US-Justizminister Barr verteidigt offensiv das brutale Vorgehen gegen Demonstranten in Portland

US-Justizminister William Barr nutzte seine Anhörung vor dem Justizausschuss des Repräsentantenhauses am Dienstag, um den Einsatz paramilitärischer Bundespolizisten gegen Demonstranten in Portland (Oregon) offensiv zu verteidigen.

Barr forderte den von den Demokraten kontrollierten Ausschuss heraus. Gleich zu Beginn stellte er das harte Durchgreifen von Einheiten der Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) und anderer Spezialkräfte der Bundespolizei in Portland als Antwort auf „Mobgewalt“ und „Randale“ von Anarchisten und Linksextremisten dar, die fortgeführt werde müsse.

Er ging einfach darüber hinweg, dass es sich bei diesem Vorgehen um offene Verstöße gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit handelt, die im Ersten Zusatzartikel der Verfassung garantiert wird, sowie gegen den Schutz vor willkürlichen Durchsuchungen und Verhaftungen durch den Vierten Zusatzartikel. Barr verteidigte ausdrücklich den Einsatz von Pfefferspray gegen Unbewaffnete und die Verhaftungen von Demonstranten durch Polizisten in militärischen Tarnuniformen, die dann mit unmarkierten Fahrzeugen zu Vernehmungen an geheime Orte gebracht wurden.

Justizminister William Barr bei der Anhörung vor dem Justizausschuss auf dem Capitol Hill in Washington am 28. Juli. (Chip Somodevilla/Pool via AP)

Barr deutete an, dass Portland erst der Anfang ist. Die Trump-Regierung werde auf die anhaltenden landesweiten Proteste gegen Polizeigewalt, die nach dem Polizeimord an George Floyd in Minneapolis im Mai ausbrachen, weiter vorgehen. Im Verlauf seiner Rede sprach er von der „Gewalt, die im ganzen Land grassiert,“ und erklärte: „Wir machen uns Sorgen, dass dieses Problem das ganze Land erfasst... Für mich gibt es keinen Zweifel, dass es sich ausbreiten könnte.“

In Seattle hat die Trump-Regierung bereits Einheiten der Bundespolizei in Alarmbereitschaft versetzt und begonnen, weitere 150 Bundespolizisten nach Portland zu schicken. Zusätzlich schickt sie Agenten des FBI, des Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (ATF), der Drug Enforcement Agency (DEA), des US Marshals Service und anderer Bundesbehörden in Städte im ganzen Land, u.a. nach Chicago, Detroit, Philadelphia und Albuquerque (New Mexico).

Zu Beginn seiner Rede machte Barr die Reaktion der Öffentlichkeit auf die Ermordung von George Floyd für den Anstieg der Kriminalitätsraten in mehreren Städten verantwortlich. Er verwies auf die Forderungen der Demonstranten, die Mittel der Polizei zu streichen, und die „Verunglimpfung der Polizei“. Barr: „Wenn eine Gesellschaft ihre eigene Polizei anprangert, scheuen die Beamten natürlich das Risiko, und die Kriminalitätsraten steigen.“

Über das harte Vorgehen der Polizei in Portland erklärte er: „In den letzten zwei Monaten hat jede Nacht ein Mob von Hunderten Randalierern das Bundesgerichtsgebäude und andere nahegelegene Gebäude der Bundesregierung belagert... Was sich jede Nacht um das Gerichtsgebäude abspielt, kann man wirklich nicht als Protest bezeichnen; es ist objektiv gesehen auf jeden Fall ein Angriff auf die Regierung der Vereinigten Staaten.“

Das ist gelogen. Die anhaltenden Proteste in Portland und anderen Städten sind auch weiterhin weitgehend friedlich. Erst der Einsatz einer Spezialeinheit der CBP namens BORTAC – gegen den Widerstand des Bundesstaates und der lokalen Behörden – hat zu einem Anstieg von Vandalismus geführt, der jedoch zweifellos zu einem Großteil auf Provokateure der Polizei zurückgeht. BORTAC wurde zuvor in Kriegsgebieten im Nahen Osten und Zentralasien eingesetzt und ist für ihre faschistische Gesinnung und Brutalität bekannt.

Im Verlauf der Anhörung verteidigte Barr auch die gewaltsame Vertreibung von friedlichen Demonstranten vor dem Weißen Haus am 1. Juni durch Hunderte von Nationalgardisten und Bundespolizisten. Während die Demonstranten auf dem Lafayette Square angegriffen wurden, hielt Trump eine Rede im Rosengarten des Weißen Hauses, in der er sich als „Präsident für Recht und Ordnung“ bezeichnete. Er kündigte außerdem an, er wolle den Insurrection Act von 1807 anwenden und im ganzen Land Soldaten gegen Demonstranten einsetzen, die er als „inländische Terroristen“ bezeichnete.

Wie die World Socialist Web Site damals erklärte, handelte es sich dabei um einen Putschversuch gegen die US-Verfassung mit dem Ziel, eine Präsidialdiktatur auf der Grundlage von Militär, Polizei und Trump-treuen faschistischen Milizen zu etablieren. Im Juni scheiterte der Versuch am Widerstand des Militärs, dessen Führung einen solchen Schritt für voreilig und schlecht vorbereitet hielt und befürchtete, er werde eine unkontrollierbare Welle von sozialen Protesten auslösen.

Wie die WSWS wiederholt gewarnt hat, besteht die Verschwörung weiter. Die Ereignisse in Portland zeigen, dass das Weiße Haus auch weiterhin die Schaltzentrale einer Verschwörung ist, um die demokratischen Rechte zu zerstören und ein autoritäres Regime zu errichten. Die treibenden Kräfte hinter dieser Politik sind die beispiellose Krise des amerikanischen Kapitalismus und die akute Krise der Trump-Regierung.

Dies zeigte sich in unterschiedlicher Weise an der Reaktion der Republikaner und der Demokraten im Justizausschuss auf Barrs Aussagen.

Sämtliche Republikaner beschrieben die Proteste als Aktionen eines kriminellen Mobs und die Demonstranten als Terroristen, Anarchisten und Randalierer. Ständig wurde die Behauptung wiederholt, die Antifa spiele bei der Organisation von Demonstrationen in Hunderten von Städten in den USA und weltweit eine leitende Rolle.

Der Abgeordnete Louie Gohmert aus Texas beschwor die Kommunistische Partei Chinas, die Russische Revolution und die „Taktik von Marxisten, Polizisten zu töten“ und fragte: „Sollten wir diese Proteste während der Pandemie nicht unterbinden?“

Die Demokraten reagierten mit der für sie typischen Feigheit und Ohnmacht. Niemand bezeichnete Trumps Vorgehen als das, was es ist: Schritte hin zur Errichtung einer Diktatur. Niemand forderte Trumps Absetzung oder rief zu Demonstrationen auf, um die Angriffe der Polizei zu stoppen.

Sofern die Demokraten im Ausschuss überhaupt auf die Ereignisse in Portland und die Niederschlagung in Washington am 1. Juni eingingen, stellten sie sie als rein politisches Manöver dar, die Trumps Wahlchancen im November erhöhen sollen. Beispielhaft dafür war die Eröffnungsrede des Vorsitzenden des Justizausschusses, Jerrold Nadler, Vertreter der Demokraten in New York.

Er warf Barr vor, Widerstand würde „gewaltsam und in verfassungswidriger Weise“ unterdrückt. Das sei ein „offenkundiger Versuch, die Wiederwahl des Präsidenten zu begünstigen“.

Die meisten Demokraten vermieden diese Fragen vollständig und konzentrierten sich stattdessen auf Barrs Angriffe gegen die anti-russische Mueller-Untersuchung und seine Einmischung in die Strafverfahren gegen Trumps Komplizen Roger Stone und Michael Flynn. Einige attackierten Barr, weil er Trumps Angriffe auf die Briefwahl unterstützt hatte.

Hakeem Jeffries aus New York verwies darauf, dass Trump in Tweets und Erklärungen wiederholt angedroht hatte, im Fall seiner Niederlage das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Er fragte Barr, was er tun würde, falls Trump sein Amt nicht niederlegt. Darauf behauptete Barr absurderweise, „diese Äußerungen“ seien ihm „nicht bekannt“.

Kein Angehöriger des Black Congressional Caucus im Ausschuss erwähnte Portland oder die Ereignisse in Washington am 1. Juni. Stattdessen konzentrierten sie sich auf allgemeine Fragen über Polizeimorde und Polizeigewalt, die sie ausschließlich als rassistisches Problem darstellten. Die Abgeordnete und Vorsitzende des Congressional Black Caucus, Karen Bass, forderte Barr nur auf, den Einsatz des Betäubungsmittels Ketamin zu prüfen, mit dem die Polizei Verdächtige ruhigstellt.

Die schärfste Befragung kam von Ted Lieu aus Kalifornien. Er zitierte die amerikanische Verfassung und ein 40 Jahre altes Urteil des Obersten Gerichtshofs, laut dem es der Polizei verboten ist, jemanden ohne angemessenen Grund zu verhaften und zu verhören. Er zitierte Meldungen, laut denen genau solche illegalen Verhaftungen in Portland stattfinden.

Lieu erklärte: „So geht ein Polizeistaat vor. So gehen autoritäre Regierungen vor.“

Barr leugnete gar nicht, dass in Portland Demonstranten willkürlich verhaftet wurden. Doch Lieu drängte Barr nur dazu, seine Bundesbeamten „anzuweisen, sich an die Verfassung zu halten“.

Demokraten und Republikaner fürchten gleichermaßen die Aussicht auf ein Aufleben des Klassenkampfs in Folge der Pandemie und der Bloßstellung der Inkompetenz und Unmenschlichkeit des Kapitalismus und des ganzen politischen Systems. Während Trump und die Republikaner offen die Verfassung attackieren und Kurs auf Diktatur nehmen, verbünden sich die Demokraten noch enger mit Teilen des Militär- und Geheimdienstapparats und propagieren Identitätspolitik, um die Arbeiterklasse zu spalten.

Die Anhörung von Dienstag verdeutlicht die Richtigkeit und Dringlichkeit der revolutionären Perspektive, für die die Socialist Equality Party und die WSWS kämpfen. Am 27. Juli erklärten wir in unserer Stellungnahme „Stoppt Trumps Staatsstreich! Mobilisiert die Arbeiterklasse gegen autoritäre Herrschaft und Diktatur!“:

Vor allem aber müssen Arbeiter und junge Menschen verstehen, dass die Verteidigung der demokratischen Rechte im Wesentlichen ein Kampf gegen das kapitalistische System und seinen Staat ist. Die Methoden, die in diesem Kampf angewandt werden müssen, sind die Methoden des Klassenkampfs. Den Verschwörungen der Trump-Regierung und der herrschenden Eliten muss durch eine Strategie begegnet werden, die auf die Übertragung der politischen Macht an die Arbeiterklasse und die Errichtung des Sozialismus abzielt.

Loading