#MeToo-Kampagne zeigt ihr rechtes Gesicht: Hachette-Verlagsgruppe unterdrückt Woody Allens Autobiographie

Freitag vergangener Woche ereignete sich ein skandalöser Akt der Zensur durch die Massenmedien: Die amerikanische Hachette-Verlagsgruppe (HBG) erklärte, sie werde auf Geheiß von Ronan Farrow, Woody Allens Sohn, und angesichts von Protesten ihrer eigenen Angestellten, Woody Allens Autobiographie nicht veröffentlichen. Diese Schikane und reaktionäre Entwicklung enthüllt den rechtsextremen Charakter der #MeToo-Kampagne.

Wen werden diese Fanatiker aus der Mittelklasse als nächstes zum Verstummen bringen? Allen ist seit über einem halben Jahrhundert eine bedeutende kulturelle Persönlichkeit der Vereinigten Staaten. Jetzt erlaubt man Farrow, einem prinzipienlosen Schuft und ehemaligen Berater der Kriegstreiberin Hillary Clinton, sein Veto darüber auszusprechen, wer und wer nicht in den USA ein Buch veröffentlichen darf. Die Kapitulation von Hachette ist natürlich widerwärtig, war aber andererseits absolut vorhersehbar.

Es ist eine Ironie, dass es ausgerechnet Woody Allen trifft. Er spielte im Spielfilm Der Strohmann (1976), einer Produktion von Walter Bernstein und Martin Ritt, einen kleinen Sportbuchmacher, der während der antikommunistischen Säuberungen der 1950er Jahre als Autor von Fernsehdrehbüchern auftritt, deren tatsächlich Autoren auf der schwarzen Liste standen. Heute steht Allen selbst auf der schwarzen Liste, aus erfundenen Gründen, und wahrscheinlich ohne die Möglichkeit einer „Rehabilitation“. Um einen Film oder ein Buch veröffentlichen zu können, benötigt er jetzt offenbar selbst einen „Strohmann“.

Woody Allen am Filmfestival von Cannes 2016 (Foto: Georges Biard, Wikimedia)

Der Trubel brach aus, als das Verlagshaus Hachette-Gruppe am 2. März berichtete, im April Allens Autobiographie Apropos of Nothing in ihrem Buchverlag Grand Central herauszubringen. [Der Suhrkamp-Verlag hat ebenfalls für April 2020 eine deutsche Übersetzung angekündigt. Sie trägt den Titel: Ganz nebenbei.]

Die Ankündigung stieß auf wilde Proteste von Farrow und seiner Schwester Dylan Farrow. Sie werfen Allen vor, er habe sie als Kind missbraucht – Vorwürfe, die Woody Allen standfest zurückweist, und die in zwei offiziellen Ermittlungen zurückgewiesen wurden. Hinter den Bemühungen des Geschwisterpaars steht ihre Mutter, die Schauspielerin Mia Farrow, Allens labile und „verschmähte“ Ex-Geliebte.

Ronan Farrows jüngstes Buch Catch and Kill [dt. Übersetzung: Durchbruch. Der Weinstein-Skandal, Trump und die Folgen bei Rowohlt 2019] hat Hachette in seinem Verlag Little, Brown & Co. veröffentlicht. Das Buch ist eine Prahlerei über das „zur Stecke Bringen“ des Filmproduzenten Harvey Weinstein und anderer Männer. Farrow besaß die Dreistigkeit, die Veröffentlichungspläne des Verlags für Allens Buch auf der Grundlage zu kritisieren, Hachette habe „Woody Allens Buch keinem Faktencheck unterzogen. Es ist in mehrfacher Hinsicht zutiefst unprofessionell für Hachette, sich so zu verhalten“, schreibt Farrow.

Indem er einen „Faktencheck“ für persönliche Erinnerungen einfordert, besteht Farrow darauf, dass das Buch ihm und seiner Schwester zur Genehmigung – oder natürlich zur Ablehnung – hätte vorgelegt werden müssen.

Farrow drohte damit, seine Beziehungen zum gesamten Hachette-Verlagshaus abzubrechen, da es angeblich „einen Mangel an Ethik und Mitgefühl für die Opfer sexuellen Missbrauchs“ gezeigt habe.

Knapp drei Tage lang widerstand Hachette Farrows erstaunlichem Erpressungsversuch. Am 5. März allerdings traten etwa 75 Angestellte des Verlagshauses in den Ausstand, um die Zensur zu unterstützen. Sie behaupteten, „solidarisch“ zu Ronan und Dylan Farrow „und den Überlebenden sexueller Angriffe zu stehen“.

Am nächsten Tag, einem Freitag verkündete das Verlagshaus seine Unterwerfung. In einem zynischen und heuchlerischen Statement erklärte Hachette: „Die Entscheidung, Mr. Allens Buch aus dem Programm zu nehmen, war schwer. Wir bei der Hachette-Gruppe nehmen unser Verhältnis zu unseren Autoren sehr ernst und sagen Bücher nicht leichtfertig ab. Wir haben viele herausfordernde Bücher veröffentlicht und werden damit weiterfahren. Als Verleger ermöglichen wir mit unserer Arbeit jeden Tag, dass verschiedene Stimmen und gegensätzliche Standpunkte wahrgenommen werden können.“

Ja, Hachette wird alle möglichen aufreibenden und kontroversen Bücher veröffentlichen – solange, bis eine wirklich schwere Kontroverse auftaucht.

Das Verlagshaus fuhr fort: „In den letzten Tagen führte die Geschäftsführung ausgedehnte Gespräche mit unseren Mitarbeitern und anderen. Nachdem wir zugehört hatten, sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass eine Fortsetzung der Publikation für Hachette nicht realisierbar ist.“

Mit anderen Worten hat der Buchgigant, der jährlich eine halbe Milliarde Dollar Gewinn macht, entschieden, dass es nicht in seinem besten finanziellen Interesse liegt, sich mit jener Mittelschicht anzulegen, die zurzeit von Gender, sexueller Orientierung und Hautfarbe besessen ist. Das hat gefährliche Implikationen. Dieser verrottete Haufen versucht nun darüber zu bestimmen, was die amerikanische Öffentlichkeit zu sehen und zu lesen bekommt.

Allens jüngsten Film, A Rainy Day in New York, haben die Amazon Studios, die ihn produziert hatten, unterdrückt. Damit wurde er praktisch der Verbreitung in den Vereinigten Staaten entzogen.

Verschiedene Stimmen erhoben sich gegen die Unterdrückung von Allens Buch. Der Bestseller-Autor Stephen King kritisierte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter Hachettes Entscheidung: „Der Beschluss von Hachette, das Woody-Allen-Buch fallen zu lassen, macht mich sehr unruhig. Es ist nicht wegen ihm; Mr. Allen ist mir völlig schnuppe. Was mir Sorgen bereitet ist: Wer wird als nächstes mundtot gemacht?“ Kings Tweet wurde von dutzenden Verteidigern der Hachette-Entscheidung kommentiert, die behaupteten, Allen sei ein bekannter Kinderschänder, Sexualstraftäter, Pädophiler bzw. Vergewaltiger. Die Kommentare sind völlig daneben. Eine ganze soziale Schicht scheint ihren Verstand verloren zu haben.

Die Schriftstellervereinigung PEN America veröffentlichte eine relativ schwache Stellungnahme, in der es heißt, falls das Endergebnis sei, „dass dieses Buch, unbeschadet seiner Vorzüge, spurlos verschwinden sollte, werden die Leser der Möglichkeit beraubt, es zu lesen und sich ein eigenes Urteil zu bilden. Als Verteidiger der Meinungsfreiheit und der Verfügbarkeit eines breiten Umfangs von Büchern und Ideen, hoffen wir ebenso inbrünstig, dass der Ausgang Publizisten nicht dazu bringen wird, von Manuskripten Abstand zu nehmen, die die Herausgeber zwar für wertvoll halten, die allerdings über Themen handeln, oder gar von Personen verfasst sind, die als verachtenswert gelten könnten.“

Jo Glanville, ehemaliger Vorsitzender des englischen PEN und früherer Herausgeber des Zensur-Index, bemerkte im Guardian, dass gegen Allen „zwei Mal offiziell ermittelt wurde, ohne dass jemals eine Klage eingereicht worden ist. Trotz Dylans und Ronans Beschuldigung, konnte Woody Allens Schuld nicht erwiesen werden. Nichts wurde bewiesen. Es gibt faktisch keinen akzeptablen Grund, Woody Allens Buch nicht zu veröffentlichen. Als die Belegschaft von Hachette in den Ausstand trat, handelte sie nicht wie Publizisten, sondern wie Zensoren.“

Es gibt jedenfalls keinen guten Grund, Ronan Farrow auch nur die leiseste Glaubwürdigkeit auf irgendeinem Gebiet zuzubilligen. Es ist als professioneller Propagandist und Lügner der US-Regierung bekannt und hat sich für ihre blutigen Operationen in Afghanistan, Pakistan und dem Nahen Osten eingesetzt. Als Jugendlicher war Farrow ein Schützling – und schließlich Redenschreiber – des verstorbenen Diplomaten Richard Holbrooke. Dieser war an zahlreichen imperialistischen Verbrechen beteiligt, vom Vietnamkrieg bis zum Balkan und Afghanistan. Später arbeitete Farrow für die Obama-Regierung, ab dem Jahr 2009 im „Büro des Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan“.

Anschließend diente er Hillary Clinton als „Sonderberater für globale Jugendfragen“. In dieser Kapazität reiste Farrow im Jahr 2011, zu Beginn der Erhebungen, in Länder wie beispielsweise Tunesien, um die Tugenden der amerikanischen „Demokratie“ zu verkünden. In seinem Buch Das Ende der Diplomatie schildert Farrow beispielsweise, wie er „ein kleines Team aus Mitarbeitern des Foreign Service zusammengestellt [hatte], das sich schwerpunktmäßig mit den globalen Folgen der Jugendrevolten beschäftigte.“ [Das Ende der Diplomatie. Warum der Wandel der amerikanischen Außenpolitik für die Welt so gefährlich ist, Reinbek bei Hamburg 2018, S. 293] Zweifellos widmete sich Farrow im Auftrag eines Flügels der US-Regierung der Verteidigung der bürgerlichen Herrschaft in einer Region, in der sie mit ihrer eigenen Bevölkerungen konfrontiert war. Dies ist also die große moralische Leuchte der #MeToo-Hexenjagd!

Die Behauptungen, die gegen Woody Allen inbetreff Dylan Farrow erhoben werden und sich auf Ereignisse aus dem August 1992 beziehen, haben nicht die geringste Glaubwürdigkeit. Das New Yorker Department of Social Services hat sich geweigert, sie weiter zu verfolgen, da die Behörde keinen glaubwürdigen Beweis für sie erkennen konnte.

Zuvor kamen Gutachter der Klinik für sexuellen Kindesmissbrauch des Yale-New Haven-Krankenhauses im Zusammenhang mit den Behauptungen zum Schluss: „Wir haben zwei Hypothesen: Die erste ist, dass es sich hierbei um Stellungnahmen eines emotional verstörten Kindes handelt, die sich dann in seinem Bewusstsein manifestierten. Und die zweite Hypothese lautet, dass das Mädchen von seiner Mutter [Farrow] eintrainiert oder beeinflusst wurde. Wir kamen zu keinem eindeutigen Schluss. Wir denken, dass es möglicherweise eine Kombination von beidem war.“

Moses Farrow, der Bruder von Dylan und Ronan Farrow, argumentiert in seinem Essay „Ein Sohn spricht aus“ vom Mai 2018, dass „die schwerwiegenden Funktionsstörungen in meinem Zuhause während der Kindheit nichts mit Woody zu tun hatten. Sie fingen an, lange bevor er die Szenerie betrat, und entstammten direkt einer tiefen und hartnäckigen Dunkelheit innerhalb der Farrow-Familie.“

Moses behauptet, dass man „in Hollywood allgemein wusste, dass mein Großvater, der Regisseur John Farrow, ein notorischer Trinker und unentwegter Schürzenjäger war. Es hatte zahlreiche alkoholgetränkte Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern gegeben und Mia sagte mir, dass sie selbst das Opfer eines Missbrauchsversuchs in ihrer eigenen Familie gewesen war. Ihr Bruder, mein Onkel John, der uns öfter besucht hatte, als wir jung gewesen waren, befindet sich zurzeit aufgrund einer Verurteilung wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs im Gefängnis. (Meine Mutter hat dies niemals öffentlich kommentiert oder Besorgnis über seine Opfer geäußert.) Mein Onkel Patrick und seine Familie hatten uns öfter besucht, doch endeten diese Besuche manchmal abrupt, da Mia und Patrick sich am Ende oft stritten. Patrick beging im Jahr 2009 Selbstmord.“

Laut Moses Farrow hatte seine Mutter ihn und seine Geschwister regelmäßig geschlagen. „Es schmerzt, mich an die Vorfälle zu erinnern, als ich zusehen musste, wie Geschwister, einige von ihnen blind oder behindert, Treppenstufen herunter gezerrt wurden, um in ein Schlafzimmer oder in eine Abstellkammer geworfen zu werden, welche dann von außen abgeschlossen wurde. Sie schloss sogar meinen Bruder Thaddeus, querschnittsgelähmt infolge einer Polio-Erkrankung, über Nacht in einen Schuppen außerhalb des Hauses, um ihn wegen einer unbedeutenden Verfehlung zu bestrafen.“

Soon-Yi, die schließlich Woody Allens Ehefrau wurde, war Mia Farrows „häufigster Sündenbock“, schreibt Moses. „Meine Schwester hatte ein Bedürfnis nach Unabhängigkeit und ließ sich am wenigsten von uns allen von Mia einschüchtern. Wenn sie gedrängt wurde, stellte sie unsere Mutter wegen ihres Verhaltens zur Rede und es kam zu hässlichen Auseinandersetzungen. Als Soon-Yi jung war, warf Mia einmal einen großen Porzellan-Tafelaufsatz nach ihr. Glücklicherweise verfehlte sie ihren Kopf, aber die Bruchsplitter verletzten ihre Beine. Jahre später schlug Mia mit einem Telefonhörer nach ihr.“

Es erübrigt sich zu bemerken, dass Moses Farrows erschütternder Bericht nicht ein Hundertstel der Öffentlichkeit erfuhr, die Dylan Farrows Anschuldigungen genießen.

Drei der Adoptivkinder von Mia Farrow – Tam, Lark und Thaddeus – starben auf tragische Weise. Moses Farrow besteht darauf, dass Tam im Jahr 2000 (im Alter von 21 Jahren) an einer Überdosis Drogen starb, nachdem er einen langen Kampf gegen eine Depression geführt hatte, und dass Lark im Jahr 2008 (mit 35 Jahren) an einer mit AIDS in Verbindung stehenden Erkrankung verstarb, die auf eine Suchterkrankung folgte. Taddeus erschoss sich im Jahr 2016 in seinem Auto. Er wurde 27 Jahre alt.

Die massenmediale Zensur von Woody Allens Autobiographie in Verbindung mit den Anstrengungen, Aufführungen von Roman Polanskis J’accuse [deutscher Titel Intrige], einem Film über die Dreyfus-Affäre, zu verhindern, markiert eine neue und unheilvollere Stufe in der Entwicklung der #MeToo-Kampagne. Jeder, der in Illusionen über ihren Charakter befangen war, ist gut beraten, Augen und Ohren für die Wahrheit zu öffnen.

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