„Sie haben uns schon wieder verraten!“

US-Autoarbeiter verurteilen vorläufige Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und GM

Die Autoarbeiter bei GM sind unzufrieden mit der vorläufigen Tarifeinigung, die die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) letzte Woche angekündigt hat. Die 48.000 streikenden Arbeiter werden auch in der kommenden Woche auf ihren Streikposten bleiben, während die UAW „Informationstreffen“ organisiert. Bis Freitag soll die Abstimmung über den Abschluss beendet werden.

Die vorläufige Einigung sieht vor, dass die schlechtere Bezahlung von neu eingestellten und befristet beschäftigten Arbeitern, die zur Spaltung der Belegschaft führt, beibehalten wird. Auch der vermehrte Einsatz von Zeitarbeitern wird abgesegnet. Außerdem hat die UAW der Schließung von vier Werken zugestimmt, darunter das Montagewerk in Lordstown und die Getriebewerke in Baltimore und Warren. Die zwei dreiprozentigen Lohnerhöhungen, die über die Laufzeit des Tarifvertrags vorgesehen sind, liegen unter der Inflationsrate und dem Anstieg der Lebenshaltungskosten.

Arbeiter auf Streikposten vor dem Technologiezentrum in Warren reagierten skeptisch auf die Versuche der UAW, die Vereinbarung als großen Sieg darzustellen. Einer von ihnen kommentierte: „Wir sollten erst wieder an die Arbeit zurückkehren, wenn wir den Vertrag gelesen haben und die Mitglieder darüber abgestimmt haben.“

Streikposten vor dem GM-Technologiezentrum in Warren

Ein anderer schrieb im Autoworker Newsletter: „Ich habe [unter anderen Arbeitern] herumgefragt, und ich glaube nicht, dass sie den Vertrag unterstützen. Wenn Leiharbeiter erst nach drei Jahren regulär eingestellt werden müssen, können sie alle zweieinhalb Jahre für 32 Tage entlassen werden, dann muss man sie als niemals fest einstellen. Selbst wenn GM das nicht vorhat, die Autoindustrie ist zu unbeständig.

Die Arbeiter auf der niedrigeren Stufe bekommen gesagt, sie würden nun nach vier Jahren die maximale Bezahlung bekommen, weil acht Jahre zu lang waren. Dann hat die Gewerkschaft aber einen Vertrag ausgehandelt, bei dem viele von uns immer noch acht Jahre warten müssen und die zwei Zulagen nicht bekommen. Ich werde mit Nein stimmen.“

Eine Autoarbeiterin, die jahrzehntelang im GM-Fertigungswerk in Wentzville (bei St. Louis) gearbeitet hat, erklärte: „Die meisten älteren Arbeiter sagen, wir werden betrogen. Alle stimmen [dem Autoworker Newsletter] darin zu. ... Sie haben uns schon wieder verraten und verkaufen uns diesen Betrug, als würden sie einen großartigen Deal aushandeln.“

Ein Leiharbeiter bei Ford in Michigan erklärte: „Ich glaube, die WSWS liegt richtig. Es ist absurd, dass wir nicht alle streiken.

Niemand weiß irgendwas über den Tarifvertrag. Meine Erfahrung ist, dass sie nur die Highlights bekanntgeben. Wir werden die Krankenversicherung verlieren, weniger Lohn bekommen und alles verlieren, wofür wir gekämpft haben. Es wird seit 18 Monaten verhandelt, und sie sind gegen uns.“

John, ein Vollzeitarbeiter bei Fiat Chrysler (FCA), erklärte: „[Die GM-Arbeiter] sollten mehr bei diesem Tarifvertrag bekommen, so hart wie sie arbeiten. Das hier ist ein kapitalistisches Land, es geht nur darum, den Armen Geld wegzunehmen.

Ja, die UAW soll eigentlich die Arbeiter vertreten, aber stattdessen bestiehlt sie die Arbeiter. Ich bin auch für Aktionskomitees. Statt dieser Schreibtischtäter sollten die Leute selbst abstimmen und entscheiden. Die Wall Street regiert dieses Land, und das müssen wir ändern.“

Auf die Frage nach der Zustimmung zu den Werksschließungen gegen das wertlose Versprechen, das Werk in Detroit-Hamtramck zu erhalten, erklärte John: „Ich weiß noch, wie [General Motors] Hamtramck gebaut hat. Sie haben das ganze Gebiet niedergebrannt, um es zu bauen, und jetzt wollen sie es schließen. Das ergibt keinen Sinn.“

Teshawn, der im Romulus-Antriebsstrangwerk von GM in Michigan für die geringere Lohnstufe arbeitet, verurteilte die vorläufige Einigung als Verrat an den Forderungen der Arbeiter: „Das ist nicht, was alle gewollt oder erwartet haben. Ich glaube, viele Arbeiter haben darauf gehofft, dass die Löhne der Stufe zwei direkt in volle Löhne umgewandelt werden. Es ist der längste Streik, den die UAW seit den 70ern veranstaltet hat, und jetzt werden wir wieder über den Tisch gezogen.

Es ist schrecklich, dass die vorläufige Einigung keine Verbesserungen für Zeitarbeiter enthält. Die werden von GM am schlechtesten behandelt. Als ich in Romulus anfing, durften Zeitarbeiter nur am Montag und Freitag arbeiten. Heute dürfen sie vier Tage pro Woche arbeiten. Sogar die regulär Beschäftigten sind es leid, dass die Zeitarbeiter halb so viel oder noch weniger verdienen als sie. Dass einer sechs Jahre lang immer wieder als Zeitarbeiter eingestellt wurde, zeigt, was für Spielchen sie mit diesen Leuten spielen.“

Teshawn verurteilte den korporatistischen Charakter der UAW: „Mein Gewerkschaftsvertreter spricht erst mit den Managern und Aufsehern, bevor er mit mir redet. Die UAW ist ein wichtiger Aktionär von GM. Wie kann man zwei Herren gleichzeitig dienen?

Meiner Meinung nach muss die UAW reformiert oder ersetzt werden. Wir werden ausgebeutet und verlieren massenweise Leistungen, die wir nicht verlieren sollten. Alle sind der Meinung, dass wir übel über den Tisch gezogen wurden, und es immer noch werden.“

Über die Zustimmung zu den Werksschließungen erklärte er: „Ich finde diese Schließungen furchtbar. Diesen Leuten wurden Arbeitsplätze versprochen, und sie müssen durch das ganze Land ziehen. GM hat in den letzten drei Jahren Rekordprofite von 35 Milliarden Dollar gemacht. Sie können mehr für diese Leute tun, vor allem, wenn sie das Unternehmen mit Steuergeldern retten.“

Nach einer Diskussion über den internationalen Charakter der Autoindustrie und die Notwendigkeit einer breit angelegten globalen Strategie erklärte John: „Ich denke schon lange, dass wir internationale Einigkeit brauchen. Die Leute müssen sich organisieren, das ist die einzige Möglichkeit, aber in der Vergangenheit hatten sie zu viel Angst davor. Wir sollten alle streiken und aus der gleichen Streikkasse bezahlt werden, die sie bisher ausgesaugt und für ihre eigenen Zwecke benutzt haben. Wir bekommen ein Streikgeld, von dem wir verhungern.“

Ein kanadischer Autoarbeiter schrieb dem Autoworker Newsletter eine Solidaritätsbotschaft an seine Klassenbrüder und -schwestern auf der anderen Seite der Grenze: „Ich halte diesen jüngsten Tarifvertrag für eine Schande und einen Schlag ins Gesicht der Produktionsarbeiter. Ich arbeite für einen Zulieferer von General Motors in Oshawa (Ontario, Kanada). Es macht mich einfach nur krank, dass von diesem aktuellen Abkommen nur [GM-Chefin] Mary Barra, ihre Bande von korrupten UAW-Führern und ihr neuer bester Freund Donald Trump profitieren.

Es ist mir nicht klar, warum diese historisch hochproduktiven Werke nicht umgerüstet oder modernisiert werden können, um umweltfreundliche Autos und Lkws zu bauen. Ich finde, die Arbeiter sollten auf ihren Streikposten bleiben und sich nicht dazu zwingen lassen, einen Ausverkauf zu akzeptieren.“

Ein pensionierter Arbeiter, der in dritter Generation in Ohio gearbeitet hat, schrieb dem Autoworker Newsletter über das GM-Werk in Lordstown, dessen Schließung die UAW unter dem vorgeschlagenen Tarifvertrag zulassen will:

„Lordstown (Ohio) ist ein Symbol für ein paar sehr reiche gierige Hedgefonds, die genug Aktien und Konzerne besitzen, um so viel Macht und Kapital abzuziehen, dass Familien auseinandergerissen und unsere Gemeinden zerstört werden. Darum geht es in diesem Kampf! Alle Aktivisten und diejenigen, die noch nie an einem großen Kampf teilgenommen haben, müssen die Initiative ergreifen.“

Die Arbeiter bei GM müssen jetzt die entsprechenden Lehren ziehen und der UAW die Initiative entreißen.

Eine Abstimmung mit „Nein“ ist notwendig, doch das alleine reicht nicht. Die dringendste Aufgabe der Autoarbeiter ist, Aktionskomitees zu bilden und die Kontrolle über den Kampf zu übernehmen. Diese Komitees sollten folgende Forderungen erheben:

 Keine Abstimmung ohne genügend Zeit, um den Vertrag gründlich zu lesen! Die Arbeiter müssen die Veröffentlichung des vollständigen Vertrags fordern, nicht nur die angeblichen „Highlights“. Sie müssen vor der Abstimmung außerdem mindestens eine ganze Woche Zeit bekommen, ihn gründlich zu lesen. Sie sollten breite, demokratische Diskussionen außerhalb der Aufsicht und Kontrolle der Gewerkschaft darüber veranstalten.

 Die Belegschaften müssen den Abstimmungsprozess selbst kontrollieren! Die Autoarbeiter sollten fordern, dass ihre Aktionskomitees die Kontrolle über die Abstimmungen haben, damit es keine Manipulationen gibt. Es wird allgemein angenommen, dass es bei der Abstimmung über den Tarifvertrag bei Ford 2015 zu Manipulationen kam.

 Weitet den Streik auf Ford und Fiat Chrysler aus! Vereint euch mit den Arbeitern anderer Länder! Aktionskomitees sollten auf dem Prinzip des Internationalismus basieren, d.h. dass Arbeiter überall die gleichen grundlegenden Interessen haben.

 Die Komitees sollten ihre eigenen Forderungen für den Streik formulieren, u.a. eine 40-prozentige Lohnerhöhung, die Wiedereinführung der Angleichung an die Lebenshaltungskosten für aktuelle und pensionierte Arbeiter, die Abschaffung des Stufensystems bei Löhnen und Zusatzleistungen, die sofortige Umwandlung aller befristeten Arbeitsverhältnisse in Vollzeitstellen mit vollen Löhnen und Zusatzleistungen, die Wiedereröffnung aller geschlossenen Werke und die Wiedereinstellung aller entlassenen Arbeiter.

 Die Autoarbeiter müssen die mutigen GM-Arbeiter in Silao (Mexiko) verteidigen und die Wiedereinstellung derjenigen fordern, die wegen ihrer Unterstützung für den Streik in den USA entlassen wurden.

Die WSWS ruft alle Arbeiter dazu auf, sich mit uns in Verbindung zu setzen, um Unterstützung bei diesem Kampf zu erhalten.

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