staatsbürgerschaft, die mindestens einen Einwanderer als Elternteil haben, keinen Zugang zu notwendigen öffentlichen Einrichtungen haben, weil Einwanderer auch dann bestraft werden, wenn ihre eingebürgerten Kinder Sozialprogramme in Anspruch nehmen.

Ohne jede Gefühlsregung erklärt das Heimatschutzministerium in seinen vorgelegten Gesetzesbestimmungen, dass diese zu „schlechteren Gesundheitsergebnissen ... insbesondere für schwangere oder stillende Frauen, Säuglinge oder Kinder“, „verstärkter Nutzung der Notaufnahme“, „zunehmender Verbreitung übertragbarer Krankheiten“, einer „erhöhten Armutsrate und Wohninstabilität sowie zu verminderter Produktivität und Bildungsleistung“ führen werden.

Das sind keine unerwünschten Folgen, sondern bewusste Ziele.

Die Gesetzesänderung ist ein gezieltes Manöver, um eine Unterklasse aus dauerhaft arm und prekär lebenden Arbeitern, vor allem in der Dienstleistungs- und Agrarindustrie, zu schaffen, die sich viel zu sehr vor einer Abschiebung fürchten, als dass sie höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen fordern würden.

Sowohl Demokraten als auch Republikaner werden dann den unvermeidlichen Rückgang bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen zum Anlass nehmen, um weitere Kürzungen für alle Arbeitnehmer zu rechtfertigen. Bei der Ankündigung der neuen Regelungen bediente sich die Ministerin für Innere Sicherheit, Kirstjen Nielsen, bereits der unternehmensorientierten Formeln, die Politiker mit Vorliebe verwenden, wenn sie Kürzungen bei Sozialprogrammen fordern. Die Gesetzesänderung würde „die Selbstversorgung von Einwanderern fördern und die begrenzten Mittel schützen, indem sichergestellt wird, dass sie [die Einwanderer] keine Last für den amerikanischen Steuerzahler werden“, sagte sie.

Hunger, Obdachlosigkeit und Krankheiten werden sich immer weiter ausbreiten. Migrantenviertel in US-Großstädten werden zunehmend an die Slumgebiete der Megacitys in Lateinamerika, Afrika und Asien erinnern.

Die Pläne der Regierung wurden unmittelbar nach der Ankündigung von mehreren nationalen Ärzteverbänden verurteilt, darunter die American Academy of Family Physicians, die American Academy of Pediatrics, das American College of Obstetricians and Gynecologists, das American College of Physicians, die American Medical Association und die American Psychiatric Association. Sie warnten davor, dass diese Änderungen eine Krise im öffentlichen Gesundheitswesen auslösen würden.

Die Demokratische Partei ist verantwortlich für die Verabschiedung des Statuts, mit dem Trump und das Innenministerium die Ausweitung der „public charge“-Regel rechtfertigen.

1996 verabschiedete der Kongress das Gesetz über die Reform der illegalen Einwanderung und die Verantwortung der Einwanderer (Illegal Immigration Reform and Immigrant Responsibility Act, IIRAIRA). Dieses Gesetz verpflichtet Menschen, die einwandern wollen, unter anderem dazu, nachzuweisen, dass ihre Unterstützer ein Einkommen von über 125 Prozent der Armutsgrenze haben. Ohne die 88 Ja-Stimmen der Demokraten im US-Kongress wäre diese Gesetzgebung nicht verabschiedet worden. Der damalige Präsident Bill Clinton, ebenfalls Demokrat, unterzeichnete das Gesetz. Drei Jahre später veröffentlichte Clinton eine Richtlinie, die festlegte, dass Einwanderer als öffentliche Last („public charge“) betrachtet werden können, wenn sie „primär abhängig“ von staatlicher Unterstützung sind.

In Reaktion auf die jüngste Gesetzesänderung hüllen sich die Demokraten in Schweigen. Stattdessen konzentrieren sie lieber ihr ganzes politisches Kapital darauf, Trumps reaktionären Richterkandidaten Brett Kavanaugh als Sexualstraftäter zu entlarven, wobei sie sich auf unbelegte Behauptungen aus den frühen achtziger Jahren stützen. Ihr Ziel ist es, die öffentliche Aufmerksamkeit von den drängenden Klassenfragen abzulenken – dazu gehören auch die Angriffe auf eingewanderte Arbeiter, über die sich beide Parteien grundsätzlich einig sind.

Arbeiter aller Nationalitäten – ganz unabhängig davon, ob sie Immigranten sind oder nicht – müssen den Angriff auf eingewanderte Arbeiter als Angriff auf die Arbeiterklasse als Ganzes verstehen.

Kein Arbeiter kann davon profitieren, wenn er der Regierung erlaubt, Millionen Menschen das Recht auf Sozialleistungen zu entziehen – und dass sogar ohne auch nur die Formalität einer Abstimmung oder öffentlichen Debatte zu wahren. Kein Arbeiter wird davon profitieren, wenn er der Regierung freie Hand dabei lässt, brutale Razzien an Arbeitsplätzen durchzuführen, um undokumentierte Arbeiter in Internierungslager zu verschleppen. Kein Arbeiter wird von den Bemühungen der herrschenden Klasse profitieren, die Reservearmee der undokumentierten Arbeitskräfte zu erweitern, die Jobs für jeden Lohn annehmen und die sich fürchten, Kritik zu äußern.

Es gibt eine historische Parallele der aktuellen Vorschriftsänderungen, die eine wichtige Lehre für die Arbeiterklasse ist:

1924, nach einer der größten Streikwellen in der Geschichte der USA, wurde der Johnson-Reed Act verabschiedet, der Quoten für die Einwanderung aus Süd- und Osteuropa festlegte.

Dieses Einwanderungsgesetz, das mit überwältigender parteiübergreifender Unterstützung in Kraft trat, zielte darauf ab, den zunehmenden Klassenkampf zu unterdrücken. Es sollte die Einwanderung europäischer Arbeiter unterbinden, die von der Russischen Revolution beeinflusst waren. 1917 hatte die Arbeiterklasse die 300 Jahre alte Romanow-Dynastie gestürzt und den ersten Arbeiterstaat der Welt errichtet. Aus Angst vor der wachsenden Popularität des Sozialismus versuchte die herrschende Klasse, die soziale Opposition in eine rechte Richtung zu lenken, indem sie die Rassismus und Nationalismus schürte, um die Arbeiterklasse zu spalten und zu schwächen.

Heute dürfen die Arbeiter nicht in die gleiche Falle tappen! In der ersten Hälfte von 2018 gab es die höchste Streikaktivität seit Jahren. Aber um den Kampf für soziale Gleichheit voranzutreiben, müssen die Arbeiter erkennen, dass ihre Stärke in ihrer internationalen Einheit liegt. Es ist dringend notwendig, dass die amerikanischen Arbeiter ihre eingewanderten Kollegen verteidigen und sich in einem gemeinsamen Kampf gegen ihren gemeinsamen Feind, die amerikanische herrschende Klasse, verbünden.

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