Perspektive

Das Jahrzehnt der sozialistischen Revolution ist angebrochen

Mit dem neuen Jahr ist ein Jahrzehnt des verschärften Klassenkampfs und der sozialistischen Weltrevolution angebrochen.

Wenn in der Zukunft kluge Historiker über die Umwälzungen des 21. Jahrhunderts schreiben, werden sie all die „offensichtlichen“ Anzeichen aufzählen, die zu Beginn der 2020er Jahre auf den revolutionären Sturm hindeuteten, der bald über den Globus hinwegfegen sollte. Die Gelehrten werden – anhand einer Unmenge an Fakten, Dokumenten, Grafiken, Websites, Social-Media-Postings und anderer aussagekräftiger digitalisierter Informationen – die 2010er Jahre als eine Periode beschreiben, die von einer unlösbaren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise des kapitalistischen Weltsystems gekennzeichnet war.

Sie werden konstatieren, dass zu Beginn des dritten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts die geschichtliche Entwicklung an genau dem Punkt angelangt war, den Karl Marx theoretisch vorhergesehen hatte: „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.“ [1]

Was also waren die Hauptmerkmale der letzten zehn Jahre?

Institutionalisierung unaufhörlicher militärischer Konflikte und wachsende Gefahr eines atomaren Weltkriegs

Es gab im letzten Jahrzehnt keinen einzigen Tag, an dem sich die Vereinigten Staaten von Amerika nicht im Krieg befanden. Die militärischen Operationen im Irak und in Afghanistan wurden fortgesetzt. Neue Interventionen gab es darüber hinaus in Syrien, Libyen, dem Jemen und der Ukraine. Das Jahr 2020 hat kaum begonnen, da droht mit der Ermordung des iranischen Generalmajors Qassem Suleimani auf Befehl von US-Präsident Donald Trump ein totaler Krieg zwischen den USA und dem Iran mit unabsehbaren Folgen. Dieser erneute gezielte Mord auf Anordnung eines amerikanischen Präsidenten, begleitet von blutrünstiger Prahlerei, zeugt vom Versinken der gesamten Führungselite in geistiger Umnachtung.

Schon die Verabschiedung einer neuen strategischen Doktrin im Jahr 2018 ließ eine gewaltige Eskalation der militärischen Operationen der Vereinigten Staaten erwarten. James Mattis, der damalige Verteidigungsminister, gab sie mit den Worten bekannt: „Wir werden unseren Kampf gegen die Terroristen fortsetzen, aber fortan steht die Konkurrenz der Großmächte – und nicht der Terrorismus – im Mittelpunkt der nationalen Sicherheit der USA.“ In der neuen Doktrin wurde offen ausgesprochen, worin der eigentliche Zweck der zuvor als „Krieg gegen den Terror“ bezeichneten Politik bestand: in der Verteidigung der Vormachtstellung des amerikanischen Imperialismus.

Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, diese Stellung um jeden Preis zu halten. Weder Geld noch Menschenleben spielen dabei eine Rolle. Entsprechend stellt das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) in seiner kürzlich veröffentlichten Studie mit dem Titel Strategic Survey fest: „Was die USA betrifft, so ist es unwahrscheinlich, dass sie auch nur einen strategischen Stab an China weiterreichen – weder freiwillig noch widerwillig oder nach irgendeinem Kampf.“

Alle imperialistischen Großmächte haben im letzten Jahrzehnt ihre Vorbereitungen auf einen Weltkrieg oder Atomkrieg vorangetrieben. Der Billionen-Dollar-Militärhaushalt, der 2019 von der Trump-Regierung mit Unterstützung der Demokratischen Partei verabschiedet wurde, ist ein Kriegshaushalt. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und alle anderen imperialistischen Länder rüsten ihre Streitkräfte auf. Die Bestrebungen des Imperialismus, einschließlich der herrschenden Eliten in Russland und China, wechseln zwischen Kriegsdrohungen und verzweifelten Bemühungen um irgendeine Übereinkunft.

Die Institutionen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurden, um einen neuerlichen globalen Konflikt zu verhindern, funktionieren nicht mehr. In der Strategic Survey heißt es:

Alle Trends von 2018–2019 bestätigen die Atomisierung der internationalen Gesellschaft. Weder das „Gleichgewicht der Kräfte“ noch eine „internationale regelbasierte Governance“ dienen als Ordnungsprinzipien. Internationale Institutionen wurden marginalisiert. Die diplomatische Routine der Konferenzen geht zwar weiter, wichtiger sind jedoch die konkurrierenden nationalen Bestrebungen, die allzu selten mit andern koordiniert werden und meistens sowohl in der Ausführung als auch in der Konsequenz unberechenbar sind.

Das Ende der „globalen regelbasierten Ordnung“ – d. h. einer Ordnung, die auf der unanfechtbaren Dominanz des US-Imperialismus beruht – setzt eine politische Logik in Gang, die zu Krieg führt. Wie die Strategic Survey warnt: „Es ist die Politik, die das Recht setzt und aufrechterhält. Wenn Streitigkeiten nicht durch das Recht beigelegt werden können, werden sie zur Lösung in den Bereich der Politik zurückverwiesen.“ Welchen „Bereich“ das IISS hier meint, erschließt sich aus Clausewitz‘ berühmter Definition des Kriegs als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

Und was würde ein Weltkrieg in der heutigen Zeit bedeuten? Das IISS verweist auf neue Pläne für den Einsatz von Atomwaffen. „Inzwischen modernisieren die USA und Russland ihre Arsenale und ändern ihre Doktrinen in einer Weise, die den Einsatz erleichtert. Gleichzeitig bleibt der Streit zwischen Indien und Pakistan über Kaschmir ein Krisenherd, an dem potenziell Atomwaffen eingesetzt werden können.“ In ihrer an Wahnsinn grenzenden Skrupellosigkeit ziehen die verantwortlichen Politiker den Einsatz taktischer Atomwaffen zunehmend als realistische Option in Betracht. Das IISS schreibt:

Mit einiger Sicherheit lässt sich nur sagen, dass ein begrenzter, regionaler nuklearer Schlagabtausch unter bestimmten Umständen schwerwiegende globale Umweltauswirkungen hat. Aber unter anderen Umständen könnten die Auswirkungen minimal sein. [Hervorhebung hinzugefügt]

Die Entwicklung in Richtung eines dritten Weltkriegs, der die Menschheit mit Vernichtung bedroht, kann nicht durch humanitäre Appelle aufgehalten werden. Krieg ist ein Ergebnis der Anarchie des Kapitalismus und der Überholtheit des Nationalstaatensystems. Deshalb kann er nur durch den weltweiten Kampf der Arbeiterklasse für den Sozialismus verhindert werden.

Zusammenbruch der Demokratie

Die extreme Verschärfung der Klassenspannungen und die Dynamik des Imperialismus sind die eigentliche Ursache für den allgemeinen Zusammenbruch demokratischer Herrschaftsformen. Wie Lenin während des Ersten Weltkrieg schrieb: „Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhin den Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen. Reaktion auf der ganzen Linie, gleichviel unter welchem politischen System (…)“. [2]

Die Wende der herrschenden Eliten zu autoritären und faschistischen Herrschaftsmethoden im letzten Jahrzehnt hat Lenins Analyse vollauf bestätigt. Der Aufstieg krimineller und sogar psychopathischer Persönlichkeiten, wie Narendra Modi in Indien, Rodrigo Duterte auf den Philippinen, Benjamin Netanjahu in Israel, Abdel Fattah al-Sisi in Ägypten, Jair Bolsonaro in Brasilien, Donald Trump in den Vereinigten Staaten und Boris Johnson in Großbritannien, ist symptomatisch für eine systemische Krise des gesamten kapitalistischen Systems.

Fünfundsiebzig Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs erhebt der Faschismus in Deutschland wieder sein Haupt. Die Alternative für Deutschland (AfD), ein Zufluchtsort für Neonazis, hat sich in den letzten zehn Jahren zur wichtigsten Oppositionspartei gemausert. Ermöglicht wurde ihr Aufstieg durch die Große Koalition in Berlin, korrupte Medien und reaktionäre Akademiker, die ungestraft die Verbrechen des Hitlerregimes beschönigen. Ähnliche Prozesse sind in ganz Europa im Gange, wo man mit Nostalgie der faschistischen Führer der 1930er und 1940er Jahre gedenkt: Pétain in Frankreich, Mussolini in Italien, Horthy in Ungarn und Franco in Spanien.

Im letzten Jahrzehnt kam es zu einem Wiederaufleben antisemitischer Gewalt und zur Kultivierung von Islamophobie und anderen Formen des nationalen Chauvinismus und Rassismus. An der Grenze der USA zu Mexiko wurden Konzentrationslager errichtet, um Flüchtlinge aus Mittel- und Südamerika einzusperren. Dasselbe geschah in Europa und Nordafrika, um die EU gegen Einwanderer abzuschotten.

Innerhalb der kapitalistischen Parteien gibt es keine fortschrittliche Tendenz. Selbst angesichts eines faschistischen Präsidenten verzichtet die Demokratische Partei darauf, ihre Opposition auf die Verteidigung demokratischer Rechte zu stützen. Stattdessen bedient sie sich der Methoden der Palastrevolte und klagt Trump nur deshalb an, weil er ihrer Meinung nach die US-Kampagne gegen Russland und den Stellvertreterkrieg in der Ukraine unterminiert hat.

Die Haltung des gesamten bürgerlichen Establishments zu demokratischen Rechten zeigt sich in der brutalen Behandlung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange und der Whistleblowerin Chelsea Manning. Mit Unterstützung sowohl der Demokraten als auch der Republikaner bleibt Assange im Londoner Gefängnis Belmarsh eingesperrt, wo er auf seine Auslieferung an die USA wartet. Manning ist seit mehr als einem Jahr inhaftiert, weil sie sich weigert, vor einer Grand Jury auszusagen, die weitere Anklagepunkte gegen Assange konstruieren soll.

Die Verfolgung von Assange und Manning zielt darauf ab, jede journalistische Tätigkeit, die bisher verfassungsrechtlich geschützt war, unter Strafe zu stellen. Sie ist Teil einer umfassenden Unterdrückung abweichender Meinungen und schließt die Internetzensur ein. Sie richtet sich auch gegen die Kampagne zur Befreiung der Arbeiter von Maruti-Suzuki in Indien und anderer Klassenkriegsgefangener.

Die Kriegsvorbereitungen, die mit massiven Ausgaben und der Anhäufung beispielloser Schulden einhergehen, rauben der Demokratie die letzte Luft zum Atmen. Letztendlich sind es die arbeitenden Menschen der Welt, die für die Kriegskosten aufkommen müssen. Diese Kosten werden auf den Widerstand einer Bevölkerung stoßen, die durch jahrzehntelange Opfer bereits bis zum Äußersten gereizt ist. Die Antwort der herrschenden Eliten wird darin bestehen, jede Form von Dissens der Bevölkerung noch stärker zu unterdrücken.

Zerstörung der Umwelt

Das letzte Jahrzehnt war von einer anhaltenden und immer schnelleren Umweltzerstörung geprägt. Immer dringender werden die Warnungen der Wissenschaftler. Werden nicht umgehend weitreichende Maßnahmen auf internationaler Ebene ergriffen, werden die Auswirkungen der globalen Erwärmung verheerend und unumkehrbar sein. Das tödliche Inferno, das Australien seit Monaten heimsucht, ist nur die jüngste entsetzliche Folge des Klimawandels.

Im November unterzeichneten 11.000 Wissenschaftler eine in der Zeitschrift BioScience veröffentlichte Erklärung, in der sie davor warnten, dass „der Planet Erde vor einem Klima-Notstand steht“. Darin heißt es, dass wir im Laufe von vierzig Jahren globaler Klimaverhandlungen „mit wenigen Ausnahmen im Allgemeinen so weitergemacht haben wie bisher und es weitgehend versäumt haben, dieses schicksalhafte Problem anzugehen“. Weiter schreiben die Autoren:

Die Klimakrise ist angekommen und beschleunigt sich schneller, als die meisten Wissenschaftler erwartet haben. Sie ist schlimmer als erwartet und bedroht die natürlichen Ökosysteme und das Schicksal der Menschheit … Besonders besorgniserregend sind potenziell irreversible Klima-Kipp-Punkte und die verstärkenden Rückkopplungen der Natur, die zu einem katastrophalen ‚Treibhaus Erde‘ führen könnten, das sich der Kontrolle des Menschen völlig entzieht. Diese Klimakettenreaktionen könnten zu erheblichen Störungen der Ökosysteme, der Gesellschaft und der Wirtschaft führen und große Gebiete der Erde unbewohnbar machen.

Zuvor hatte der Weltklimarat der Vereinten Nationen berichtet, dass 821 Millionen Menschen, die bereits heute unter Hunger leiden, aufgrund der Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Landwirtschaft verhungern könnten. Hunderte Millionen könnten von jeder Trinkwasserversorgung abgeschnitten werden, und noch viel mehr wären von den immer extremeren Wetterereignissen wie Überschwemmungen, Dürren und Hurrikans betroffen.

Der Klimawandel und andere Manifestationen der Umweltzerstörung sind das Ergebnis eines Gesellschafts- und Wirtschaftssystems, das nicht in der Lage ist, die globale Produktion rational und wissenschaftlich zu organisieren. Es geht nicht von den sozialen Bedürfnissen aus, zu denen auch eine gesunde Umwelt gehört, sondern von der unaufhörlichen Anhäufung privaten Reichtums.

Auswirkungen des Crashs von 2008 und Krise des Kapitalismus

Was sämtlichen Aspekten der sozialen und politischen Situation zugrunde liegt, ist die extreme Verschärfung der sozialen Ungleichheit. Sie ist die ebenso unvermeidliche wie beabsichtigte Folge aller Maßnahmen, die die herrschende Klasse nach der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 ergriffen hat.

Nach dem Finanzcrash am Vorabend der 2010er Jahre haben die Regierungen und Zentralbanken der Welt die Geldschleusen geöffnet. In den Vereinigten Staaten leiteten die Bush- und insbesondere die Obama-Regierung eine 700-Milliarden-Dollar Rettungsaktion für die Banken in die Wege. Darauf folgten Billionen von Dollar in Form der „quantitativen Lockerung“, die darin bestand, dass die amerikanische Notenbank den Finanzhäusern ihre wertlosen Anlagen und Wertpapiere abkaufte.

Über Nacht verdoppelte sich das US-Haushaltsdefizit. Die Aktiva der Federal Reserve stiegen von unter 2 Billionen Dollar im November 2008 auf 4,5 Billionen Dollar im Oktober 2014 und liegen heute immer noch bei über 4 Billionen Dollar. Mit einem neuen Programm zum Ankauf von Vermögenswerten in Höhe von 60 Milliarden Dollar pro Monat, das Ende 2019 eingeleitet wurde, wird die Bilanz voraussichtlich Mitte dieses Jahres die Höchststände nach dem Crash überschreiten.

Unter Trump wurde diese Politik in Form von massiven Senkungen der Unternehmenssteuern und der Forderung nach weiteren Zinssenkungen fortgesetzt. Die New York Times stellte in einem Artikel vom 1. Januar („A Simple Investment Strategy That Worked in 2019: Buy Almost Anything“) fest, dass der Wert fast aller Anlagewerte im vergangenen Jahr stark gestiegen ist. So stieg der Nasdaq um 35 Prozent, der S&P 500 um 29 Prozent, Rohstoffe um 16 Prozent, US-Unternehmensanleihen um 15 Prozent und US-Staatsanleihen um 7 Prozent. „Es war eine bemerkenswerte allgemeine Rallye von einem Ausmaß, wie man sie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hat. Die Ursache? In erster Linie der schwindelerregende Kurswechsel der Notenbank, die erst eine Erhöhung der Zinsen geplant hatte und sie dann doch senkte, um frisches Geld in die Finanzmärkte zu pumpen.“

Alle großen kapitalistischen Mächte verfolgen ähnliche Maßnahmen. Die Bereitstellung von Krediten in unbegrenzter Höhe und das Drucken von Geld – denn darauf läuft die quantitative Lockerung hinaus – haben die zugrundeliegende Krise noch verstärkt. Bei ihrem Versuch, sich selbst zu retten, haben die herrschenden Eliten den Parasitismus zur Norm erhoben und die soziale Ungleichheit verstärkt wie nie zuvor in der neueren Geschichte.

Die Finanzelite nutzte die unbegrenzte Geldschwemme auf den Märkten, um ihr Vermögen im letzten Jahrzehnt in astronomische Höhen zu treiben. Die 500 reichsten Individuen der Welt (0,000006 Prozent der Weltbevölkerung) verfügen heute über zusammen über ein Vermögen von 5,9 Billionen Dollar, das allein im letzten Jahr um 1,2 Billionen Dollar gestiegen ist. Dieser Anstieg übersteigt im Volumen das BIP aller Länder der Welt bis auf 15. (Das BIP oder Bruttoinlandsprodukt entspricht dem Gesamtwert aller produzierten Waren und Dienstleistungen.) In den USA haben die 400 reichsten Individuen mehr Vermögen als die unteren 64 Prozent zusammengenommen, und die oberen 0,1 Prozent der Bevölkerung haben einen größeren Anteil am Gesamtvermögen als jemals zuvor seit 1929, d. h. unmittelbar vor der Großen Depression.

Die soziale Katastrophe, mit der Massen von Arbeitern und Jugendlichen auf der ganzen Welt konfrontiert sind, ist das direkte Ergebnis einer Politik, die für die Bereicherung der Unternehmens- und Finanzelite sorgt.

Der Rückgang der Lebenserwartung der Arbeiter in den USA, die Massenarbeitslosigkeit insbesondere der Jugendlichen in der ganzen Welt, die verheerenden Sparmaßnahmen, die Griechenland und anderen Ländern auferlegt wurden, die Intensivierung der Ausbeutung zur Steigerung der Profite der Unternehmen – all dies ist die Folge der Politik der herrschenden Eliten.

Anwachsen der internationalen Arbeiterklasse und globaler Klassenkampf

Die objektiven Voraussetzungen für eine sozialistische Revolution werden durch die weltweite Krise des Kapitalismus geschaffen. Überall kam es im letzten Jahr zu Massenprotesten und Streiks, die den Weg für kommende soziale Umstürze vorgezeichnet haben: Von Mexiko, Puerto Rico, Ecuador, Kolumbien, Chile, über Frankreich, Spanien, Algerien und Großbritannien bis zum Libanon, Irak, Iran, Sudan, Kenia, Südafrika, Indien und Hongkong gingen die Menschen auf die Straße. In den USA, wo die gesamte politische Struktur auf die Unterdrückung des Klassenkampfs ausgerichtet ist, kam es zum ersten nationalen Streik der Autoarbeiter seit mehr als vierzig Jahren.

Das herausragendste und revolutionärste Merkmal des Klassenkampfes ist allerdings sein internationaler Charakter, der auf den globalen Charakter des modernen Kapitalismus zurückzuführen ist. Darüber hinaus ist die Bewegung der Arbeiterklasse von der jüngeren Generation geprägt und damit eine Bewegung, die die Zukunft gestalten wird.

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist heute unter 30 Jahre alt, in den rasant wachsenden Regionen wie Subsahara-Afrika, dem Mittleren Osten sowie in Süd- und Südostasien trifft das sogar auf über 65 Prozent der Bevölkerung zu. In Indien werden jeden Monat eine Million Menschen 18 Jahre alt. Im Nahen Osten und in Nordafrika treten in den nächsten fünf Jahren schätzungsweise 27 Millionen junge Menschen in das Arbeitsleben ein.

In den Jahren von 1980 bis 2010 wuchs die Arbeiterklasse durch die globale industrielle Entwicklung um 1,2 Milliarden Menschen an, in den folgenden zehn Jahren stieg die Zahl nochmals um Hunderte Millionen. 900 Millionen des Zuwachses von 1,2 Milliarden entfallen auf die Arbeiterklasse in den Entwicklungsländern.

Weltweit ist der Anteil der Erwerbstätigen, die in der bäuerlichen Landwirtschaft arbeiten, von 44 Prozent im Jahr 1991 auf 28 Prozent im Jahr 2018 zurückgegangen. Es wird erwartet, dass in den kommenden Jahrzehnten knapp 1 Milliarde Menschen im Afrika südlich der Sahara Teil der Arbeiterklasse werden. Besonders deutlich wird diese Tendenz am Beispiel Chinas: Von 2000 bis 2010 wanderten 121 Millionen Menschen vom „Bauernhof in die Fabriken“ ab, in den folgenden zehn Jahren kamen Millionen weitere hinzu.

Doch nicht nur in Asien und Afrika ist die arbeitende Bevölkerung gewachsen. In den hochentwickelten kapitalistischen Ländern zählen breite Schichten derjenigen, die sich früher der Mittelklasse zugehörig fühlten, heute zum Proletariat. Durch Einwanderungswellen von Lateinamerika in die USA sowie von Nordafrika und dem Nahen Osten nach Europa ist die Arbeiterklasse zudem nicht nur stark angewachsen, sondern auch in ihrer Zusammensetzung vielfältiger worden.

Die städtische Bevölkerung wuchs von 2010 bis 2019 weltweit um rund 1 Milliarde, sodass ein Netzwerk von „Megastädten“ entstand. Diese gleichen in ihrer wirtschaftlichen Betriebsamkeit einem Bienenstock und sind zugleich soziale Pulverfässer, in denen offenkundige Ungleichheit das tägliche Leben bestimmt.

Diese Arbeiter sind auf eine in der Weltgeschichte beispiellose Weise miteinander verbunden. Die kolossalen Fortschritte in Wissenschaft, Technologie und Kommunikation, vor allem die Entstehung des Internets und die Verbreitung mobiler Geräte, haben es Massen von Menschen ermöglicht, die Fake News der bürgerlichen Medien zu umgehen, die kaum mehr als ein Sprachrohr des Staats und der Geheimdienste sind. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, 4,4 Milliarden Menschen, haben heute Zugang zum Internet. Der durchschnittliche Mensch verbringt täglich über zwei Stunden in sozialen Medien, größtenteils auf Handheld-Geräten.

Arbeiter und Jugendliche können nun ihre Proteste und Aktionen auf globaler Ebene koordinieren. Das zeigt sich bereits in den internationalen Bewegungen gegen den Klimawandel, der Entwicklung der „Gelbwesten“ zum weltweiten Symbol des Protests gegen Ungleichheit und in der Solidarität zwischen den Autoarbeitern in den USA und Mexiko.

Diese objektiven Veränderungen haben weitreichende Auswirkungen auf das gesellschaftliche Bewusstsein im Hinblick auf die zentrale Frage der sozialen Ungleichheit. Im Bericht der Vereinten Nationen über die menschliche Entwicklung 2019 heißt es, dass in fast allen Ländern der Anteil der Menschen, die mehr Gleichheit fordern, von den 2000er Jahren bis zu den 2010er Jahren um bis zu 50 Prozent gestiegen ist. Der Bericht warnt: „Umfragen zeigen eine Zunahme der empfundenen Ungleichheit, eine Zunahme der Befürwortung von mehr Gleichheit und eine Zunahme der globalen Ungleichheit in der subjektiven Wahrnehmung des Wohlergehens. Jeder dieser Trends ist ein knallrotes Alarmsignal.“

Rolle der revolutionären Führung

Das Wachstum der Arbeiterklasse und die Herausbildung des Klassenkampfs auf internationaler Ebene bilden die objektive Grundlage für die Revolution. Die spontanen Kämpfe der Arbeiter und ihr instinktives Streben nach Sozialismus an sich reichen jedoch nicht aus. Um zu einer bewussten Bewegung für den Sozialismus zu werden, braucht der Klassenkampf eine politische Führung.

Das Jahrzehnt begann mit einer Revolution in Form der monumentalen Kämpfe der ägyptischen Arbeiter und Jugendlichen gegen die von den USA unterstützte Diktatur von Hosni Mubarak. In Ermangelung einer revolutionären Führung und mit Hilfe der von den kleinbürgerlichen Organisationen zu verantwortenden Desorientierung wurden die Massen hinter verschiedene Fraktionen der herrschenden Klasse gebracht. Das Ganze gipfelte in der Wiederherstellung der direkten Militärdiktatur unter dem Schlächter von Kairo, al-Sisi.

Alle Alternativen zum Marxismus, die von den Vertretern der wohlhabenden Mittelklasse ausgeheckt wurden, sind diskreditiert worden: Die „apolitische“ und neo-anarchistische „Occupy Wall Street“-Bewegung in den USA im Jahr 2011 entpuppte sich als eine kleinbürgerliche Bewegung. Mit ihrer Forderung nach einer „Partei der 99 Prozent“ sollten die Interessen der Arbeiterklasse denen der oberen 10 Prozent untergeordnet werden.

In Europa wurden neue Formen des „linken Populismus“ gefördert, darunter Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien. Syriza kam 2015 an die Macht und setzte vier Jahre lang das Diktat der Banken um. Podemos ist mittlerweile eine Regierungspartei, die mit der spanischen Sozialistischen Partei (PSOE) koaliert und sich für eine reaktionäre Sparpolitik einsetzt. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die sich als Aufstand gegen das Establishment präsentierte, endete in einer politischen Allianz mit den italienischen Neofaschisten. Der Corbynismus, der mit der Illusion einer Wiederbelebung der Labour Party als Instrument des antikapitalistischen Kampfs hausieren ging, erwies sich am Ende als Inbegriff von politischer Feigheit und Kapitulation vor der herrschenden Klasse. Würde Sanders ins Weiße Haus kommen, würde sich seine Regierung als nicht weniger impotent erweisen.

In Lateinamerika ist der „linke“ bürgerliche Nationalismus, der Teil der „rosa Welle“ war, an der Krise des Weltkapitalismus zerschellt: Lula in Brasilien, die „bolivarische Revolution“ von Chávez in Venezuela und Evo Morales in Bolivien. Mit ihrer Austeritäts- und wirtschaftsfreundlichen Politik ebneten sie den Weg für die Machtübernahme von Bolsonaro in Brasilien und den US-gestützten Militärputsch gegen Morales 2019.

Die Gewerkschaften, die lange zur Unterdrückung des Klassenkampfs dienten, sind als Agenten der Konzerne und des Staats entlarvt worden. In den Vereinigten Staaten wurden die Kämpfe der Autoarbeiter im Konflikt mit den korrupten Führungskräften der UAW geführt, die unter Anklage standen, weil sie Bestechungsgelder von den Unternehmen angenommen und die Mitgliedsbeiträge der Arbeiter gestohlen haben. Die UAW ist jedoch nur der klarste Ausdruck eines universellen Prozesses.

Zwischen der Arbeiterklasse und der internationalen politischen Tendenz der Pseudolinken, die sich auf wohlhabende Teile der oberen Mittelschicht stützt und in ihrer Politik um Fragen der Hautfarbe, des Geschlechts und der sexuellen Orientierung kreist, hat sich eine starke politische und soziale Differenzierung aufgetan. Die obere Mittelschicht strebt eine Umverteilung innerhalb der oberen 10 Prozent der Gesellschaft an. Sie schwelgt in ihrer obsessiven Fixierung auf das Individuum, um „Identität“ in einflussreiche und privilegierte Positionen umzumünzen. Die sozialen Interessen der großen Mehrheit sind ihr gleichgültig.

Aufgaben des Internationalen Komitees der Vierten Internationale

In zahlreichen Kommentaren in der bürgerlichen Presse werden die Proteste und Kämpfe des vergangenen Jahres als „führerlos“ bezeichnet. Aber das ist nur eine Vorstufe in der Entwicklung des Massenbewusstseins. Mit den Erfahrungen, die sie im Laufe des Kampfs sammeln, verändert sich die soziale und politische Orientierung der Massen von Grund auf. Der Kampf für sozialistisches Bewusstsein findet im Kontext dieses revolutionären Prozesses statt.

Das neue Jahrzehnt der sozialen Revolution bringt eine neue Etappe in der Geschichte des Internationalen Komitees der Vierten Internationale mit sich. Die Praxis der revolutionären Bewegung ist entscheidend. In der Resolution des fünften Parteitags der Socialist Equality Party (USA) im Jahr 2018 heißt es:

Eine Einschätzung der objektiven Situation und eine realistische Bewertung der politischen Möglichkeiten, die das Eingreifen der revolutionären Partei ausklammern, sind dem Marxismus völlig fremd. Die marxistische revolutionäre Partei kommentiert und analysiert die Ereignisse nicht nur, sondern nimmt auch daran teil und versucht, durch ihre Führungsrolle im Kampf für Arbeitermacht und Sozialismus die Welt zu verändern.

Vieles deutet darauf hin, dass der politische Einfluss des IKVI international wächst. Im Jahr 2019 erlebte die WSWS trotz zunehmender Internetzensur einen enormen Zuwachs an Lesern. Die Gesamtzahl der Seitenaufrufe stieg auf 20 Millionen, von 14 Millionen im Jahr 2018. Das entspricht einem Anstieg von mehr als 40 Prozent. Die Zeitspanne, in der die Leserschaft mit mehr als zwei Millionen Besuchern pro Monat am größten war, entfiel auf den General-Motors-Streik und dem Kampf der Autoarbeiter im September und Oktober.

Diese Entwicklungen stellen einen bedeutenden Fortschritt dar, aber es gibt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Die Zunahme des Einflusses des IKVI macht umso deutlicher, welche enorme Verantwortung und welche Aufgaben vor uns liegen.

Es muss jetzt eine Hinwendung zur Arbeiterklasse geben, zur aktiven Intervention in jede Manifestation des Widerstands von Arbeitern und Jugendlichen gegen Ungleichheit, Krieg und Diktatur. Es muss unermüdlich daran gearbeitet werden, das politische Niveau anzuheben, einen Kader in den Betrieben und den Schulen zu schaffen, die Lehren der Geschichte und den Charakter des Kapitalismus zu erklären. Es wird nicht an Menschen fehlen, die entschlossen sind, für den Sozialismus zu kämpfen.

Aber diese Entschlossenheit muss mit einer Strategie bewaffnet werden, die die Kämpfe der Arbeiterklasse in einer weltweiten Bewegung für den Sozialismus vereint.

In diesem Jahr jährt sich der 80. Jahrestag der Ermordung Leo Trotzkis. Am 20. August 1940 wurde der neben Lenin wichtigste Führer der Russischen Revolution und Gründer der Vierten Internationale von einem stalinistischen Agenten ermordet. In den letzten Jahren seines Lebens betonte Trotzki mit großem Nachdruck die Rolle der revolutionären Führung. „Die geschichtliche Krise der Menschheit läuft auf die Krise der revolutionären Führung hinaus“, schrieb er im Gründungsdokument der Vierten Internationale.

Jetzt geht es darum, das IKVI international aufzubauen, die sozialistischen Gleichheitsparteien in den Ländern, in denen sie schon gegründet sind, zu erweitern und neue Parteien in Ländern zu gründen, in denen das IKVI organisatorisch noch nicht vertreten ist. Das enorme historische Fundament, auf dem unsere Bewegung ruht, das Wissen aus den Erfahrungen der internationalen Arbeiterklasse, muss in den Kämpfen der Arbeiterklasse zum Tragen gebracht werden, um den Weg zum Sozialismus zu bahnen.

Zu Beginn des neuen Jahrzehnts erinnert das IKVI an die Worte, mit denen Trotzki das Gründungsdokument der Vierten Internationale beendete:

Arbeiter und Arbeiterinnen aller Länder, tretet hinter das Banner der Vierten Internationale. Es ist das Banner eures kommenden Sieges! [3]

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[1] Karl Marx, „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“, Vorwort, in: Karl Marx, Friedrich Engels, Werke, Berlin 1971, S. 9.

[2] W. I. Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, in: Werke Bd. 22, Berlin 1960, S. 302.

[3] Leo Trotzki, „Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale“, in: Das Übergangsprogramm, Essen 1997, S. 84.

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