Protest durch Arbeitsniederlegung im Fiat-Chrysler-Lkw-Werk Warren

Immer mehr Autoarbeiter in Nordamerika fordern die Schließung ihrer Werke, um die Ausbreitung des tödlichen Coronavirus einzudämmen. Am Montag legten 17 Arbeiter in der Lackiererei des Fiat-Chrysler-Lastwagenwerks in Warren, einem Vorort von Detroit, die Arbeit nieder. Zuvor hatten kanadische Fiat-Chrysler-Arbeiter in Windsor (Ontario) auf der anderen Seite des Detroit River einen ähnlichen Ausstand organisiert. Dort war ein Kollege mit einer Person in Kontakt gekommen, die positiv auf COVID-19 getestet wurde und danach freiwillig in Quarantäne gegangen war.

Arbeiter des Lkw-Werks in Warren bei Detroit (Michigan)

Laut Vertretern des Unternehmens wurde die Lackiererei des Lkw-Werks, in dem 2.613 Arbeiter in zwei Schichten tätig sind, am Montagnachmittag wieder in Betrieb genommen, und „die Produktion des Werks wurde nicht beeinträchtigt“. Die Gewerkschaft United Auto Workers hat sich nicht zu dem Ausstand geäußert und ist weiterhin entschlossen, den Betrieb trotz der Gefahr für die Arbeiter und ihre Familien am Laufen zu halten.

Diese Aktionen sind die ersten Anzeichen, dass die Welle von spontanen Streiks gegen die Fortsetzung der Produktion während der Pandemie, die in Italien begann, auch die USA erreicht. Fiat Chrysler und andere Arbeitgeber in Italien hatten die Arbeiter zunächst gezwungen, trotz der landesweiten Abriegelung weiter zur Arbeit zu erscheinen. Letzte Woche mussten sie jedoch aufgrund der Streikwelle den Betrieb einstellen. Genau wie in den USA hatten Versammlungsverbote die Arbeitsplätze, an denen Telearbeit nicht möglich ist, ausgenommen.

Am Montag erreichte die Streikwelle auch Spanien. In Vitoria im Baskenland legten 5.000 Arbeiter des Mercedes-Benz-Werks, dem weltweit zweitgrößten Lieferwagenwerk des Unternehmens, die Arbeit nieder. Die Produktion dort war fortgesetzt worden, obwohl das Baskenland bereits am 10. März von der Regierung unter Quarantäne gestellt wurde. Laut Twitter-Posts war bereits ein Arbeiter des Werks positiv auf das Virus getestet worden, 20 weitere befanden sich in Quarantäne. Auf Twitter wurden Videos des Ausstands viele zehntausendmal angesehen.

Nachdem Fiat Chrysler zunächst eine Aussetzung der Produktion für einige Tage angekündigt hatte, erklärte das Unternehmen am Montag, seine sechs Werke in Italien, ein Werk in Serbien und ein weiteres in Polen würden bis zum 27. März geschlossen bleiben. Als Grund für diese Ankündigung nannte das Unternehmen nicht die akute Gesundheitskrise, sondern „Marktbedingungen“. Der französische Autobauer PSA, mit dem Fiat Chrysler fusionieren will, erklärte, seine Werke in Madrid und Mulhouse, im Osten Frankreichs, würden ab Montag und die restlichen europäischen Werke spätestens bis Donnerstag geschlossen.

Am Montag erklärte Ford gegenüber dem Wall Street Journal, es werde einen zuvor geplanten dreitägigen Produktionsstopp in seinem Werk im spanischen Valencia auf die ganze Woche ausdehnen und vor der Wiederaufnahme der Produktion die Lage neu bewerten. Das Unternehmen erklärte, innerhalb von 24 Stunden seien drei Fälle von Coronavirus-Erkrankungen bestätigt worden.

Ein Arbeiter des Lastwagenwerks Warren erklärte gegenüber dem Autoworker Newsletter der WSWS: „Alle aus dem Management arbeiten von zu Hause aus. Aber was ist mit unseren Familien?

Viele andere denken auch, dass die Industrie jetzt stillgelegt werden sollte. Die Arbeiter machen die Gewerkschaft dafür verantwortlich und sagen: „Wir haben keine Vertretung. Soweit wir wissen, haben sie in Europa alles stillgelegt. Warum wird das hier nicht gemacht?“

Ein anderer Arbeiter des Lkw-Werks in Warren erklärte: „Wir leben in extremer Angst. Ich bin zur Gewerkschaft gegangen und habe gefragt, warum wir nicht zumachen, wenn wir 2.000 Leute haben, während alle Geschäfte geschlossen und Versammlungen mit mehr als 50 Teilnehmern verboten werden. Darauf haben sie keine Antwort.

Jemand da drin wird alle anstecken. Wenn sie das Werk schließen, müssten die Leute nicht krank zur Arbeit kommen. Stattdessen wollen sie, dass wir Leute verpfeifen, die krank aussehen. Sie sagen uns, wir sollen uns die Hände waschen und desinfizieren, aber es gibt hier Waschräume, in denen gibt es nur kaltes Wasser oder überhaupt kein fließendes Wasser.

Ihnen geht es nur um die Lastwagen, obwohl sie nicht einmal verschifft werden. Das ist Kapitalismus pur. Wir sollten die Arbeit niederlegen oder einen Sitzstreik machen. Ich fragte die Aufseher, ob sie keine Angst um sich selbst haben. Sie antworteten: ‚Solange ihr zur Arbeit kommt, müssen wir auch arbeiten.‘ Sie warten darauf, dass wir aktiv werden.“

Die UAW macht sich mitschuldig an etwas, was man nur als verbrecherische Gefährdung der Autoarbeiter und ihrer Familien bezeichnen kann. Die Gouverneure von Industriestaaten wie Michigan und Ohio haben bereits die Schließung von Fitnessstudios, Theatern, Restaurants und Schulen angeordnet, um die Ausbreitung des tödlichen Virus einzuschränken.

Obwohl letzte Woche in einem Fiat-Chrysler-Werk in Kokomo (Indiana) der erste Arbeiter positiv auf COVID-19 getestet wurde und aus Detroit und anderen Städten von vielen weiteren potenziellen Fällen berichtet wird, geht die Produktion in den Autowerken weiter, u.a. im Südosten von Michigan, das mit 115.000 Beschäftigten noch immer die größte Konzentration der Autoproduktion in den USA aufweist.

Beispielhaft für die Verachtung der Autobosse gegenüber dem Leben der Arbeiter ist Ford-Vorstandschef Jim Hackett, der letzten Freitag in einem Brief an die Beschäftigten erklärte, das Unternehmen werde ein Werk für 24 Stunden schließen, wenn bei einem Arbeiter das Coronavirus diagnostiziert werde. Allerdings ist es dann bereits zu spät! Die Krankheit hat eine Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen, bevor die ersten Symptome auftreten. In der Zwischenzeit kann sie jedoch an Arbeitsplätzen, über Werkzeuge, Fahrzeugkomponenten, Drehkreuze, Kantinen und Pausenräume verbreitet werden.

Die Arbeiter haben in den letzten Tagen durch ihre Arbeitsverweigerung bereits mit den Füßen abgestimmt. So erschienen mehr als 500 Beschäftigte des Jefferson-North-Fertigungswerks in Detroit am Samstag nicht zur Arbeit. Die Unternehmen haben sie, mit voller Unterstützung der UAW, durch Leiharbeiter ersetzt, die jederzeit wieder entlassen werden können.

Gemeinsame Taskforce von UAW und Autokonzernen

Angesichts des weit verbreiteten Widerstands in den Betrieben haben die UAW und die Autokonzerne eine gemeinsame Taskforce aus den Vorstandschefs von GM, Ford und Fiat Chrysler und drei Vizepräsidenten der UAW gegründet. Die Gewerkschaftsfunktionäre verheimlichen bewusst die Gefahren, in denen sich die Arbeiter befinden, und behaupten wahrheitswidrig, die Konzerne hielten sich an die Richtlinien der Zentren für Seuchenkontrolle und der Weltgesundheitsorganisation. Tatsächlich folgen die Konzerne und die UAW nur einer „Richtlinie“: Die Produktion aufrechterhalten, um die Profite und Einkünfte der Aktionäre zu erhöhen.

Wenn die Arbeiter Maßnahmen zu ihrem Schutz und dem Schutz ihrer Familien wollen, müssen sie die Initiative selbst übernehmen. Notwendig sind Aktionskomitees, die unabhängig von der korrupten UAW organisiert sind, und die eine sofortige Stilllegung der Autowerke und aller nicht wesentlichen Produktionen durchsetzen. Gleichzeitig müssen diese Komitees eine vollständige Entschädigung für alle entgangenen Löhne und die Abschaffung aller Eigenbeteiligungen und Abzüge fordern, damit für alle Arbeiter die qualitativ hochwertigste Gesundheitsversorgung gewährleistet ist.

Dies sollte verbunden werden mit der Forderung nach sofortigen und kostenlosen Tests und einer massiven Bereitstellung von Mitteln für die öffentliche Gesundheitsversorgung, statt den Aktienmarkt zu stärken, wie auch mit der Forderung nach gleichem Zugang zu Gesundheitsversorgung und allen Sozialleistungen. Alle wegen der Pandemie entlassenen Arbeiter müssen wieder eingestellt werden.

Angesichts des weltweiten Absturzes der Aktienmärkte, zunehmender Anzeichen für einen weiteren globalen Wirtschaftszusammenbruch und der stockenden Lieferungen von Autozubehör aus China wegen der Pandemie sind die Autokonzerne dabei, so viel Profit wie möglich herauszupressen, bevor sie ihre Werke in den USA schließen müssen. Alle Fahrzeuge, die irgendwie in die Autohäuser geliefert werden können, werden in den Quartalsberichten der Autobauer als Verkäufe gebucht. Sie sollen einen weiteren Ausverkauf der Aktien verhindern.

Derweil stürzen die Aktienwerte der Autobauer an den Börsen ab. Am Montag fiel der Kurs von Fiat Chrysler bis zum Ende des Handelstags um fast 22 Prozent, der von General Motors um 15 Prozent, der von Ford um 11 Prozent. Laut dem Center for Automotive Research verlieren die Konzerne Einnahmen in Höhe von 7,3 Milliarden Dollar, wenn nur eine Woche lang keine Autos verkauft werden.

Ein Autoarbeiter eines GM-Werks im Raum Detroit sagte der WSWS: „Die großen Drei und die UAW müssen aufhören Spielchen zu spielen. Das einzig Richtige ist: diese Werke und Lagerhäuser zu schließen! Der Gouverneur von Michigan hat alle Versammlungen von mehr als 50 Menschen verboten, der Präsident der Vereinigten Staaten hat diese Grenze auf zehn noch einmal herabgesetzt. Der Justizminister hat heute gesagt, Verstöße dagegen würden als Verbrechen gelten. Wie können die großen Drei und die UAW Taskforce damit durchkommen, dass sie sich über die Regierung hinwegsetzen? Ich glaube nicht, dass unsere Jobs für die Grundversorgung wichtig sind! Es ist die reine Gier. Keine Rücksicht auf Gesundheit und Sicherheit!“

Loading