Perspektive

Faschistisches Attentat auf Synagoge in Kalifornien

Am Samstagmorgen wurde in der Synagoge Chabad of Poway eine Frau von einem antisemitischen Attentäter getötet. Dass es nicht zu einem noch schlimmeren Massaker kam, ist nur einem Zufall zu verdanken. Offenbar klemmte die halbautomatische Waffe des Schützen. Daher gelang es ihm nicht, Dutzende von jüdischen Gläubigen niederzumetzeln, die am letzten Tag des Passahfestes an einem Gottesdienst teilnahmen. Das Opfer, Lori Gilbert-Kaye, war 60 Jahre alt, betrieb einen Laden und war mit einem Arzt verheiratet.

Der Täter, der 19-jährige John T. Earnest aus San Diego, rannte zunächst weg, rief aber kurz darauf den Notruf an, um den Angriff zu melden, und ergab sich widerstandslos der Polizei. Nur wenige Stunden vor der Schießerei veröffentlichte er im Internet eine antisemitische Tirade, in der er sich auch zu einem Brandanschlag vom 24. März auf eine Moschee in San Diego bekannte. Dabei hatte es keine Verletzten, sondern nur Gebäudeschäden gegeben.

Während die Medien und das politische Establishment Earnest verharmlosend als „Einzeltäter“ beschreiben, entstammt er in Wirklichkeit einem ganz bestimmten sozialen und politischen Milieu. Er war empfänglich für den Nationalismus und Rassismus, deren giftigste Quelle der derzeitige Bewohner des Weißen Hauses ist.

Trump war bemüht, sich von dem Mörder zu distanzieren. Auf dem Weg zu einer Wahlkampfveranstaltung, kurz bevor er auf dem Rasen des Weißen Hauses seinen Hubschrauber bestieg, gab er ein beiläufiges Statement gegen Antisemitismus ab. Aber wenige Stunden zuvor hatte Trump die Gesinnungsgenossen des Attentäters noch ausdrücklich in Schutz genommen. Es ging um die Neonazis, die im August 2017 mit einem Fackelzug und dem Ruf „Juden werden uns nicht ersetzen“ in Charlottesville randalierten. Trump hatte damals gesagt, es seien „sehr gute Leute“ darunter. 24 Stunden vor dem jüngsten Anschlag bekräftigte er auf Nachfrage diese Worte. Er habe sich nicht geirrt, sondern „perfekt geantwortet“.

Der Poway-Mörder benannte in seinem Internet-Posting seine Vorbilder: Brenton Tarrant, der letzten Monat in zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch 50 Muslime erschoss, und Robert Bowers, der in der Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh genau sechs Monate vor dem Attentat vom Samstag 12 ältere Menschen jüdischen Glaubens tötete.

Die Erklärung von Earnest wurde auf 8chan gepostet, dem gleichen Message-Board, das auch das 74-seitige Manifest von Tarrant veröffentlicht hatte. Tarrants Name wird in dem siebenseitigen Erguss zehn Mal erwähnt. Earnest erklärt, das Massaker in Neuseeland habe ihn zu seiner Tat veranlasst.

Ebenso wie Tarrant verbindet auch Earnest Judenhass mit Abscheu vor dem Sozialismus. Diese Kombination ist das Markenzeichen der faschistischen Ideologie und verdeutlicht deren Klassenfunktion, geistig verwirrte und verzweifelte Elemente gegen die Arbeiterklasse aufzuhetzen. In seinem Online-Kommentar verurteilt Earnest Juden explizit „wegen ihrer Rolle im kulturellen Marxismus und Kommunismus“. Er verbindet dies mit Hetze gegen Araber, Schwarze und Lateinamerikaner.

Es ist natürlich kein Zufall, dass Hass auf Einwanderer und Angst vor dem Sozialismus auch die beiden Hauptthemen von Trumps Wiederwahlkampagne sind. Wie Tarrant und Bowers zieht zwar auch Earnest über Trump her, weil dieser einen jüdischen Schwiegersohn habe und nicht mit ausreichender Härte für die Herrschaft der Weißen und die Vernichtung des Sozialismus kämpfe. Dennoch ist er ein Ergebnis desselben sozialen und politischen Prozesses, der Trump ins Weiße Haus brachte.

In den Medien werden islamische Extremisten als Hauptquelle des Terrorismus dargestellt. Doch die überwiegende Mehrheit der gewaltsamen Anschläge in Amerika wurde in den letzten Jahren von weißen Rassisten verübt und richtete sich gegen Einwanderer, Afroamerikaner und andere Minderheiten sowie Juden und Muslime.

Nach Angaben der Anti-Defamation League nehmen antisemitische Vorfälle seit 2013 zu. Den größten Anstieg, um 57 Prozent bzw. auf 1.986 Fälle, gab es 2018, im ersten vollen Jahr der Trump-Präsidentschaft. Es kam zu 163 Bombendrohungen, 852 Schikanen, 952 Fällen von Vandalismus und 19 körperlichen Übergriffen, darunter der blutigste Akt antisemitischer Gewalt in der amerikanischen Geschichte, der Anschlag auf die Synagoge Tree of Life.

Ähnliche Angriffe gab es gegen politische Gegner von Trump. Bekannte Beispiele sind die Briefbomben gegen prominente Demokraten, die der Trump-Anhänger Cesar Sayoc verschickte, und die Pläne des Küstenwachenoffiziers Christopher Hasson, ausgewählte Demokraten, einschließlich der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez und anderer Mitglieder der Democratic Socialists of America, zu ermorden. Hasson wurde letzte Woche von einem Gericht in Maryland gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt.

Der Anschlag auf die Synagoge Chabad of Poway verdeutlicht, dass Faschisten wie Earnest politisch isoliert sind. Sie begehen Verbrechen, die denen von Hitler und seinen Sturmtruppen ähneln, aber sie haben keine Unterstützung in der Bevölkerung. Dennoch sind ihre Taten Symptome einer Gefahr, die Arbeiter sehr ernst nehmen müssen.

Die bewusste Förderung rechtsextremer und faschistischer Kräfte durch die herrschenden Klassen und traditionellen bürgerlichen Parteien auf der ganzen Welt ist eine Antwort auf die zunehmenden Kämpfe der Arbeiterklasse und das wachsende Interesse am Sozialismus weltweit.

Trump ist keine politische Verirrung, sondern Ausdruck eines internationalen Prozesses in der amerikanischen Politik. In einem Land nach dem anderen, von den Philippinen über Indien bis Brasilien, ermutigen rechte Präsidenten und Regierungschefs Todesschwadronen oder verherrlichen militärische Gräueltaten gegen die Arbeiterklasse. In Europa erheben offen faschistische Tendenzen wieder ihr Haupt. Die Partei Vox, die sich zu Franco bekennt, gewann am Sonntag bei den Wahlen in Spanien über 10 Prozent.

Die italienische Regierung lässt sich politisch von Matteo Salvini steuern, einem offenen Bewunderer von Mussolini. Salvini wurde von Trumps ehemaligem Chefstrategen Steve Bannon empfangen. Selbst bei einem Israel-Besuch weigerte sich Salvini vor Kurzem, Mussolini und den Faschismus ausdrücklich zu verurteilen. In Deutschland spielen neonazistische Kräfte mittlerweile eine wichtige politische Rolle. Die Alternative für Deutschland fungiert als offizielle Oppositionspartei, die den Ton für die Flüchtlings- und Ausländerfeindlichkeit des gesamten politischen Establishments vorgibt.

Solche Kräfte wachsen deshalb, weil der Zorn und die Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse nirgendwo im politischen Establishment einen Ausdruck finden können. In den USA spielt dabei die Demokratische Partei die Schlüsselrolle. Sie lenkt die Opposition der Bevölkerung gegen Trumps unternehmerfreundliche, einwanderungsfeindliche und militaristische Politik in eine Sackgasse. Sie stimmt mit Trumps Programm der sozialen Konterrevolution im Inland überein und greift ihn außenpolitisch von rechts an: Er sei zu weich gegenüber Russland und führe die Kriege im Nahen Osten nicht mit der nötigen Aggressivität.

Der Kampf gegen den Faschismus ist untrennbar mit der Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus verbunden. Dies unterstreicht die Bedeutung der Vortragsreihe mit Christoph Vandreier, die die Socialist Equality Party vor Kurzem in den Vereinigten Staaten veranstaltet hat. Vandreier ist ein führendes Mitglied der deutschen Sektion des IKVI und Autor des neuen Buchs „Warum sind sie wieder da?“, in dem die Rolle des Staats, der Medien und der Professorenschaft bei der Förderung der deutschen Neonazis beschrieben wird.

Diese wichtigen Lehren aus der Geschichte werden im Mittelpunkt der Maikundgebung des Internationalen Komitees in der Nacht vom 4. auf den 5. Mai stehen. Redner und Unterstützer des IKVI auf der ganzen Welt werden daran teilnehmen. Meldet euch hier an!

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