Drohungen des Pentagon wegen EU-Rüstungsplänen

Am 1. Mai erhielt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini Post aus dem Pentagon. Darin warnte das US-Verteidigungsministerium, dass die Nato wegen der Pläne der EU für eine eigene Armee auseinanderbrechen könnte. Die spanische Tageszeitung El Pais veröffentlichte den Brief am 13. Mai.

Am gleichen Tag, an dem das Schreiben an die Öffentlichkeit gelangte, tauchte US-Außenminister Mike Pompeo uneingeladen bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel auf, um von der EU Unterstützung bei den amerikanischen Kriegsvorbereitungen gegen den Iran einzufordern.

In dem Brief heißt es: „Die Vereinigten Staaten sind zutiefst besorgt über die Genehmigung von Regeln für den Europäischen Verteidigungsfonds und den allgemeinen Zustand der Pesco“ (das ist der Name der EU-Armee, Permanent Structured Cooperation). Weiter heißt es, die EU-Armee führe zu einem „dramatischen Rückschritt in der seit dreißig Jahren wachsenden Integration der transatlantischen Verteidigungsindustrie“. Er warnt vor der Gefahr einer „unnötigen Konkurrenz zwischen der Nato und der EU“.

El Pais schreibt, der „sehr harsche Brief“ sei „voll von mehr oder weniger verhohlenen Drohungen mit politischen oder wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen, falls Brüssel auf seinen Plänen beharre, europäische Waffenprojekte ohne Absprache mit den USA zu entwickeln“.

Der Brief des Pentagons kritisiert Regelungen des Europäischen Verteidigungsfonds, die europäischen Firmen die Kontrolle über die Technologie zusichern, die in europäischen Waffensystemen eingesetzt wird. Er droht außerdem, europäische Firmen von Rüstungsaufträgen des Pentagon auszuschließen: „Es ist klar, dass unsere europäischen Partner und Verbündeten es nicht begrüßen würden, wenn die USA als Reaktion darauf ähnliche Einschränkungen einführen würden. Auch wir würden sie in Zukunft ungern in Erwägung ziehen.“

Im Hinblick auf den Konflikt von 2003, als sich Deutschland und Frankreich nicht am illegalen US-Überfall auf den Irak beteiligten, heißt es, die derzeitigen Pläne der EU „könnten nicht nur die konstruktive Beziehung zwischen der Nato und der EU beschädigen, sondern auch zu einer Wiederholung der Spannungen führen, die vor fünfzehn Jahren unseren Austausch über europäische Verteidigungsinitiativen beherrschten.“

Die Londoner Denkfabrik International Institute of Strategic Studies (IISS) veröffentlichte diese Woche eine Studie, die verdeutlicht, dass die herrschenden Kreise Europas die Gefahr eines Zusammenbruchs des amerikanisch-europäischen Bündnisses sehr ernst nehmen. Der Bericht mit dem Titel „Verteidigung Europas: Szenario-basierte Erfordernisse für die europäischen Nato-Mitglieder“ enthält eine Einschätzung, was es die EU kosten würde, wenn die USA das Bündnis verlassen würden. Laut dieser Einschätzung wären 110 Milliarden Dollar für den Aufbau der Marine und 357 Milliarden Dollar für die Vorbereitung auf einen Krieg gegen Russland notwendig.

Diese Dokumente zeigen, wie weit die Bündnisse und Vereinbarungen, die jahrzehntelang die internationalen Beziehungen des Weltkapitalismus beherrschten, schon auseinandergedriftet sind. Das entlarvt das Bemühen der europäischen Imperialisten, ihre massive Steigerung der Militärausgaben und Operationen als Unterstützung für die Nato zu verkaufen. Das Pentagon sieht in den Plänen die Gefahr, dass die EU-Armee zu einem Rivalen der Nato werden könnte. Die Nato war 1949, nach zwei Weltkriegen, gegründet worden; davor hatten die USA und Deutschland auf verschiedenen Seiten gestanden.

Vor wenigen Tagen haben die USA Kriegsschiffe in den Persischen Golf geschickt. Dies wurde mit der unglaubwürdigen Behauptung begründet, der Iran stelle eine große Gefahr für amerikanische Interessen dar. In Wirklichkeit verfolgt Washington Kriegsziele weit über diese ölreiche Region hinaus. Die Vereinigten Staaten versuchen nicht nur verzweifelt, ihre schwindende Hegemonie im Nahen Osten und Eurasien zu behaupten. Ein Hauptziel besteht auch darin, eine mögliche Bedrohung durch Großmachtrivalen auszuschalten, zu denen auch seine nominellen europäischen Verbündeten zählen.

Die EU-Mächte stecken Milliarden Euro in ihre Streitkräfte, um blutige Plünderungskriege wie zum Beispiel die französisch-deutsche Besetzung von Mali zu führen. Das zeigt schon, dass es hier um Klasseninteressen geht. Die Imperialisten kämpfen erbittert um die Kontrolle über die Weltressourcen und die Verteilung der Beute, die aus der Weltwirtschaft gewonnen wird. Gleichzeitig wächst der Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Kriege und die Sparmaßnahmen, mit denen sie finanziert werden.

Als die USA 2003 den Irak überfielen und dies mit nicht vorhandenen irakischen Massenvernichtungswaffen zu rechtfertigen versuchten, da verbanden sich Berlin, Paris und Moskau unter dem Dach der UN zu einer kurzfristigen Allianz. Darin erblickten die Vereinigten Staaten eine ernste Bedrohung. Diese Konflikte verschärfen sich heute aufs Neue, da Großbritannien infolge des Brexit seine Fähigkeit verliert, die amerikanischen Interessen in der EU wahrzunehmen und sein Veto gegen die europäischen Streitkräfte einzulegen. Die wirtschaftliche und politische Rivalität zwischen den USA und den EU-Mächten äußert sich in der Form, dass alle Nato-Mitglieder verpflichtet werden, ihre Militärausgaben auf zwei Prozent des BIPs zu erhöhen.

Am 13. Mai brachten zwei US-Senatoren ein von beiden Parteien unterstütztes Gesetz ein. Es soll europäische und russische Firmen sanktionieren, die sich an der Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland beteiligen. Das Gesetz sieht den Einsatz der Methoden, die bisher gegen den Iran und Russland angewandt wurden, auch gegen Europa vor. Betroffen wären Beschäftigte und Güter der Firmen, die sich am Bau der Pipeline beteiligen. Zu diesen Firmen könnten der deutsche Konzern BASF, der britisch-niederländische Ölkonzern Royal Dutch Shell und das französische Energieunternehmen ENGIE gehören.

Auch wegen der Beziehungen der EU zu China mehren sich die Spannungen. Italien hat im März gegen den Widerstand der USA offiziell eine Absichtserklärung unterzeichnet, in dem es die chinesische Belt and Road Initiative (BRI) unterstützte, ein riesiges Infrastrukturprojekt über ganz Eurasien. Seither haben die USA Deutschland und Großbritannien damit gedroht, die Zusammenarbeit der Geheimdienste auszusetzen, weil sie dem chinesischen Konzern Huawei erlaubt hätten, am Aufbau ihres Telekommunikationsnetzwerks teilzunehmen.

Vor allem die Kampagne der USA gegen den Iran seit dem Rücktritt der Trump-Regierung aus dem Atomabkommen von 2015 hat erbitterte Konflikte provoziert. Die Wiedereinführung der Sanktionen untergräbt die milliardenschweren Geschäfte, die der Iran mit europäischen Öl- und Industriekonzernen abgeschlossen hat.

Letzte Woche war Pompeo zu Besuch in Großbritannien, wo er Unterstützung beim Vorgehen der USA gegen den Iran einforderte. Danach sagte er einen geplanten Besuch in Berlin wegen „drängender Probleme“ abrupt ab und flog stattessen nach Bagdad. Dort machte er Werbung für Geschäfte mit den amerikanischen Ölkonzernen und forderte von der irakischen Marionettenregierung, die nach dem Krieg 2003 eingesetzt worden war, die Interessen der USA vor der angeblichen Bedrohung durch den Iran zu schützen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb über Pompeos Abfuhr an Berlin, ein Großteil dessen, was bisher als deutsch-amerikanische Freundschaft hochgelobt worden sei, liege mittlerweile in Trümmern.

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron beklagte sich darüber, dass die USA das Atomabkommen mit dem Iran torpediert hätten. Letzte Woche erklärte er bei einem EU-Gipfel in Rumänien: „Erstens hat sich der Iran nicht von dem Abkommen zurückgezogen. Zweitens, sollte sich der Iran zurückziehen, sind die USA dafür verantwortlich.“

Spanien zog am Mittwoch die Fregatte „Mendez Nunez“ aus der amerikanischen Kampfgruppe um den Flugzeugträger USS Abraham Lincoln ab, die den Iran momentan vom Persischen Golf her bedroht. Die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles erklärte offen: „Wenn die nordamerikanische Regierung den Flugzeugträger Abraham Lincoln in eine bestimmte Zone zu einem Einsatz schickt, dem Spanien nie zugestimmt hat, dann müssen wir die Trägerkampfgruppe vorübergehend verlassen.“

Madrids Vorgehen deutet darauf hin, dass ein Angriff der Kampfgruppe auf den Iran bevorsteht. Dennoch versucht die spanische Regierung, ihre Entscheidung herunterzuspielen und ihre Bedeutung vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Der spanische Außenminister Josep Borrell erklärte, Madrid habe in Washington „nicht offiziell Beschwerde eingereicht“ und fügte hinzu: „Es ist nichts, worüber man sich zu sehr aufregen sollte.“

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