Polnische Regierungsvertreter demonstrieren gemeinsam mit Rechtsextremen

Am Sonntag nahmen Vertreter der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) demonstrativ an einer Demonstration von neofaschistischen Kräften zum 100. Unabhängigkeitstag Polens teil. Laut der polnischen Polizei nahmen an dem „Marsch der Unabhängigkeit“ in Warschau etwa 250.000 Menschen teil. Wenn diese Zahlen zutreffen, wäre es die größte einzelne Demonstration in der Geschichte der Millionenstadt. Im Rest des Landes fanden kleinere Demonstrationen statt.

Am 11. November erhielt Polen vom damaligen Sowjetrussland, Deutschland und Österreich offiziell die Unabhängigkeit. Zuvor hatten das Russische Reich, das Habsburger-Kaiserreich und das Königreich Preußen das einstmals als Polen-Litauen bekannte Land für 123 Jahre untereinander aufgeteilt. In den folgenden einundzwanzig Jahren bis zum Überfall der Nazis im Jahr 1939 war Polen ein wichtiges Bollwerk des französischen und US-Imperialismus im Kampf gegen die Sowjetunion.

Dieser Jahrestag wurde jahrelang von polnischen Nationalisten und Faschisten begangen. Allerdings beanspruchten auch andere Kräfte aus dem ganzen politischen Spektrum den Unabhängigkeitstag für sich, darunter die liberale Opposition. Diese beteiligt sich bereits seit langem an der Verherrlichung des autoritären Pilsudski-Regimes, das Polen für einen Großteil der Zwischenkriegszeit regiert hat.

Letztes Jahr fand am 11. November eine international organisierte Versammlung von rechtsextremen Kräften statt. Diese war mit etwa 60.000 Teilnehmern, darunter Neonazis aus den USA und Europa, die größte rechtsextreme Demonstration in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Transparente mit Parolen wie „Weißes Europa der Brudervölker“, „Europa wird weiß oder entvölkert“, „Reines Polen, weißes Polen!“, „Tod den Feinden des Vaterlandes“, „Betet für den islamischen Holocaust“ oder „Flüchtlinge Raus!“ erschütterten die ganze Welt.

Erst am Freitag wurde bekannt, dass mehrere Regierungsvertreter, u.a. Präsident Andrzej Duda und Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, gemeinsam mit rechtsextremen nationalistischen Gruppen wie dem Nationalradikalen Lager (ONR) marschieren. Das ONR ist eine offen neofaschistische Organisation, die sich nach der Organisation der Zwischenkriegszeit benannt hat, die am stärksten mit dem faschistischen Terror gegen Arbeiterorganisationen und Juden im Polen der 1930er in Verbindung gebracht wird. Vor dem deutschen Überfall auf Polen fiel das ONR durch seine Faszination und Bewunderung gegenüber Adolf Hitler und Nazi-Deutschland auf, vor allem für dessen judenfeindliche Politik, an der es sein eigenes politisches Programm ausrichtete.

Ein weiterer Mitveranstalter war die rechtsextreme Allpolnische Jugend (Młodzież Wszechpolska), die ebenfalls nach einer Jugend- und Studentenorganisation aus der Zwischenkriegszeit benannt ist. Die ursprüngliche Gruppe war verantwortlich für antisemitische Anschläge und Morde an Universitäten. Auf Twitter postete die Organisation ein Bild ihrer Prozession mit dem Kommentar „Leben und Tod für die Nation“.

Berichten zufolge hatten Regierungsvertreter versucht, eine Koalition von Veranstaltern zu bilden, zu der die Regierung, die liberale Opposition und die extreme Rechte gehört hätte. Dies soll jedoch gescheitert sein, weswegen die liberalen Oppositionsparteien den Marsch boykottierten. Letzte Woche scheiterte ein Versuch des scheidenden Warschauer Bürgermeisters aus der oppositionellen Bürgerplattform (PO), den Marsch zu verbieten, an einem Gerichtsurteil.

Die Teilnahme von Duda und Morawiecki an dem Marsch sollte auch nochmals unterstreichen, dass sie sich den Feiern zum Ende des Ersten Weltkriegs in Paris am gleichen Tag fernblieben.

Die Teilnehmer an dem Marsch wurden von der Militärpolizei beschützt, polnische Soldaten standen Seite an Seite mit Mitgliedern der ONR und der italienischen Neonazi-Partei Forza Nueva. Zu Beginn des Marsches erklärte Duda vor der rechtsextremen Menge: „Ich möchte, dass wir zusammen unter unseren weiß-roten Bannern [der polnischen Flagge] und mit einem Gefühl der Freude marschieren. Um diejenigen zu ehren, die für Polen gekämpft haben, und um froh über seine Freiheit, Souveränität und Unabhängigkeit zu sein.“ Später ließ er die Menge „Ruhm und Ehre den Helden“ rufen, danach sang er mit ihnen die polnische Nationalhymne.

Die meisten Teilnehmer trugen polnische Flaggen, einige auch die Falanga, ein Symbol des europäischen Faschismus in den 1930ern und das Hauptsymbol des ONR. Daneben waren auch andere rechtsradikale Symbole wie das Keltenkreuz zu sehen. Berichten zufolge wurden rassistische Gesänge skandiert. Laut einem anderen Bericht wurde während des Marsches eine EU-Flagge von Rechtsextremen verbrannt, die dabei riefen: „Nieder mit der Europäischen Union.“

Sprecher von Duda und der Regierung versuchten, die Beteiligung rechtsextremer Kräfte an dem Marsch herunterzuspielen. Allerdings ist klar, dass es ein kalkulierter politischer Schachzug der Regierung war, sich offen auf die Seite der Rechtsextremen zu stellen. Dazu wurde sie von dem allgemeinen Rechtsruck der ganzen herrschenden Klasse Europas ermutigt. Ihr Ziel ist es dabei, die Arbeiter und Jugendlichen in Polen und Europa einzuschüchtern, die die Kriegs- und Sparpolitik der Bourgeoisie ablehnen.

Wenige Tage bevor die PiS bekannt gab, dass sie gemeinsam mit den Rechtsextremen marschieren wird, bezeichnete der französische Präsident Emmanuel Macron dem faschistischen Diktator des Vichy-Kollaborationsregime während des Zweiten Weltkriegs Philippe Pétain ehrfurchtsvoll als „großen Soldaten“. Im benachbarten Deutschland pflegt die rechtsextrem AfD enge Beziehungen mit führenden Kreisen des Staatsapparats, wurde von den etablierten Medien und dem politischen Establishment hofiert und durch den Eintritt der SPD in die Große Koalition zur offiziell stärksten Oppositionspartei im Bundestag. In den USA hat die Trump-Regierung systematisch rechtsextremen Rassismus und Antisemitismus gefördert, was vor der jüngsten Wahl zu mehreren Anschlägen führte, u.a. ein Massaker mit elf Toten in einer Synagoge in Pittsburgh.

In Polen hat die PiS die extreme Rechte seit Jahren ermutigt und in den Staatsapparat eingebunden. Unter der Aufsicht von Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, der selbst als Antisemit berüchtigt ist, wurde eine riesige paramilitärische Miliz aufgebaut, die sich größtenteils aus organisierten Rechtsextremen rekrutiert.

Die Regierung hat jahrelang Antisemitismus und Rassismus gegen Flüchtlinge geschürt. Anfang des Jahres verabschiedete sie ein Gesetz, das Äußerungen über die Beteiligung von polnischen Nationalisten am Holocaust zensiert. Vor kurzem enthüllte eine veröffentlichte Tonaufzeichnung antisemitische Äußerungen von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki aus dem Jahr 2014.

Die politischen Ansichten der PiS-Regierung überschneiden sich nicht nur deutlich mit denen der Rechtsextremen, sondern sie benutzt sie auch für ihre Kriegsvorbereitungen gegen Russland und die Unterdrückung der Arbeiterklasse im Inland. Mit Unterstützung durch die Trump-Regierung betreibt sie eine Neuauflage der „Intermarium“-Strategie der Zwischenkriegszeit. Damals versuchte das Pilsudski-Regime mit Unterstützung durch Teile der französischen und britischen Eliten, die Sowjetunion und Deutschland durch ein Bündnis von rechtsextremen nationalistischen Regimes in Ost- und Mitteleuropa zu schwächen. Heute versucht die PiS-Regierung auf ähnliche Weise, mit der Unterstützung des US-Imperialismus, ein Bündnis aus rechtsextremen Regimes in ganz Osteuropa aufzubauen, um der Gefahr einer Revolution entgegenzutreten, Deutschlands Position in Europa zu schwächen und sich auf einen Krieg gegen Russland vorzubereiten.

Unter Arbeitern und Jugendlichen in ganz Europa und auch in Polen, das unter der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg ein Zentrum des faschistischen Terrors und der Zerstörung war, ist der Faschismus weitgehend verhasst. Polen war das geografische Zentrum des Völkermordes an sechs Millionen europäischer Juden, von denen mehr als drei Millionen vor dem Krieg in Polen gelebt hatten.

Im Rahmen des derzeitigen politischen Systems findet dieser Widerstand gegen Krieg und Faschismus praktisch keinen Ausdruck. Um gegen die Vorbereitungen der Bourgeoisie auf Krieg und Bürgerkrieg und den Vormarsch rechtsextremer Kräfte zu kämpfen, müssen sich die Arbeiter und Jugendlichen einem internationalistischen und sozialistischen Programm zuwenden.

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