Autozulieferer Eisenmann meldet Insolvenz an – 3000 Arbeiter betroffen

Der weltweite Rückgang der Verkaufszahlen in der Autoindustrie hat sein nächstes Opfer gefordert. Am Montag meldete der Anlagenbauer Eisenmann für sich und seine Tochtergesellschaften Insolvenz an. Das baden-württembergische Familienunternehmen beschäftigt an 27 Standorten in 15 Ländern 3000 Arbeiter, davon 1400 in Deutschland, die meisten am Stammsitz in Böblingen bei Stuttgart.

Die Pleite hatte sich bereits angekündigt. Schon die letzten Monatsgehälter der Beschäftigten wurden angeblich nicht überwiesen. Arbeiter haben berichtet, nun per Mail von der Insolvenz erfahren zu haben.

Eisenmann ist einer der weltweit führenden Produzenten für Lackieranlagen sowie Lichttunnel für die Qualitätskontrolle in der Automobilindustrie. Zu den Kunden des Konzerns gehören etwa der italienische Luxushersteller Lamborghini, der kalifornische Elektroautobauer Tesla oder die Daimler AG. Für den deutschen Automobilhersteller hatte Eisenmann einen Auftrag für das Werk im ungarischen Kecskemet bekommen. Doch der Werksausbau wurde wegen schlechter Verkaufszahlen erst einmal ausgesetzt.

Gerüchte, laut denen dies bei der Eisenmann-Insolvenz eine wichtige Rolle gespielt habe, dementierte Daimler am gestrigen Dienstag: „Entgegen anderslautender Berichte hat die Daimler AG keine Aufträge bei der Firma Eisenmann storniert. Daimler steht bereits seit Monaten in Kontakt mit der Geschäftsleitung von Eisenmann und ist der Bitte nach Unterstützungsleistungen nachgekommen.“

Das Handelsblatt berichtete gestern, Eisenmann habe sich vielmehr an einigen Großprojekten „verhoben“, was 2018 zu einem hohen Verlust geführt habe. Zudem habe das Unternehmen im harten Konkurrenzkampf Aufträge zu Dumpingpreisen angenommen. Das räche sich jetzt.

Zahlen für 2018 liegen noch nicht vor. Aber schon 2017 war der Umsatz von 862 auf 723 Millionen Euro eingebrochen. Jetzt soll er noch weiter gesunken sein.

„Wir mussten hier schnell und konsequent handeln“, erklärte Michael Keppel, geschäftsführender Direktor und verantwortlich für die Sanierung. Die Familie Eisenmann und die Kreditgeber unterstützten den eingeschlagenen Weg. Schon vor zwei Jahren hatte die Familie mit einem chinesischen Investor über den Verkauf des Unternehmens verhandelt. Die Gespräche sollen im Herbst 2017 abgebrochen worden sein, weil die Vorstellungen über den Kaufpreis weit auseinandergingen.

Die Eigentümerfamilie versucht nun, mithilfe des Insolvenzverfahrens Anteile abzustoßen, Arbeitsplätze abzubauen und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Das Unternehmen fokussiere sich auf sein Kerngeschäft und wolle „mit der Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens die strategische Neuausrichtung der Eisenmann Gruppe vorantreiben, um so schnell wie möglich zu einem profitablen Geschäft zurückzukehren“, formulierte Keppel.

Für das angestammte Geschäft mit Lackieranlagen für die Autoindustrie suche Eisenmann nun einen strategischen Partner, erklärte Keppel am Montagabend. „Die ersten Interessenten haben sich auch schon gemeldet.“

Noch ist aber völlig unklar, ob die Eisenmann-Gruppe nicht vollständig zerschlagen wird. Die Konkurrenten, wie die benachbarte Dürr AG, reiben sich bereits die Hände. Auch das börsennotierte Unternehmen hatte aufgrund schwächerer Gewinnerwartungen im Frühjahr mit „Sanierungsmaßnahmen“ begonnen.

Dürr hat Anzeigen geschaltet, um Ingenieure vor allem von Eisenmann abzuwerben. „Wir hoffen, unsere offenen Stellen jetzt besser besetzen zu können“, zitiert das Handelsblatt einen Sprecher von Dürr. Der erklärte auch: „Wenn ein Autohersteller bei laufenden Projekten wegen der Eisenmann-Insolvenz Hilfe braucht, stehen wir bereit.“

Dürr hatte zwar kürzlich auch eine Gewinnwarnung herausgegeben, aber erwartet immer noch eine Rendite zwischen 5,5 und 6 Prozent.

Die Insolvenz von Eisenmann wirft ein Schlaglicht auf die gesamte Automobilbranche. Die Produktion geht weltweit um fünf Prozent zurück. Insbesondere China, der größte Automobilmarkt der Welt, der bislang die große Hoffnung der Hersteller war, verzeichnet nun einen anhaltenden Rückgang. Im ersten Halbjahr 2019 sanken die Neuwagenverkäufe um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Erst vor zwei Wochen hatte Opel angekündigt, in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern weitere 1100 Stellen zu streichen. Der japanische Nissan-Konzern kündigte letzte Woche den Abbau von 12.500 Arbeitsplätzen weltweit an. Ford gab Ende Juni 12.000 Entlassungen und fünf Werksschließungen in Europa bis Ende 2020 bekannt. Seit Beginn des Jahres hat General Motors 14.000, Volkswagen 7000, Jaguar 4500 und Tesla 3000 Entlassungen angekündigt. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) vom vergangenen Herbst gelangt zum Schluss, dass eine übereilte Umstellung der Produktion auf Elektromobilität in der deutschen Autoindustrie 600.000 Arbeitsplätze gefährden und einen Großteil der Zulieferer ruinieren würde.

Das Handelsblatt berichtet, dass in dieser Situation auch die nachlassende Zahlungsmoral der Autoindustrie zu einer Verschärfung der Lage beitrage. Bei weniger liquiden und kleineren Unternehmen wie Eisenmann kann das zu Zahlungsschwierigkeiten bis hin zur Zahlungsunfähigkeit führen.

Eisenmann ist nicht das erste und wird nicht das letzte Opfer der global nachlassenden Konjunktur sein. Auch bei anderen Zulieferern werden Jobs abgebaut. Bei Marquardt in Rietheim bei Tuttlingen sollen 600 Stellen ins Ausland verlagert werden. Continental plant die Schließung seines Werks in Oppenweiler, Filterspezialist Mann und Hummel will 1200 Stellen weltweit streichen.

Der Chef des Auto-Zulieferers Mahle, Jörg Stratmann, hat angekündigt, am Standort Stuttgart knapp 400 Arbeitsplätze zu streichen und das Werk in Öhringen mit 240 Beschäftigten bis Ende 2020 zu schließen. Weitere Standortschließungen könne man nicht ausschließen.

Schaeffler kündigte schon vor Monaten den Abbau von 900 Arbeitsplätzen an, Goodyear-Dunlop will in Hanau und Fulda 1100 Stellen abbauen. Auch Bosch plant einen massiven Jobabbau. Zuletzt hatte mit Weber Automotive ein baden-württembergisches Unternehmen mit 1500 Arbeitern Insolvenz angemeldet.

Nach Angaben der IG Metall stehen aktuell allein im Südwesten, dem Zentrum der deutschen Autoindustrie, in jedem zweiten Betrieb „Kostensenkungen“ an. „Die Anzeichen häufen sich, dass etliche Unternehmen den Wandel der Zukunft mit Konzepten von Gestern gestalten wollen“, erklärte der dortige IG-Metall-Bezirkschef Roman Zitzelsberger, um im gleichen Atemzug zu beschwichtigen. Für Schwarzmalerei bestehe kein Anlass, nach Jahren der Hochkonjunktur trete die Branche nun in eine „Phase der Normalisierung“.

Die IG Metall und ihre Betriebsräte begnügen sich jedoch nicht damit, die Arbeiter in den Betrieben ruhig zu halten. Sie arbeiten die Pläne für den Sozialabbau und die Entlassungen selbst aus und setzen sie gegen die Belegschaften durch.

Aktuell bereitet die IG Metall mit ihrer Forderung nach einem Transformations-Kurzarbeitergeld Massenentlassungen in der Auto- und Zulieferindustrie vor. Das war auch das Ziel der Großdemonstration in Berlin Ende Juni, zu der die IG Metall unter dem Motto #Fairwandel aufgerufen hatte. Sie sollte Industrie und Regierung deutlich machen, dass die bevorstehenden Angriffe nur mit der Gewerkschaft und ihren 50.000 Betriebsräten und 80.000 Vertrauensleuten in den Betrieben durchzusetzen sind.

In einem Flugblatt für diese Demo schrieben wir: „Die Arbeiter stehen auf der ganzen Welt denselben multinationalen Konzernen und Finanzinteressen gegenüber. Deshalb dürfen sie sich nicht spalten lassen. Sie können ihre Rechte und Errungenschaften nur verteidigen, wenn sie ihre Kämpfe international koordinieren. Das erfordert einen Bruch mit den Gewerkschaften und den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees. Diese müssen den Kampf gegen Werksschließungen, Entlassungen und Sozialabbau organisieren und Verbindungen zu den Beschäftigen anderer Standorte und Länder aufbauen.“

Wir rufen alle Arbeiter in der Auto- und der Zulieferindustrie auf, Kontakt mit uns aufzunehmen, um die ersten Schritte dieser Offensive vorzubereiten.

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