Siemens gliedert Energie- und Kraftwerkssparte aus

Siemens gliedert die gesamte Energie- und Kraftwerkssparte, die bisher unter Power & Gas als zentraler Unternehmensbereich firmierte, aus dem Konzern aus. Sie soll zusammen mit dem Windkraft-Konzern Siemens Gamesa, an dem Siemens noch einen Anteil von 59 Prozent besitzt, als eigenständiges Unternehmen weitergeführt und bis September 2020 an die Börse gebracht werden. Das beschloss der Siemens-Aufsichtsrat am 7. Mai einstimmig mit Unterstützung der sogenannten Arbeitnehmervertreter.

Das neue Unternehmen wird etwa 80.000 Beschäftigte umfassen, bei rund 30 Milliarden Euro Umsatz. Dazu gehören das Gas- und Öl-Geschäft, der Kraftwerksbau, die Energieübertragung und erneuerbare Energien. Es handelt sich um fast ein Drittel des bisherigen Umsatzes des Siemens-Konzerns. Der Siemens-Anteil an dem neuen Unternehmen soll unter 50 Prozent liegen und immer weiter absinken, damit die Zahlen nicht mehr in der Siemens-Bilanz ausgewiesen werden müssen.

Nachdem Siemens-Chef Joe Kaeser diese Entscheidung vor Investoren und Großaktionären verkündet hatte, sprang die Siemens-Aktie um etwa fünf Prozent nach oben.

Die Kraftwerkssparte ist einer der traditionsreichsten Bereiche des Unternehmens. Sie existiert seit 170 Jahren als zentraler Bestandteil von Siemens als Elektro- und Industriekonzern. In Deutschland arbeiten etwa 20.000 in diesem Bereich, aufgeteilt auf rund 20 Fabriken. Wie es um ihre Zukunft und die ihrer Kollegen in anderen Ländern bestellt ist, bleibt weitgehend ungewiss.

In den Städten des Ruhrgebiets sind die Siemens-Werke in Mülheim mit 4500 und in Duisburg mit 2600 Beschäftigten, in Berlin das Gasturbinenwerk und Teile des Schaltwerks mit etwa 6000 Beschäftigten von der Ausgliederung betroffen. In Berlin ist das fast jeder zweite der 12.500 Siemens-Arbeitsplätze. Dazu kommen weitere Werke, unter anderem in Erfurt und Görlitz, wo es in den vergangenen Jahren heftige Proteste gegen die geplante Schließung oder den Verkauf gegeben hat.

Das Umbauprogramm „Vision 2020+“, das Siemens erst im August letzten Jahres vorgestellt hatte, sah noch vor, den Bereiche P&G (Power & Gas) neben DI (Digital Industries) und SI (Smart Infrastructure) als zentrale Unternehmenseinheit von Siemens weiterzuführen. Nach der Ausgliederung des Energie- und Kraftwerksbereichs bleiben jetzt nur noch die letzten beiden als sogenannte Kernbereiche von Siemens übrig. Digital Industries umfasst alles, was mit Digitalisierung und Industrieautomatisierung zu tun hat, Smart Infrastructure ist die frühere Siemens Gebäudetechnik.

Andere Bereiche sind schon weitgehend selbständig. Siemens Healthineers (Medizintechnik) befindet sich bereits an der Börse. Siemens Mobility wurde auch bereits ausgegliedert. Hier war eine Fusion der Zugsparte mit jener des französischen Alstom-Konzerns geplant, die von der EU-Kommission untersagt wurde. Auch hier ist ein möglicher Börsengang nicht ausgeschlossen.

Auf jeden Fall müssen sich nun alle diese Unternehmen alleine auf dem Markt behaupten. Die Aktionäre erwarten, dass die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen so noch schneller angegriffen und abgebaut werden können als bisher, um die Profitraten zu steigern.

Ähnliche Entwicklungen finden derzeit auch in anderen traditionellen Großunternehmen statt. So hat Thyssenkrupp erst am Freitag eine neue Konzernstrategie bekanntgegeben, die darauf hinausläuft, die einzelnen Bereiche auszulagern und an die Börse zu bringen und den Konzern in eine Holding umzuwandeln. Auch hier haben Vorstand und Aktionäre die volle Unterstützung von IG Metall und Betriebsrat.

Mit der Ausgliederung des Energiebereichs versucht sich der Siemens-Vorstand von den Problemen im Energiesektor zu lösen. Die Entwicklung im Energiebereich ist seit einigen Jahren weltweit schwierig. Große Gasturbinen werden wegen der Umstellung auf alternative Energien, insbesondere in Europa, kaum noch nachgefragt.

Aufgrund eines bereits laufenden Sparprogramms werden hier Tausende Arbeitsplätze abgebaut und Tausende weitere werden in den nächsten Monaten folgen. Ziel des Unternehmens ist es, die Kosten in den nächsten vier Jahren um etwa eine Milliarde Euro zu senken.

Diese weitgehenden Angriffe auf die Belegschaft von Siemens finden statt, obwohl das Unternehmen erneut eine Gewinnsteigerung für das zweite Quartal des Geschäftsjahres (Januar bis März 2019) bekannt gegeben hat. Der operative Gewinn im Industriegeschäft stieg um sieben Prozent auf 2,41 Milliarden Euro. Der Umsatz kletterte auf 20,9 Milliarden Euro. Auch die Energiesparte konnte die Rendite auf 5,6 Prozent verbessern.

Aber dies ist dem Siemens-Vorstand und den Großaktionären viel zu wenig. Insgesamt erwartet Vorstandschef Kaeser in diesem Geschäftsjahr elf bis zwölf Prozent Gewinn. Nach der Abspaltung des Energiebereichs sollen es 14 bis 18 Prozent sein. Ziel ist es, in den wenigen verbleibenden Bereichen teils noch höhere Gewinne von bis zu 20 Prozent zu erzielen. Dies erfordert noch schärfere Angriffe auf die Arbeiter und Angestellten.

So sollen weltweit bei Digital Industries 4900, bei Smart Infrastructures 3000 und in Zentralfunktionen weitere 2500 Stellen – insgesamt also 10.400 – Stellen abgebaut werden.

IG Metall und Betriebsrat stehen dabei uneingeschränkt auf der Seite des Vorstands und der Aktionäre. Die sogenannten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat haben sowohl der Ausgliederung des Energiebereichs wie dem Programm zur Effizienzsteigerung in den bei Siemens verbleibenden Bereichen zugestimmt.

Die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Siemens, Birgit Steinborn, ist gleichzeitig stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns und kassierte dafür laut einem Bericht von Spiegel Online 2017 fast eine halbe Million Euro. Für die IG Metall sitzt Vorstandsmitglied Jürgen Kerner im Aufsichtsrat.

Der Siemens Dialog der IG Metall vom 7. Mai erklärt und unterstützt die Unternehmenspolitik. Entscheidend für die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat war nur, dass das neu zu bildende Unternehmen seinen Firmensitz in Deutschland hat, damit die Mitbestimmung weiter gilt und die Gewerkschafts- und Betriebsratsvertreter ihre Posten und Privilegien nicht verlieren.

Vor einigen Monaten hatten Kerner und Steinborn ihre Zustimmung zu der damals geplanten Neuaufstellung noch mit der Begründung gerechtfertigt, sie hätten erreicht, „dass die Neuaufstellung der Bereiche unter dem Dach der Siemens AG bleibt.“ Jetzt behaupten sie, dass nur durch die Ausgliederung dem Energiebereich und den dort Beschäftigten eine bessere Zukunftsperspektive gegeben werden könne. „Wenn der Bereich in der Siemens AG bleiben würde, würden Investitionen weiter reduziert werden. Damit würde der Bereich sprichwörtlich verhungern”, sagte Steinborn.

Die angeblichen Sicherheiten für die Arbeitsplätze sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Dies haben bereits zahlreiche ähnliche Ausgliederungen und Verkäufe in den letzten Jahren bewiesen, wobei immer wieder Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet wurden.

Ein wirklicher Kampf gegen den ständig weitergehenden Abbau von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen ist nur durch den Bruch mit den Gewerkschaften, den Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees und den internationalen Zusammenschluss der Arbeiterlasse auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms möglich.

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