Konflikt zwischen USA und Großbritannien wegen Huaweis Beteiligung an 5G

Im Vorfeld der Entscheidung Großbritanniens, ob es den chinesischen Konzern Huawei an der Einführung der nächsten Generation drahtloser 5G-Breitbandnetzwerke beteiligen soll, verschärft die Trump-Regierung ihre Drohungen gegen die konservative Regierung von Boris Johnson.

Die Tory-Regierung hat zugesagt, 5G landesweit einzuführen, um die Wettbewerbsfähigkeit Großbritanniens zu verbessern. Die Technologie ermöglicht 100-mal schnelleres Wi-Fi als die derzeitigen 4G-Netzwerke und ist von entscheidender Bedeutung für den Betrieb und die Entwicklung neuer Technologien wie z.B. automatisierte Fabriken.

Die USA lehnen es entschieden ab, Huawei den Zugang zu erlauben, und haben gedroht, den Austausch von Geheimdienstinformationen mit Großbritannien einzustellen. Großbritannien und die USA sind die führenden Staaten in der weltweiten Geheimdienst- und Überwachungsoperation „Five Eyes“; die anderen drei sind Kanada, Australien und Neuseeland. Die USA haben Australien bereits dazu gebracht, Huawei den Zugang zu verwehren. Auf Kanada und Neuseeland üben sie starken Druck aus, dies ebenfalls zu tun.

Laut mehreren Tory-nahen Zeitungen wird Johnson Huawei eine begrenzte Rolle beim Aufbau der Infrastruktur des 5G-Netzwerks in Großbritannien erlauben, falls dies bei einem bevorstehenden Treffen des Nationalen Sicherheitsrats (NSC) bewilligt wird. Zum NSC gehören Kabinettsminister und hohe Regierungsvertreter aus der Außen- und Verteidigungspolitik sowie Vertreter der Geheimdienste und des Militärs. Die Daily Mail schrieb am Mittwoch: „Der Nationale Sicherheitsrat wird Huawei bei seinem Treffen Ende des Monats grünes Licht geben.“ Der Daily Telegraph schrieb: „Trotz heftiger Lobbyarbeit der USA und Warnungen vor der Gefahr durch chinesische Spionage wird Huawei vermutlich die Teilnahme erlaubt werden, allerdings mit Einschränkungen dafür, wie viel von seiner Technik benutzt werden darf, vor allem in den empfindlichsten ,Kernbereichen‘ des britischen Netzwerks.“

Die Entscheidung über die Teilnahme von Huawei am britischen 5G-Netzwerk hat bereits mehrere aufeinanderfolgende Tory-Regierungen erschüttert. Die Regierung von Johnsons Vorgängerin Theresa May musste letzten April ihren Verteidigungsminister Gavin Williamson entlassen, nachdem er die Beratungen eines NSC-Treffens an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Der NSC hatte sich darauf geeinigt, Huawei grundsätzlich den Zugang zu erlauben, allerdings nicht zu den Kernbereichen der Infrastruktur. Auch der damalige Innenminister Sajid Javid, Außenminister Jeremy Hunt, Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt und Handelsminister Liam Fox lehnten dies ab. Diese Entscheidung wurde nur mit der ausschlaggebenden Stimme von May angenommen.

Williamson ist ein Kriegstreiber, ein Verfechter der gegen China und vor allem gegen Russland gerichteten Verteidigungspolitik. Dass seine Leaks an den Daily Telegraph die ersten öffentlichen Enthüllungen über eine Beratung des NSC waren, verdeutlicht das Ausmaß des Drucks, den Washington ausgeübt hat.

Seither haben sich die Spannungen zwischen den USA und China weiter verschärft, und die Trump-Regierung hat im Rahmen ihrer „America First“-Politik eine ganze Reihe von Handelskriegsmaßnahmen gegen China eingeführt. Obwohl sich die beiden Länder letzte Woche auf ein Handelsabkommen geeinigt haben, bleiben die meisten dieser Strafmaßnahmen gegen Peking in Kraft.Huawei ist im Rahmen einer staatlich genehmigten Partnerschaft mit der British Telecom seit 17 Jahren auf dem britischen Markt tätig. Alle vier britischen Mobilfunkanbieter haben bereits 5G-Netzwerke eingeführt und benutzen Huawei-Technologie außerhalb der Kernebene.

Sky News berichtete am Freitag, dass die beiden größten britischen Telekommunikationsunternehmen BT und Vodaphone einen gemeinsamen Brief vorbereiten, der Johnson nächste Woche vorgelegt werden und ihre Unterstützung für die Beteiligung von Huawei erklären soll. Das Schreiben der beiden Vorstandschefs Philip Jansen und Nick Read wird „jede Entscheidung zur Teilnahme von Huawei am britischen 5G-Netzwerk befürworten“. Ein Reporter erklärte, sie würden argumentieren, „dass ein Ausschluss von Huawei die britische digitale Wirtschaft hemmen könnte“.

Im Vorfeld ihrer Intervention hatte die Trump-Regierung letzten Montag eine Delegation von sechs hochrangigen Vertretern in die Downing Street geschickt, um den harten Kurs vorzugeben. Zu ihr gehörten der stellvertretende nationale Sicherheitsberater, Matt Pottinger, der Staatssekretär für internationale Sicherheit und Nicht-Weiterverbreitung, Christopher Ford, und der Sonderbeauftragte für internationale Telekommunikationspolitik, Robert Blair.

Die Delegation legte angebliche „neue technische Informationen“ über die Sicherheitsrisiken durch Huawei vor und bekräftigte ihre Forderung, Großbritannien solle Huawei bei der Einführung von 5G völlig ausschließen. Ein Mitglied der Delegation erklärte, es sei „nichts als Wahnsinn“, Huawei die Teilnahme zu erlauben. Die Financial Times zitierte einen Regierungsvertreter, der bei dem Treffen anwesend war, mit den Worten: „Es ist die feste Überzeugung und die Einschätzung einer ganzen Reihe von politischen und fachlichen Vertretern, dass jeder Einsatz von Geräten der nicht vertrauenswürdigen chinesischen Anbieter einer zu viel ist.“

Der Guardian berichtete, die Delegation habe „während ihres Besuchs mit Ministern sowie mit Vertretern des Sicherheitsapparats gesprochen. Letzte Woche haben sie auch auf Außenminister Dominic Raab eingewirkt, als er während der Iran-Krise in Washington war.“

Ein Delegierter erklärte der Zeitung: „Donald Trump beobachtet die Sache aufmerksam.“ Laut dem Guardian erklärte die Delegation, sie habe sogar die Lebensläufe der Angestellten von Huawei untersucht, die sie ins Internet gestellt haben, und seien „zu dem Schluss gekommen, dass etwa 100 Huawei-Mitarbeiter Beziehungen zum chinesischen Militär oder den Geheimdiensten haben“.

In der Sunday Times erschien kurz vor dem Besuch der US-Delegation ein Interview mit dem britischen Verteidigungsminister Ben Wallace, das verdeutlicht, wie weit die USA notfalls gehen werden. Die Times wies darauf hin, dass Wallace „überraschend offen darüber geredet hat, wie aggressiv die Trump-Regierung beim Thema Huawei auftritt ... Trump, sein nationaler Sicherheitsberater und sein Verteidigungsminister haben angedroht, Großbritannien bestimmte Geheimdienstinformationen vorzuenthalten, wenn der NSC Huawei grünes Licht gibt.“

Wallace erklärt: „Sie haben das mehrfach gesagt. Trump und der nationale Sicherheitsberater haben das deutlich gemacht. Der Verteidigungsminister hat es mir persönlich gesagt, direkt als wir uns bei der Nato getroffen haben. Es ist kein Geheimnis. Sie sind darin konsequent. Diese Dinge werden berücksichtigt werden, wenn die Regierung kollektiv eine Entscheidung trifft ... Freunde und Feinde, die unabhängig sind, bringen einen dazu, eine Entscheidung zu fällen.“

Doch trotz dieser Drohungen ist Johnsons Regierung entschlossen, Huawei Zugang zu den Bereichen des Netzwerks zu gewähren, die nicht zu den Kernbereichen gehören. Das Unternehmen hätte damit u.a. die Erlaubnis, Mobilfunkmasten zu installieren etc. Zu den Informationen der US-Delegation erklärte ein Informant aus der britischen Regierung lapidar: „Wir haben die Gefahren, die aus dem US-Material hervorgehen, bereits vorweggenommen und in unserer Planung berücksichtigt.“

Der Leiter des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, Sir Andrew Parker, unterstützte diejenigen, die Huawei den Zugang erlauben wollen. In der Financial Times hieß es dazu: „Sir Andrew erklärte, es sei nicht richtig, dass die Sicherheitsbedenken alle Entscheidungen ,dominieren und diktieren‘ ...“ Parker erklärte gegenüber der FT, er habe „keinen Grund zu der Annahme“, dass Londons Austausch von Geheimdienstdaten mit den USA durch die Übernahme von Huawei-Technologie gefährdet sei.

Kultusminister Nicky Morgan erklärte gegenüber Bloomberg Television: „Die Einführung von 5G ist sehr wichtig, um Technologiekonzerne ins Land zu locken. Deshalb sind eine Reihe von unterschiedlichen Faktoren in diese Entscheidung eingeflossen.“

Von den Ministern aus Mays Kabinett, die gegen den chinesischen Zugang waren, hat nur Javid seinen Posten unter Johnson behalten. Berichten zufolge lehnen in Johnsons Kabinett nur Priti Patel und Wallace die Teilnahme von Huawei ab. Sie werden von hochrangigen Tories mit Beziehungen zum Militär unterstützt, u.a. von Tom Tugendhat, dem Vorsitzenden des Außenpolitikausschusses des letzten Parlaments, und von Bob Seely.

Letzte Woche erklärte Tugendhat in einem Interview mit Sky News: „Natürlich kann man jedes Huhn einzeln bewachen, aber ist es nicht besser, den Fuchs gar nicht erst in den Hühnerstall zu lassen?“Seely warnte in einem Beitrag auf der einflussreichen Website Conservative Home, Großbritannien drohe „schlafwandlerisch in eine Entscheidung zu laufen, die wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bereuen werden“. Er forderte: „Wer auch immer Vorsitzender des Außenpolitik- oder des Geheimdienst- und Sicherheitsausschusses wird, muss sofortige Ermittlungen hinsichtlich der Eignung von Huawei versprechen.“

Johnson wurde gezwungen, einen Drahtseilakt zu vollführen, da seine ganze Strategie für die Zeit nach dem Brexit darauf beruht, ein Freihandelsabkommen mit den USA und ein immer engeres Bündnis mit Washington auszuhandeln.

Letzte Woche erklärte er gegenüber der BBC: „Wir wollen Gigabit-Breitband für alle einführen.“ Als Spitze an die Adresse der USA erklärte er: „Wenn jemand eine Marke ablehnt, muss er uns sagen, was die Alternative dazu ist.“

Johnson fügte hinzu: „Andererseits sollten wir klarstellen, dass ich als britischer Premierminister keine Infrastruktur aufbauen will, die unsere nationale Sicherheit oder unsere Fähigkeit gefährdet, mit Partnern im Geheimdienstnetzwerk Five Eyes [Großbritannien, Kanada, USA, Neuseeland und Australien] zu kooperieren.“

Wirtschaftlich gesehen gibt es keine Alternative zu Huawei. Das Unternehmen ist seit Kurzem der weltweit größte Anbieter von Mobilfunkequipment. Es ist nicht nur ein führender Entwickler von Telekommunikationstechnologie, sondern kann seine Dienstleistungen auch viel billiger anbieten als seine Rivalen, einschließlich der wichtigsten 5G-Rivalen Nokia und Ericsson. Schätzungen zufolge würde ein Ausschluss von Huawei die britische Wirtschaft 6,8 Milliarden Pfund kosten.

Auch wenn die USA ihren Widerstand gegen den Zugang von Huawei in die Kommunikationsinfrastruktur ihres Verbündeten offiziell mit Sicherheitsfragen rechtfertigen, geht es ihnen vor allem um Chinas Aufstieg zu einem wirtschaftlichen Konkurrenten. Letzte Woche brachten die beiden US-Senatoren Richard Burr (Republikaner) und Mark Warner (Demokraten) einen Gesetzentwurf ein, der darauf abzielt, Chinas Dominanz im 5G-Bereich zurückzudrängen. Dazu sollen US-Konzerne, die an der Technologie arbeiten, Subventionen in Höhe von 750 Millionen Dollar erhalten. Unternehmen, die weltweit „vertrauenswürdige und sichere Ausrüstung“ einsetzen, sollen außerdem mindestens 500 Millionen Dollar erhalten. Doch diese Beträge sind vergleichsweise gering.

Die weltweite Einführung von 5G entwickelt sich zu einer Arena für den Ausbruch geopolitischer Spannungen. Deutschland hat starke wirtschaftliche Beziehungen zu Peking (China ist mittlerweile der größte Absatzmarkt für deutsche Autobauer) und entscheidet momentan darüber, ob Huawei der Zugang erlaubt werden soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt die Zusammenarbeit mit Huawei, doch wichtige Politiker ihrer Regierungskoalition lehnen sie ab. Letzten Monat drohte der chinesische Botschafter in Deutschland: „Wenn Deutschland sich für den Ausschluss Huaweis vom deutschen Markt entscheidet, wird dies Konsequenzen haben ... Die chinesische Regierung wird nicht untätig zusehen.“

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