Facebook: Der globale Zensor

Im Jahr 2018 haben Google, Facebook und Twitter die Zensur des Internets enorm verstärkt. Sie haben sich aus Plattformen für den weltweiten Informationsaustausch in massive Zensur-Schleppnetze verwandelt, und sie kontrollieren alles, was ihre Nutzer sagen, tun und denken.

Im August 2017 erhob die World Socialist Web Site in einem offenen Brief an Google den Vorwurf, dass das Unternehmen in Absprache mit der US-Regierung daran arbeite, den politischen Diskurs durch Manipulation der Suchergebnisse zu verfälschen. Die WSWS warnte davor, dass Googles Vorgehen einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen werde, da das Unternehmen den verfassungsmäßigen Schutz der Meinungsfreiheit untergrabe. Sie forderte Google auf, die WSWS und andere linke Websites von der schwarzen Liste zu nehmen.

Neunzehn Monate später ist das zentrale Argument des offenen Briefes, nämlich dass Google und seine Konkurrenten politische Zensur betreiben, unbestreitbar. Das Regime, das Google durch seine Suchmaschine eingeführt hat, wurde auf alle wichtigen US-amerikanischen Social-Media-Plattformen ausgeweitet, darunter Facebook, Twitter und YouTube.

In einem am Freitag veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Wie Facebook kontrolliert, was die Welt sagen darf“, schreibt die New York Times, Facebook sei durch seine Handlungsweise „zu einem weitaus mächtigeren Schiedsrichter über globale Meinungsäußerungen [geworden], als die Öffentlichkeit realisiert, und als das Unternehmen selbst öffentlich einräumt“.

Facebook habe sich „still und leise in eine der mächtigsten politischen Regulierungsbehörden der Welt verwandelt“, heißt es in dem Artikel, und das mit einer Geschwindigkeit, die selbst den Angestellten des Unternehmens Unbehagen bereite. „Die Entscheidungen darüber, welche Äußerungen gesperrt werden“, so das Fazit der Times, „bedeuten in wachsendem Maß eine Regulierung der politischen Meinungsfreiheit – und nicht nur der Grenzbereiche.“

Mark Zuckerberg, Gründer und CEO des Unternehmens, brachte die Umwandlung von Facebook in ein Instrument der politischen Zensur nur wenige Stunden nach Erscheinen des Times-Berichts in einem Jahresrückblick auf den Punkt.

„Wir sind heute ein ganz anderes Unternehmen als 2016 oder auch nur vor einem Jahr“, schreibt Zuckerberg. „Wir haben unsere DNA grundlegend verändert und uns stärker darauf konzentriert, Schaden von all unseren Dienstleistungen abzuwehren. Systematisch haben wir einen großen Teil unseres Unternehmens auf die Schadensprävention ausgerichtet. Wir haben jetzt mehr als 30.000 Mitarbeiter, die sich mit der Sicherheit beschäftigen, und wir investieren jährlich Milliarden von Dollar in die Sicherheit.“

Hinter den widerlichen Euphemismen des Milliardärs über „Schadensprävention“ lauert eine düstere Realität. Die 30.000 Mitarbeiter, über die Zuckerberg spricht (und das ist die Mehrheit seiner Angestellten), beschäftigen sich nicht mit „Schadensbegrenzung“ oder „Prävention“, sondern damit, die freie Meinungsäußerung zu beschneiden. Sie lesen, was die Facebook-Nutzer schreiben, und entscheiden, welche politischen Äußerungen vertreten werden dürfen und welche nicht. Und sie entfernen, verbannen oder blockieren Beiträge und Nutzer.

Zuckerberg rühmt sich, Facebook „löscht täglich Millionen gefälschter Konten“ und „arbeitet daran, Fehlinformationen zu identifizieren und ihre Verbreitung zu verhindern“. Facebook habe „KI-Systeme [Künstliche Intelligenz] entwickelt, um Inhalte im Zusammenhang mit Terrorismus, Hassreden und anderen Themen automatisch zu identifizieren und zu entfernen, ehe sie überhaupt wahrgenommen werden“.

Mit anderen Worten, jeder einzelne Facebook-Post, jeder einzelne Kommentar und jede einzelne Nachricht wird von Menschen und/oder Maschinen gelesen und analysiert, um festzustellen, ob sie mit den völlig willkürlichen, undefinierten, amorphen und undurchsichtigen Standards des Unternehmens in Konflikt kommen oder nicht.

Wenn Facebook feststellt, dass das, was jemand veröffentlicht, „aufgebauscht“ sei – beispielsweise eine Kritik an israelischen Massakern an palästinensischen Zivilisten – dann kann der Beitrag heimlich abgesetzt werden. Protestiert jemand gegen die Verfolgung der tamilischen Minderheit in Sri Lanka, dann können seine Aussagen gelöscht werden. Und, wie Facebook deutlich macht, leitet das Unternehmen Informationen über politische Äußerungen in nicht näher spezifizierten Fällen an Polizei und Nachrichtendienste weiter.

Zuckerberg fährt fort: „Wir haben den News Feed verbessert, um Nachrichten aus vertrauenswürdigen Quellen zu fördern. Wir entwickeln Systeme, um die Verbreitung von grenzwertigen Inhalten, einschließlich aufgebauschten Informationen und Fehlinformationen, automatisch zu reduzieren.“

Im Klartext: Wenn Facebook feststellt, dass das, was jemand zu sagen hat, „grenzwertiger Inhalt“ sei (was immer das bedeuten mag), dann wird man das nicht sagen dürfen, und man wird auch keine Stelle finden, bei der man sich beschweren kann.

Zu den „vertrauenswürdigen“ Quellen zählt Zuckerberg vor allem die New York Times und die Washington Post. Diese werden gefördert, während diejenigen, die diese halboffiziellen Verlautbarungen des amerikanischen Staats hinterfragen, geknebelt werden.

Der oben zitierte Artikel der Times kommt zu dem Schluss: „Das Unternehmen verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Kontextlastige Fragen, mit denen selbst Rechtsexperten zu kämpfen haben, zu reduzieren (Ist eine Idee hasserfüllt? Ist ein Gerücht gefährlich?) und alle Regeln über einen Kamm zu scheren.“

Die Times schreibt, das Unternehmen handle nach eigenen Regeln und lege selbst fest, ob seine Nutzer bestimmte Begriffe verwenden dürfen oder nicht: „Worte wie ‚Bruder‘ oder ‚Genosse‘ überschreiten wahrscheinlich schon die Grenze.“

Und weiter: „Moderatoren berichten, dass sie unter dem Druck stehen, täglich etwa tausend Inhalte zu prüfen. Sie haben acht bis zehn Sekunden für jeden Beitrag.“

Trotz des explosiven Inhalts dieses Artikels stellt er selbst eine kontrollierte Veröffentlichung von Informationen dar, die Facebook dazu bringen soll, sein Zensurregime besser mit der US-Regierung abzustimmen. Die Times, welche die Internet-Zensur von Anfang an befürwortet hat, fordert an Stelle des byzantinischen Labyrinths von Excel-Tabellen und PowerPoint-Dateien klare staatliche Regeln darüber, was Facebook zu entfernen habe.

Der Erste Zusatzartikel der US-Verfassung und mehrere internationale Menschenrechtsabkommen verbieten es der Obrigkeit, irgendjemandem vorzuschreiben, was er oder sie sagen darf und was nicht. So heißt es im ersten Verfassungszusatz: „Der Kongress soll kein Gesetz erlassen […] das Rede- und Pressefreiheit […] einschränkt“.

Die Zensurkampagne von Facebook fand auf direkte Anweisung des amerikanischen Staates statt. In den Ausschüssen von Senat und Repräsentantenhaus haben Kongressabgeordnete und Geheimdienstagenten sich dieses Jahr mindestens sechs Mal mit Facebook-Managern getroffen und von dem Unternehmen genau die Art von Orwell'schem Zensurregime gefordert, das die Times jetzt wortreich beklagt.

Das Ganze ist eine große, verfassungswidrige, illegale Verschwörung zur Zerstörung der Meinungsfreiheit. Dabei sind die Gründe für das Bedürfnis nach Zensur nicht schwer zu finden.

Das Jahr 2018 war ein Jahr zunehmender sozialer Kämpfe. Es endete mit einem internationalen Aufschwung der Arbeiterklasse, der sich am deutlichsten in den Protesten der französischen „Gelbwesten“ ausdrückte. Vor dem Hintergrund einer drohenden globalen Rezession, zunehmenden internationalen Gegensätzen und immer schärferen politischen Krisen in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern steht der kapitalistische Staat vor einer „Legitimitätskrise“, die selbst seine Vertreter nicht mehr leugnen können. Sie versuchen verzweifelt, diese Krise zu lösen, indem sie die Massen daran hindern, Zugang zu progressiven Perspektiven zu finden und ihre Kämpfe über die sozialen Medien zu koordinieren.

Aber das neue Jahr wird nicht nur einen weiteren Aufschwung im Klassenkampf, sondern genauso auch im Kampf gegen die Internetzensur erleben.

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