100 Jahre Bauhaus: „Die neue Zeit“

Selten ist ein Jubiläum in Deutschland so ausgiebig gefeiert und kommentiert worden wie die Gründung des Staatlichen Bauhauses in Weimar 1919. Kaum eine deutsche Stadt, die über kulturelle Einrichtungen wie Museen, Kunst- oder Volkshochschulen oder Theater verfügt, in der in diesem Jahr nicht durch Ausstellungen, Vorträge, Symposien oder Performances an das Ereignis erinnert wurde. Darüberhinaus sind etliche Bücher und unzählige Artikel in Zeitungen und Zeitschriften erschienen, sowie Filme und Features in Fernsehen und Rundfunk gesendet worden. Sogar zwei neue Museen, in Weimar und in Dessau, wurden gebaut, um das Vermächtnis des Bauhauses zu bewahren.

Neues Bauhausmuseum in Weimar

Was macht diese Hochschule, die insgesamt nur 14 Jahre bestanden hat und dreimal, angefeindet von konservativen und nationalistischen Kreisen, ihren Standort wechseln musste, gerade heute so bedeutend?

Es sind nicht nur das moderne Design, das vom Bauhaus entwickelt und propagiert wurde, oder die schlichte, sachliche Architektur, die das 20. Jahrhundert weitgehend prägten, bis sie eine Zeitlang durch postmoderne Formensprache abgelöst wurden. Vielmehr sind es der Ansatz des Zusammenwirkens aller Formen künstlerischer Arbeit und die schöpferische Kraft, die sich gerade in der gemeinsamen Arbeit im Kollektiv entfalten konnte. Offenbar existiert angesichts der um sich greifenden Krise des Kapitalismus eine Sehnsucht nach Kreativität, die nicht mehr so sehr nach individueller „Selbstverwirklichung“ strebt, sondern sich den Bedürfnissen und Problemen der menschlichen Gesellschaft stellt.

Dieses Bedürfnis trifft sich mit den Zielen und Perspektiven, unter denen das Bauhaus gegründet wurde und sich entwickelt hat. Walter Gropius hat in seinem Gründungsmanifest den Bau ins Zentrum der künstlerischen Arbeit gestellt, indem er an die handwerklichen und künstlerischen Traditionen der mittelalterlichen:Baukunst anzuknüpfen versuchte. Der Bau, der Raum und alles darin Befindliche sollten so gestaltet werden, dass sie dem Menschen dienen. Dem sollte auch die nur scheinbar rückwärtsgewandte Rückbesinnung auf das Handwerk und seine soliden Grundlagen entsprechen. Das handwerklich Solide zielte durchaus auf die Fertigung von Modellen für eine spätere Fertigung in der Industrie.

Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! Ihn zu schmücken war einst die vornehmste Aufgabe der bildenden Künste, sie waren unablösliche Bestandteile der großen Baukunst. Heute stehen sie in selbstgenügsamer Eigenheit, aus der sie erst wieder erlöst werden können durch bewusstes Mit- und Ineinanderwirken aller Werkleute untereinander. Architekten, Maler und Bildhauer müssen die vielgliedrige Gestalt des Baues in seiner Gesamtheit und in seinen Teilen wieder kennen und begreifen lernen, dann werden sich von selbst ihre Werke wieder mit architektonischem Geiste füllen, den sie in der Salonkunst verloren. …

Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte! Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens.

Nicht zufällig schmückte das Programmheft mit Gropius´ Aufruf eine Kathedrale von Lionel Feininger, die symbolhaft das gemeinsame Streben von Künstlern, Baumeistern und Handwerkern ausdrückte.

Das Titelbild des Bauhaus-Manifests von Lionel Feininger

Der Architekt Gropius hatte bereits vor dem Ersten Weltkrieg die Ideen des Deutschen Werkbundes aufgegriffen, einer wirtschaftskulturellen „Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen“, deren zentrales Anliegen die Suche nach einer neuen durch „Zweck“, „Material“ und „Konstruktion“ bedingten Formgebung war. Diese Ideen wurden im Krieg von Architekten und Kunstschaffenden weiter diskutiert. Sie waren auch nicht auf Deutschland oder das Bauhaus beschränkt, sondern wurden international diskutiert und entwickelt, wobei sich die verschiedenen Richtungen gegenseitig beeinflussten.

Einer der wichtigsten Vertreter einer Vereinigung von Kunst-, Architektur- und Kunstgewerbeschulen in Deutschland war der Architekt Bruno Taut, dessen beispielgebenden Berliner Großsiedlungen (Hufeisensiedlung, Onkel Toms Hütte, u.a.) heute Bestandteil des Unesco-Weltkulturerbes sind.

Taut gehörte 1918 zu den Gründervätern des „Arbeitsrats für Kunst“, der in Anlehnung an die in dieser Zeit gegründeten Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin entstanden war. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, die aktuellen fortschrittlichen Entwicklungen und Tendenzen in Architektur und Kunst einer breiten Bevölkerung nahezubringen, nicht zuletzt inspiriert durch die Oktoberrevolution 1917. Er glaubte damals, der Kapitalismus sei grotesk und müsse wohl an sich selbst zugrunde gehen. Wie viele Künstlerinnen und Künstler jener Zeit erhielten auch die Mitglieder des Arbeitsrats aus den politischen und künstlerischen Entwicklungen und Diskussionen im nachrevolutionären Russland wichtige Impulse.

In einem Flugblatt des Arbeitsrats vom 1. März 1919 hieß es:

An der Spitze steht der Leitsatz: Kunst und Volk müssen eine Einheit bilden. Die Kunst soll nicht mehr Genuss weniger, sondern Glück und Leben der Masse sein. Zusammenschluss der Künste unter den Flügeln einer großen Baukunst ist das Ziel.

Auch Gropius hatte sich nach Kriegsende dem „Arbeitsrat für Kunst“ angeschlossen und eine führende Funktion darin übernommen.

Die Neue Zeit

„Die Neue Zeit“ ist der Titel einer sechsteiligen Fernsehserie zum Bauhaus-Jubiläum, die kürzlich im ZDF und auf ARTE lief und noch in den jeweiligen Mediatheken zu sehen ist. Der Titel ist durchaus angemessen, bezieht er sich doch auf den bis heute fortwirkenden gesellschaftlichen Ansatz der 1919 in Weimar gegründeten Kunstschule. Diese war aus der Zusammenlegung der Vorgängereinrichtungen entstanden, der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule Weimar und der 1907 von Henry van de Velde gegründeten Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar, in deren Gebäuden sie ihren Lehrbetrieb begann.

Die Serie beschränkt sich auf die Weimarer Jahre des Bauhauses. Sie schildert die Aufbruchsstimmung und große Begeisterung, aber auch die extreme Mangelsituation, aus der heraus zukunftsweisende, fortschrittliche Lösungen gefunden werden. Man machte in den Werkstätten Erfindungen zur Herstellung eigener oder gefundener Materialien, nutzte diese kreativ und lernte, sparsam mit den knappen Ressourcen umzugehen,

In Weimar, der Stadt von Goethe und Schiller, wurden diese zwei in ihrer Zeit radikalen Denker und Künstler von reaktionären völkischen Kräften instrumentalisiert, um ihren eigenen rückwärtsgerichteten Nationalismus gegen das Bauhaus und alles, was es verkörperte, zu rechtfertigen. Sie geiferten gegen Internationalismus, gegen Gleichberechtigung der Geschlechter und gegen den Versuch, zugunsten eines gesellschaftlich kulturellen Gesamtkonzeptes Grenzen zwischen den verschiedenen Kunstformen und dem Handwerk zu überwinden.

Gropius hatte sich bereits im Ersten Weltkrieg aus dem Schützengraben heraus um die Leitung der Weimarer Hochschule beworben. Im Vorspann des ersten Teils der Serie wird diese Szene inmitten von Originalaufnahmen aus dem Krieg gezeigt. Schüler wie Lehrer (Meister) kamen aus den Erschütterungen des Krieges und sahen einem gesellschaftlichen Neuanfang entgegen, den sie mit aller Kraft gemeinsam gestalten wollten.

Im Gegensatz zu dem früher in der ARD gesendeten Film „Lotte in Weimar“, in dem eine Liebesgeschichte und das Thema der Unterdrückung und Benachteiligung der Frauen am Bauhaus dominierten, hat die Serie von Lars Kraume eine Reihe von Stärken, auch wenn die Rahmenhandlung und die Wahl von Dörte Helm (im Film Anna Maria Mühe) als Hauptprotagonistin (die auch im ARD-Film auftritt) zunächst einen ähnlichen Ansatz vermuten lässt. Kraume und sein Team stützen sich weitgehend auf sorgfältige Recherchen und ermöglichen einen realistischen Einblick in die Aufbruchsstimmung und Begeisterung, mit der die Schüler, Frauen und Männer, und die Meister damals ans Werk gingen.

Der Film beginnt mit dem Interview des 80-jährigen Walter Gropius (gespielt von August Diehl) in New York durch die feministische Journalistin Stine Branderup (Trine Dyrholm), die ihm vorwirft, Frauen am Bauhaus unterdrückt zu haben, und führt als Beispiel die reale historische Figur Dorothea (Dörte) Helm an. Helm hatte am Bauhaus in Weimar studiert und sich dort auf bemerkenswerte Weise durchgesetzt und emanzipiert. Die fiktive Handlung geht der Frage nach, warum sie schließlich nicht wie andere als Jungmeisterin ans Dessauer Bauhaus übernommen wurde.

Auch Kraume beschäftigt die Frage, warum die Schule nach außen die Gleichstellung von Frauen propagierte, sie im Alltag aber nicht umsetzte. Er enthält sich aber eindeutiger Schuldzuweisungen, sondern zeigt eine Menge plausibler Erklärungen dafür, warum Gropius im Interesse der Erhaltung der Schule Kompromisse einging. Hierin wird er unterstützt vom sozialdemokratischen Volksbildungsminister Greil (Sebastian Blomberg), der allerdings immer wieder den Anfeindungen der konservativ-nationalistischen „guten Gesellschaft“ Weimars und reaktionärer Kreise nachgibt. Zu denen zählen auch die alten Meister der alten Kunstschule und ihre Schüler, die Gropius angiften, weil er Juden, Frauen und Bolschewisten an die Schule geholt habe. Aber auch die noch gängigen Vorurteile der von ihm neu verpflichteten Lehrer spielten durchaus eine Rolle.

Dörte Helm (Anna Maria Mühe, M.) in der Weberei (Foto: ZDF und Julia Terjung)

Die Einrichtung einer reinen „Frauenklasse“ und die Verbannung der Studentinnen in die Weberei war sicherlich ein Zugeständnis an diese Anfeindungen und Vorurteile. Aber wie der Film zeigt, ließen sich die Weberinnen nicht unterdrücken, Vielmehr entwickelte sich die Textilwerkstatt des Bauhauses unter Gunta Stölzl (Valerie Pacher), die in Dessau ihre Leitung übernahm, zu einem äußerst kreativen Zentrum der Textilkunst und -technik und wurde zu einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Werkstätten des Bauhauses.

Kraume selbst erklärt zum Konflikt um die Gleichberechtigung:

Von allen wahren Biografien eignete sich ihre [Dörte Helms] am besten für unsere Geschichte. Sie kam aus bürgerlichem Hause und war dennoch die rebellischste unter ihren Kommilitoninnen, wurde exmatrikuliert und doch wieder aufgenommen, hatte diese ungeklärte Beziehung zu Gropius, mit dessen Hilfe sie sich der Malklasse von Oskar Schlemmer anschließen konnte, obwohl Frauen eigentlich nur in die Weberei durften – und gab dann nach so vielen Kämpfen auf, um wieder zu ihrem patriarchalischen Vater nach Rostock zu ziehen. Wir haben uns gefragt, warum.

Welche Rolle die angebliche Affäre von Gropius zu Dörte Helm dabei spielte, ist historisch ungeklärt, lieferte aber offenbar dramatischen Filmstoff. Das Ehrengericht, das klären sollte, ob Gropius ein Verhältnis mit seiner Studentin Helm hatte, gab es wirklich. Es sprach ihn von dem Vorwurf frei.

War das Bauhaus politisch?

Auch wenn die Rahmenhandlung und die angebliche Affäre verhältnismäßig großen Raum einnehmen, hat die Serie neben den hervorragenden Darstellern auch sehr starke Handlungsmomente, in denen die Geschichte des Bauhauses deutlich wird und aufscheint, was bis heute seine Faszination ausmacht.

Dazu gehört, dass Kraume und sein Team die Handlung präzise in die dramatischen Zeitereignisse, die Klassenkämpfe 1919 bis 1923 einfügen. Das beginnt mit den Originalaufnahmen von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs zu Eingang des Ersten Teils. Später werden z.T. in Schwarzweiß gedrehte Kampfszenen mit Polizeikräften und vor allem die Ereignisse um den Generalstreik der Arbeiter gegen den Kapp-Putsch und ihre Unterstützung durch Bauhausstudenten gezeigt.

Dörte und Marcel (Ludwig Trepte) beteiligen sich am Kampf gegen den Kapp-Putsch (Foto: ZDF und Julia Terjung)

Gropius versuchte seine Schule gegen die reaktionären Anfeindungen zu schützen, indem er sie für „unpolitisch“ erklärte. Aber den politischen Verhältnissen und Antagonismen der frühen Weimarer Republik konnte sie nicht entgehen.

Innerhalb der Hochschule fanden von Beginn an Auseinandersetzungen mit nationalistischen Studenten um einen gewissen Hans Groß und die alten Meister der Hochschule statt. Sie richteten sich gegen Frauen, ausländische Studierende und Juden an der Hochschule. Die Konflikte enden auch nicht, als die alte Kunstschule wieder abgespalten wird und die völkisch nationalen Studierenden bei den alten Meistern weiterstudieren können. Das hieß zugleich, dass der Etat des Bauhauses um die Hälfte schrumpfte.

Immer wieder wird anschaulich gezeigt, unter welchen prekären Bedingungen die Bauhäusler ihre Überzeugungen und Ziele von Freiheit der Kunst, Emanzipation und Internationalismus gegen die nationalistischen Kräfte durchsetzen mussten. Durch ihr künstlerisches Schaffen wollten sie gesellschaftliche Unterschiede aufheben und zum Verständnis zwischen den Völkern beitragen.

Errungenschaften, Widersprüche und Differenzen im Bauhaus

Oft werden mit dem Bauhaus „reduzierte Farben, klare Linien und Funktionalität“ assoziiert, aber das stimmt nur zum Teil und eher für das Bauhaus in Dessau. Gerade in der Weimarer Zeit ist der Ansatz viel breiter und farbiger. Auch das zeigt die Serie anschaulich.

Dafür stehen gerade die von Gropius zuerst berufenen Meister der Anfangszeit: darunter Johannes Itten (Sven Schelker), Lionel Feininger (Ernst Stötzner), Oskar Schlemmer (Tilo Werner), Marcel Breuer (Ludwig Trepke) und Wassily Kandinsky (Pjotr Olev), Paul Klee (Marek Harloff) sowie später noch Lazslo Moholy-Nagy (Alexandru Cirneala). Einige von ihnen hatten sich schon vor dem Krieg einen Namen als expressionistische Künstler gemacht.

Revolutionär war auch die Einbeziehung der Tanz- und Bühnenkunst in die Ausbildung. Authentisch sind die Bauhausabende mit Vorstellungen bekannter Künstler, wie Else Lasker-Schüler (Marie-Lou Sellem), und die berühmten Bauhausfeste mit ihren fantasievollen Kostümen und Lampions, die den Lebenshunger der jungen Menschen nach den Schrecken des Weltkriegs ausdrückten.

Auch die heftigen Auseinandersetzungen um die künstlerische Ausrichtung der Bauhausausbildung werden in „Die Neue Zeit“ thematisiert. Sie entwickeln sich im Laufe der Weimarer Jahre um die Lehren von Itten und seinen Anhängern, die sich in ihrem Bestreben, die Vervollkommnung des Menschen ins Zentrum ihrer künstlerischen Tätigkeit zu stellen, extremen lebensreformerischen Strömungen zuwenden und sich immer mehr der fernöstlichen Mazadaznan-Sekte und ihren esoterischen Lehren anzunähern, was letztlich zum Bruch und Ittens Ausscheiden führt. Dennoch blieb trotz späterer Änderungen der von Itten entwickelte verbindliche Vorkurs erhalten, durch den alle Schüler sich Grundfertigkeiten des Umgangs mit Farbe, Materialien und Techniken aneignen mussten.

Auf der anderen Seite standen die Konzentration auf klare, konstruktivistische Formen nach dem Prinzip „Form folgt der Funktion“ sowie die Konzentration auf die Grundfarben, wie sie der zunächst als Gastredner eingeladenen Theo van Doesburg von der niederländischen de Stijl-Bewegung vertrat. De Stijl hatte viele Anhänger am Bauhaus, obwohl Doesburg nie als Dozent berufen wurde.

Der sechste und letzte Teil der Serie widmet sich der großen erfolgreichen Bauhaus-Ausstellung von 1923 mit der Errichtung des Hauses am Horn als Höhepunkt, in dem erstmals das Zusammenwirken aller Künste und Handwerke in einem Bau verwirklicht werden konnte. Das Ziel war, ein bezahlbares Haus mit allem nötigen Inventar für eine Familie zu bauen. Das Haus am Horn verweist bereits auf den erst später in Dessau weiterentwickelten Ansatz des Bauens mit günstigen, z.T. vorgefertigten, aber gediegenen Materialien und einfacher, aber funktionaler und zugleich ansprechender Ausstattung hin.

Aber das Ende in Weimar ist nicht mehr weit. 1924 wurden der Schule mit dem Sieg einer rechten, deutschnationalen Regierung die Gelder gestrichen. Das Bauhaus musste sich einen neuen Standort in der Industriestadt Dessau suchen.

Neues Baushausmuseum in Dessau

Die Ansätze für die Ausbildung von Künstlern und Architekten, um die sich Gropius und die Bauhäusler bemühten, sind bis heute in vieler Hinsicht fruchtbar. Auch wenn sie nicht alle Fragen lösen konnten, weil sie den Zwängen der kapitalistischen Gesellschaft und den Verheerungen der Kultur durch Nationalsozialismus und Krieg ausgesetzt waren, lohnt sich die Auseinandersetzung mit ihren Ideen und ästhetischen Lösungen gerade heute.

Die Fragen und Widersprüche um Kunst, Gestaltung und Bauwesen, die sich 1919 in Weimar stellten, sind wieder höchst aktuell, werden doch erneut völkisch nationalistische Forderungen im Kulturbetrieb erhoben. Eine ganze Schicht von Intellektuellen begibt sich in reaktionäres Fahrwasser. Die AfD droht z.B. Künstlern und Projekten, die sich für die Verteidigung von Flüchtlingen und Migranten einsetzen, mit dem Entzug öffentlicher Förderung, sollte sie an die Macht kommen, und macht schon jetzt immer wieder Stimmung gegen ihr nicht genehme Kunst.

Ines Weizman, Professorin an der Bauhaus-Universität Weimar, wurde in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gefragt: „Tragen die Bauhaus-Institutionen – vor dem Hintergrund dieser Geschichte – heute eine gesellschaftspolitische Verantwortung?“ Sie antwortete:

Ja, die ist ganz wichtig! Damals wie heute müssen wir uns gemeinschaftlich gegen rechte Tendenzen und Angriffe gegen Kulturinstitutionen stellen und das 2019 gefeierte, internationale Netzwerk von Wissenschaftlern, Lehreinrichtungen, Kulturinstitutionen, Sammlungen und interessiertem Publikum auch als starke, gegen rechts einigende Kraft verstehen.

Dafür, dass das Bauhaus Dessau 2018 ein Konzert der linken Punkband Feine Sahne Fischfilet aus Angst vor einer rechten Gegendemonstration absagte, hatte sie kein Verständnis.

Siehe auch:

100 Jahre Bauhaus-Gründung

100 Jahre Bauhaus: Von Dessau nach Moskau

Der Weg nach Amerika. Zur Ausstellung Bauhaus: Dessau, Chicago, New York

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