560 schwerbewaffnete Polizisten stürmen Wohnungen der autonomen Szene in Berlin

Am Donnerstagmorgen überfielen etwa 560 schwerbewaffnete Polizeibeamte verschiedener Spezialeinsatzkommandos vier Wohnungen in der Rigaer- und der Grünbergerstraße in Berlin Friedrichshain, der Reichenbergerstraße in Kreuzberg sowie am Maybachufer in Neukölln. Dabei handelt es sich um Wohnprojekte der autonomen Szene.

Auf veröffentlichten Videoaufnahmen sieht man, wie vermummte Polizisten des SEK in der Rigaerstraße mit Maschinenpistolen, Rammböcken, Trennschleifern und Leitern anrücken. Auf den Dächern der Nachbarhäuser wurden Polizisten postiert während ein Hubschrauber die Szene von oben beobachtete.

Anwohner der Straßen durften sich während des martialischen Einsatzes nur unter Begleitung der Polizei in ihrer eigenen Nachbarschaft bewegen. Sie wurden bedroht und eingeschüchtert. Einige Anwohner der Rigaerstr. berichten der WSWS, dass die Polizeipräsenz im Viertel ohnehin massiv sei und man immer wieder in Polizeikontrollen gerate und sich ausweisen müsse.

Den bürgerkriegsähnlichen Einsatz betrachten viele als ein Vorspiel für die Räumung einiger der verbliebenen autonomen Hausprojekte, deren Mietverträge Ende des Jahres auslaufen. „Es geht alles nur um den Profit aus den renovierten oder neu gebauten Wohnungen“, sagt ein Anwohner. Der rot-rot-grüne Senat wolle die Interessen der Eigentümer und Spekulanten durchsetzen.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) behauptete am Donnerstag in der rbb-Abendschau, dass der Einsatz keinen politischen Hintergrund habe, sondern es sich um „strafrechtliche Ermittlungen im kriminellen Millieu“ handele. Das ist eine offensichtliche Lüge. Der Vorwand, unter dem der hochgerüstete Polizeieinsatz stattfand, ist völlig konstruiert.

Angeblich habe die Polizei Beweise für die Beteiligung von sieben Jugendlichen, vier Männern und drei Frauen, alle Mitte 20, an einem Überfall auf einen Spätkauf sicherstellen wollen, der sechs Monate zuvor, im Mai dieses Jahre stattgefunden hatte. Bei der Wohnungsuntersuchung wurden Kleidung, Schuhe, Handys und Laptops beschlagnahmt, vorgeblich um sie mit DNA-Proben zu vergleichen, die nach der Schlägerei im Kiosk gesichert wurden.

Ein Überfall wie dieser ereignet sich in Berlin wahrscheinlich jeden Tag mehrfach: Eine junge Frau hatte vom Kiosk-Betreiber die Herausgabe eines an sie adressierten Paketes verlangt, konnte sich nach Zeitungsberichten aber nur mit ihrem Führerschein und ihrer Krankenversicherungskarte ausweisen. Der Inhaber habe jedoch auf der Vorlage ihres Personalausweises bestanden und die Herausgabe des Paketes verweigert. Der Presse erklärte er, sie habe daraufhin wütend einige Schokoladentafeln heruntergerissen, worauf er sie verfolgt und festgehalten habe, um sie der Polizei zu melden. Andere Kunden hätten ihn jedoch davon abgehalten, da die Frau unter Tränen stand.

Kurze Zeit später betraten sieben Personen den Kiosk, stießen Weinflaschen auf den Boden und ein Regal von der Theke. Der Inhaber griff sie daraufhin an und schlug einen Eindringling ins Gesicht. Daraufhin wird er von anderen zu Boden gerissen. All das ist auf einem Video festgehalten, das öffentlich einsehbar ist.

Dass diese Szenen einen derartigen Aufmarsch schwerbewaffneter Spezialkommandos rechtfertigen soll, ist schlichtweg absurd. Es geht auch nicht einfach darum, die letzten verbliebenen autonomen Hausprojekte zugunsten der Spekulanten zu räumen.

Ein solches Auftreten lässt sich nur damit erklären, dass sich der rot-rot-grüne Senat darauf vorbereitet, soziale Aufstände und politischen Protest massenhaft zu unterdrücken. Erst hat der Senat die ganze Stadt kaputt gespart und die Armut auf Rekordhöhen getrieben und jetzt rüstet er die Polizei auf und sendet sie wie eine Armee in die Wohnviertel, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Schon Anfang des Jahres haben SPD, Grüne und Linkspartei die Aufrüstung der Polizei und die Schaffung eines „Anti-Terror-Zentrums“ beschlossen, in dem verschiedene Einheiten der Polizei, des LKA und des BKA, darunter Spezialeinsatzkommandos für Razzien, zusammengeführt werden.

Zudem beraten die drei Senatsparteien derzeitig über ein neues Polizeigesetz, das im Wesentlichen die Grundlagen für einen Polizeistaat schafft. So sollen das Abhören von Telefongesprächen zur Abwehr einer „drohenden Gefahr“, der Einsatz von Schusswaffen für gezielte Tötungen bzw. den sogenannten „finalen Rettungsschuss“ und ein stärkerer Ausbau der Videoüberwachung enthalten sein.

Entsprechend werden auch die Razzien nicht nur vom SPD-Innensenator, sondern auch von seinen Koalitionspartnern getragen. Die Fraktion der Linkspartei im Abgeordnetenhaus hat bisher kein Statement zu den Bürgerkriegsszenen veröffentlicht und sich damit hinter ihre Regierung gestellt. Der Linken-Politiker Hakan Tas störte sich lediglich an den Bildern, die durch den Einsatz produziert wurden. „Hausdurchsuchungen mit Sturmgewehren brauchen wir nicht“, sagte er. „Wir sind doch nicht im Kriegsgebiet. Diese Bilder sind nicht notwendig“.

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