Auf die gefährliche Wiederausbreitung der Covid-19-Pandemie in Deutschland und Europa, reagiert die herrschende Klasse nicht etwa mit einer Offensive für den Gesundheitsschutz und der Beseitigung der Mängel im Gesundheitssystem, sondern mobilisiert weitere Milliarden für Aufrüstung und Krieg.
Am Donnerstag informierte das Verteidigungsministerium die Abgeordneten über die sogenannten 25-Millionen-Vorlagen, die bis zum Ende des Jahres an den Haushaltsausschuss übergeben werden sollen. Alle Rüstungsvorhaben, für die mehr als 25 Millionen Euro veranschlagt werden, müssen von diesem Gremium diskutiert und auf den Weg gebracht werden.
Der Militärblog „Augen geradeaus!“, der über enge Verbindungen ins Verteidigungsministerium verfügt, hat eine erste Liste der insgesamt 29 (!) geplanten Vorlagen veröffentlicht. Darunter sind:
- Ein Nachfolger für das Sturmgewehr G36, die bisherige Standardwaffe der Bundeswehr. Die erste Vorlage für ein neues System, bestehend aus Basiswaffe und Zubehör, soll Ende Oktober dem Haushaltsausschuss vorgelegt werden.
- Zusätzlich zu den bereits im April auf den Weg gebrachten 138 neuen Kampfjets sollen 38 Eurofighter der neuesten Version (Tranche 4) Flugzeuge beschafft werden. Die entsprechende Vorlage soll ebenfalls in der letzten Oktoberwoche verabschiedet werden.
- Hinzu kommen zahlreiche Aufrüstungsprojekte der Marine, darunter 31 Marinehubschrauber vom Typ SeaTiger und die Entwicklung und Beschaffung einer sogenannten „Marinedrohne“. Die Anschaffungen sind Teil einer umfassenden Aufrüstung der deutschen Marine. U.a. sollen in den nächsten Jahren vier Mehrzweckkampfschiffe 180 in Höhe von rund sechs Milliarden Euro gebaut werden. Hinzu kommen weitere Fregatten 125 und U-Boote der Klasse 212 A.
- Auch die Panzerverbände sollen weiter aufgerüstet werden. „Der alte Schützenpanzer Marder soll eine Nutzungsdauerverlängerung für sein Wärmebildzielgerät bekommen, der Kampfpanzer Leopard 2 ein abstandsaktives Schutzsystem“, berichtet Augen geradeaus! Außerdem sei ein Nachfolgemodell für den Pionierpanzer Dachs geplant und vom Transportpanzer Boxer werde ein neues Modell für sogenannte „Joint Fire Support Teams“ gebaut.
- Vorgesehen ist auch eine Aufstockung der Munitionsvorräte. Dazu soll es gleich mehrere Vorlagen geben. Bereits in der ersten Septemberwoche gehe es im Haushaltsausschuss um die „Ergänzungsbeschaffung des See/Landzielflugkörpers RBS15 Mk3 für das erste und zweite Los der Korvetten“, Mitte September um die Beschaffung neuer Lenkbomben vom Typ GBU-54 für den Eurofighter und im Oktober und November um neue Munition für die Fregatten 125, Torpedos und neue Panzermunition.
- Bezeichnenderweise soll auch das von rechtsextremen Terrorstrukturen durchsetzte Kommando Spezialkräfte (KSK) aufgerüstet werden und unter anderem „neue Aufklärungs- und Gefechtsfahrzeuge und mittlere taktische Unterstützungsfahrzeuge als Nachfolger des Serval“ bekommen. Die WSWS hatte von Anfang an erklärt, dass die angekündigte Umstrukturierung des KSK in erster Linie dazu dient, die rechtsextreme Elitetruppe schlagkräftiger zu machen.
Es ist klar, dass die milliardenschweren Rüstungsvorhaben auf eine Ausweitung der deutschen Kriegspolitik zielen. Anfang der Woche stach die Fregatte „Hamburg“ mit 250 Soldaten in See, um in den eskalierenden Stellvertreterkrieg der Regional- und Großmächte in Libyen einzugreifen. Bereits im Frühjahr hatte die Große Koalition zahlreiche Auslandseinsatze der Bundeswehr ausgeweitet und verlängert.
Vor wenigen Tagen verlangte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dann in einem Interview mit der Zeit, es sei „höchste Zeit“ offensiv zu diskutieren, „wie sich Deutschland in der Welt künftig aufstellen muss“. Von Deutschland werde „Führung erwartet, nicht nur als Wirtschaftsmacht“. Es gehe um „kollektive Verteidigung, es geht um internationale Einsätze, es geht um einen strategischen Blick auf die Welt, es geht letztlich um die Frage, ob wir die globale Ordnung aktiv mitgestalten wollen“.
Um die geostrategischen und wirtschaftlichen Ziele des deutschen Imperialismus international durchzusetzen, rüstet die deutsche Bourgeoisie nicht nur die eigene Armee auf, sondern auch ihre Verbündeten innerhalb der Europäischen Union. Dabei wird immer deutlicher, an welche militaristischen und faschistischen Traditionen sie 75 Jahre nach der Niederlage Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg wieder anknüpft.
Laut einem offiziellen Bericht des Verteidigungsministeriums begann Ende Juli die Übergabe der ersten von insgesamt 44 deutschen Leopard-2 Kampfpanzern an die ungarische Armee. Die Übergabezeremonie in der Garnisonsstadt Tata fand, dem Bericht zufolge, im Beisein des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Silberhorn (CSU) statt, der vor Ort die militärische Kooperation Deutschlands und der EU mit dem extrem rechten Orban-Regime pries.
„Ungarn modernisiert seine Landstreitkräfte und Deutschland ist dabei ein strategischer Partner“, erklärte Silberhorn. Die Nutzung der gleichen Waffensysteme und die enge Zusammenarbeit bei der Ausbildung der Panzerbesatzungen steigere die Interoperabilität der Streitkräfte und sei „ein wichtiger Bestandteil der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“. Die Bundesregierung werde „sich weiter für die enge militärische Zusammenarbeit beider Länder engagieren und damit auch den Zusammenhalt in Europa auf der Grundlage der Werte und Interessen der EU stärken“.
Der Bericht des Verteidigungsministeriums geht nicht genauer auf die „Werte und Interessen“ ein, die der „militärischen Zusammenarbeit“ zwischen Berlin und Budapest zu Grunde liegen. Aber der der faschistische Charakter der Übergabezeremonie in Tata war offensichtlich. Offizielle Teilnehmer der Veranstaltung waren u.a. Mitglieder der berüchtigten Neonazi Rockband Kárpátia, die für die Panzerübergabe sogar einen eigenen Song geschrieben hatten – im Auftrag der ungarischen Armee.
In einem Eintrag auf der Facebook-Seite von Kárpátia heißt es, die Band sei „im März vom Panzerpersonal in Tata gebeten worden, einen Marsch zu schreiben.“ Das Timing für den Song hätte „besser nicht sein können, da jetzt die ersten Leopard 2A4-Panzer“ geliefert worden seien, „gefolgt von vierzig weiteren Leopard 2A7-Panzern in den nächsten Jahren“. Man habe „das Glück“ gehabt, „diese großen Katzen zu bewundern, zuzuhören, wie sie rumpeln, wie sie zupacken…“. Es sei kein „großes Geheimnis, dass die Band schon immer pro-militärische Partei war“ und „mit der Entwicklung der Streitkräfte zufrieden“ sei.
Auf Facebook hat die Band nicht nur zahlreiche Bilder veröffentlicht, die Mitglieder von Kárpátia in martialischer Pose vor den deutschen Kampfpanzern zeigen. Aus nahezu allen Posts der Band geht hervor, wes Geistes Kind sie sind. Sie verherrlichen den früheren Reichsverweser, Antisemiten und Hitler-Verbündeten Miklos Horthy, trommeln für ein neues und „ethnisch reines“ Großungarn und die Songtexte triefen nur so von faschistischer und militaristischer Ideologie. Medienberichten zufolge wird auf Kárpátia-Konzerten regelmäßig der Hitler-Gruß gezeigt und Sänger János Petras hetzt gegen Roma und Juden.
Im Anschluss an die Zeremonie hat die ungarische Regierung, die Petras bereits 2013 das Goldene Verdienstkreuz des Landes verliehen hat und selbst Horthy und den ungarischen Faschismus rehabilitiert, die Kooperation mit Kárpátia verteidigt. Auf eine Anfrage des Spiegel habe das Verteidigungsministerium in Budapest erklärt, im „Panzermarsch“ gehe es „um Heimatliebe und Respekt für die Soldaten. Wir freuen uns, dass ein Kunstwerk entstanden ist, welches den Militärdienst und die soldatische Berufung möglichst breit popularisiert.“
Das ist offensichtlich auch die Haltung der deutschen Regierung. Gegenüber dem Spiegel habe das Verteidigungsministerium „keine Stellung zu internen Angelegenheiten der ungarischen Streitkräfte“ nehmen wollen. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die rechtsextremen Terrornetzwerke in der Bundeswehr, der Polizei und der Geheimdienste vor allem deshalb existieren und weitgehend unbehelligt operieren können, weil faschistische Kräfte die offizielle Unterstützung des kapitalistischen Staats und seiner politischen Vertreter genießen.