Australischer Labor-Abgeordneter prangert Weigerung der Regierung an, Assange zu verteidigen

In einer Erklärung vor dem australischen Repräsentantenhaus sprach sich der Labor-Parlamentsabgeordnete Julian Hill klar gegen die Vendetta aus, die von den USA gegen den WikiLeaks-Verleger Julian Assange betrieben wird. Über die australische Regierung sagte Hill, sie sei „zu feige, ihn zu verteidigen“.

Ein kurzes Video von Hills Redebeitrag wurde über soziale Medien verbreitet. Seine Äußerungen, in denen er sich klar gegen die Angriffe auf Assanges gesetzliche und demokratische Rechte aussprach, sind die bisher bemerkenswertesten, die von einem etablierten australischen Politiker kommen. Außerdem schlagen sie eine kleine Bresche in eine Mauer des Schweigens, die das Schicksal des WikiLeaks-Gründers umgibt, und für die das gesamte Establishment Australiens mitverantwortlich ist.

Hills Erklärung wirft wichtige politische Fragen auf, die jedoch weder in den Medien noch irgendwo sonst angesprochen werden.

Der Labor-Abgeordnete, der für einen Arbeiter-Wahlbezirk bei Melbourne im Parlament sitzt, begann seine Erklärung mit den Worten: „In elf Tagen wird ein australischer Staatsbürger vor einem Londoner Gericht um sein Leben kämpfen, weil die Regierung der Vereinigten Staaten seine Auslieferung beantragt. Wenn dieser Australier ausgeliefert wird und es ihm gelingt, einer Hinrichtung zu entgehen, dann droht ihm in den USA immer noch praktisch ein Todesurteil, denn er wird 175 Jahre lang in extremer Isolation eingesperrt bleiben.“

Julian Assange vor dem Königlichen Gerichtshof von London, Juli 2011 (Photo: acidpolly)

Assange, so Hill, sei in den USA mit der Aussicht konfrontiert, „in einem System gefangen zu sein, das sicherstellt, dass politische Gefangene wie er systematisch gebrochen werden, ohne Hoffnung auf einen fairen Prozess … Dieser Australier, der amerikanische Verbrechen (einschließlich der Verstöße gegen das Völkerrecht in Guantanamo Bay) aufgedeckt hat, wird in eben diesem Unterdrückungssystem lebendig begraben werden.“

Hill sprach mehrere Angriffe der britischen Behörden auf Assange an, darunter seine Inhaftierung im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh, obwohl er wegen keines Verbrechens verurteilt worden ist, und die Verweigerung eines angemessenen Zugangs zu seinen Anwälten und zu Rechtsdokumenten.

Der Labor-Abgeordnete erklärte, Assange werde „schlimmer als ein Kriegsverbrecher“ behandelt. Bei seinen Gerichtsauftritten im vergangenen Februar sei der WikiLeaks-Gründer „in einen Glaskasten“ gesperrt worden. „Selbst Kriegsverbrecher, die vor dem Internationalen Strafgerichtshof des Völkermordes beschuldigt werden, können direkt neben ihren Anwälten sitzen und sich mit diesen unterhalten.“

Hill erklärte: „Großbritannien behauptet, ein Rechtsstaat zu sein, der ein faires Verfahren, eine offene Justiz und einen ordentlichen Prozess garantiert. Was für ein Witz!“

In einem äußerst wichtigen Kommentar erklärte Hill: „Julian Assanges Verfolgung und Behandlung ist skrupellos. Dies ist an sich schon politisch, aber unsere Regierung ist zu feige, ihn zu verteidigen. Ja sie verlangt nicht einmal, dass er einen fairen Prozess erhält.“

Die Regierung der Liberal-Nationalen Koalition hat zu der Verfolgung Assanges weitgehend geschwiegen. Wenn sie ihn erwähnt, dann nur für die Behauptung, Assange erhalte „wie jeder andere Australier“ einen (rein symbolischen) „konsularischen Beistand“. Premierminister Scott Morrison billigt das Komplott gegen Assange; von ihm ist die Aussage bekannt, es sei Zeit für Assange, sich „der Musik zu stellen“. Die Regierung hat hochrangige Persönlichkeiten in der Trump-Administration, die den Rachefeldzug gegen Assange anführen, in allen Ehren empfangen.

Hill machte deutlich, dass er kein Gegner des amerikanischen Imperialismus oder des Militärbündnisses zwischen den USA und Australien sei. Er warnte vielmehr davor, dass die Komplizenschaft Australiens bei der Verfolgung von Assange „unser Bündnis mit den Vereinigten Staaten korrumpiert und das Justizsystem des Vereinigten Königreichs und das Völkerrecht zum Gespött macht“.

Diese Kommentare spiegeln die Befürchtungen in Teilen des politischen Establishments wider, dass die Behandlung von Assange eine große öffentliche Opposition gegen die gesamte politische Ordnung hervorrufen könnte. Hill hat in der Tat auch schon ein gerechteres Gleichgewicht im Bündnis USA-Australien gefordert, was der australischen herrschenden Elite erleichtern würde, ihre eigenen räuberischen imperialistischen Interessen zu verfolgen, insbesondere im Südpazifik.

Wichtiger ist jedoch, was Hill nicht sagte. Als Vertreter der Labor Party, einer kriegsfreundlichen Partei des Großkapitals, war er nicht in der Lage und nicht willens, die politischen Kräfte, die für Assanges missliche Lage verantwortlich sind, über seine unmittelbaren Gegner in der liberal-nationalen Regierung hinaus anzuklagen.

Hill hätte genauso gut sagen können: „Die Labor Party und ihr Führer Anthony Albanese sind zu feige, Assange zu verteidigen. Ja sie verlangen nicht einmal, dass er einen fairen Prozess erhält.“ Aus offensichtlichen Gründen hat er dies nicht getan.

Seit er im vergangenen Jahr die Führung der Labor Party übernommen hat, hat Albanese bisher noch keine einzige Erklärung zur Verteidigung Assanges abgegeben, ebenso wenig wie sein Vorgänger Bill Shorten. Dies ist umso vernichtender, als Assange in diesem Zeitraum grob in seinen Rechten verletzt wurde, wie Hill selbst jetzt treffend erklärte.

Es geht jedoch um weit mehr als Feigheit. Die konsequente Unterstützung der Angriffe auf Assange durch das politische Establishment, trotz der Tatsache, dass er australischer Staatsbürger und Journalist ist, ist zentraler Bestandteil der immer stärkeren Anpassung Australiens an den US-Militarismus, einschließlich der Pläne für einen Krieg mit China, und einer zunehmenden Hinwendung zum Polizeistaat im Inland.

Labor hat dabei die zentrale Rolle gespielt.

WikiLeaks wurde schon von der früheren Labor-Regierung angegriffen, als der Verlag noch in den Kinderschuhen steckte. Im Jahr 2009 veröffentlichte WikiLeaks die schwarze Liste der von Labor veröffentlichen Websites, die in Australien nicht einsehbar waren. Die Liste widerlegte die Behauptung, dass nur Websites ins Visier genommen würden, die illegale Inhalte aufwiesen, und deckte Anzeichen einer erheblichen Zensur im Internet auf.

Dann drohte der Labor-Kommunikationsminister Stephen Conroy, damit, WikiLeaks bei der australischen Bundespolizei (AFP) zu melden. Assange erklärte später, er befürchte, dass die Organisation zur Zielscheibe von Polizeirazzien und anderen staatlichen Angriffen werden könnte.

Eine noch bedeutendere Reaktion kam 2010, als WikiLeaks eine Reihe explosiver Dokumente veröffentlichte, in denen US-Kriegsverbrechen und globale diplomatische Verschwörungen aufgedeckt wurden. Damals behauptete die Labor-Regierung von Premierministerin Julia Gillard zu Unrecht, dass die Publikation einiger Veröffentlichungen, wegen derer Assange heute von der Trump-Regierung angeklagt wird, eine Verletzung australischer Rechte darstelle. Die AFP widerlegte damals Gillards verleumderische Behauptung.

Julia Gillard (rechts) mit Hillary Clinton, damals US-Außenministerin, 2012

Unbeirrt versprach Gillard, dass ihre Regierung mit den US-Geheimdiensten zusammenarbeiten werde, um WikiLeaks zu zerstören. Sie drohte damit, Assange seinen Pass zu entziehen. Dies geschah auch, als Labor sich anschickte, US-Präsident Barack Obamas Politik des „Pivot to Asia“ zu unterstützen, der großangelegten militärischen Aufrüstung der USA gegen China.

Damals warnten Vertreter der liberal-nationalen Opposition vor den antidemokratischen Auswirkungen der Labor-Angriffe auf Assange, und zwar in Worten, die den heute von Hill verwendeten nicht unähnlich sind.

Im letzten Jahr reagierten hochrangige Persönlichkeiten der Labor Party mit Schadenfreude auf die illegale Verletzung des politischen Asyls von Assange durch Ecuador und seine brutale Verhaftung durch die britische Polizei am 11. April 2019. Tanya Plibersek, die frühere stellvertretende Vorsitzende von Labor, prangerte in einem Tweet Assange-Sympathisanten wiederholt als „Sektenanhänger“ an. Penny Wong, die Senatsvorsitzende der Partei, schloss sich ohne weiteres der Lüge an, Assange sei kein Journalist, was der versuchten US-Strafverfolgung von Assange aufgrund des Spionagegesetzes zugutekommt.

Die Bilanz zeigt mehr als deutlich, dass eine Verteidigung Assanges nicht von der Labor Party kommen wird. Sie gehört vielmehr zu seinen wichtigsten Gegnern.

Es ist dennoch bemerkenswert, dass weder eine einzige bürgerliche Zeitung, noch der öffentlich-rechtliche Staatssender Australian Broadcasting Corporation (ABC) Hills Erklärung auch nur erwähnt. Die offiziellen Medien pflegen so enge Verbindungen zum Militär und zu den Geheimdiensten, dass sie keinen Grund sehen, einen gefangenen Journalisten im Namen der „Pressefreiheit“ zu verteidigen.

Die verhaltene Reaktion ist jedoch auch ein Hinweis darauf, dass solche parlamentarischen Erklärungen nutzlos und für die Ablage bestimmt sind, wenn sie sich nicht auf eine breite öffentliche Mobilisierung stützen.

Hill sprach als Mitglied der parlamentarischen Gruppe „Bringt Assange nach Hause“. Diese wird, wie er sagte, „an den britischen Hochkommissar schreiben und um ein Dringlichkeitstreffen ersuchen, um unsere Bedenken mitzuteilen und zu fordern, dass seine Auslieferung blockiert wird, da er im Vereinigten Königreich keinen fairen Prozess erhält.“

Für viele Beobachter wird es überraschend sein, dass diese parteiübergreifende Gruppierung nun 24 Abgeordnete umfasst, denn die meisten von ihnen haben Assange in der Öffentlichkeit noch nie erwähnt.

Neben Hill gehören sechs weitere Labor-Abgeordnete der Gruppierung an. Keiner von ihnen hat ein klares öffentliches Profil oder eine Führungsposition. Sie legen Wert auf die Feststellung, dass sie Assange „in persönlicher Eigenschaft und nicht als Parteivertreter“ verteidigen.

Assanges entschiedenste Befürworter in dieser Gruppierung sind der unabhängige Abgeordnete Andrew Wilkie, die rechtspopulistischen Vertreter der Nationalpartei Barnaby Joyce und George Christensen sowie der Grünen-Senator Peter Whish-Wilson.

Neun weitere Abgeordnete der Grünen haben ihren Namen zur Verfügung gestellt, so auch ihr Parteichef Adam Bandt. Aber keiner von ihnen, auch nicht der Parteichef, hat mehr getan, als hie und da eine Erklärung abzugeben. Die Partei hat weder ihre Mitglieder zur Verteidigung von Assange mobilisiert noch eine einzige öffentliche Kampagne initiiert.

Das liegt daran, dass ein Kampf gegen imperialistischen Krieg und für demokratische Rechte in Opposition zu den großen Parteien für die obere Mittelschicht ein Gräuel ist. Die Partei hat sich in ihren letzten beiden Parlamentswahlen darauf konzentriert, für eine Koalition mit Labor oder sogar mit den Liberalen zu plädieren. Deshalb hat sie den Angriff der Minderheitsregierung von Gillards Labor Party auf Julian Assange unterstützt.

Die Socialist Equality Party (Australien) betonte in einer kürzlichen Resolution ihres fünften nationalen Parteitags: „[D]ie einzige Möglichkeit, Assanges Auslieferung an die USA zu blockieren und seine Freiheit zu sichern, besteht in der Entwicklung einer internationalen Massenbewegung, in deren Mittelpunkt die Arbeiterklasse steht. Millionen von Arbeitern haben in den letzten Jahren explosive Kämpfe geführt, unter anderem in Großbritannien, den USA und zunehmend auch in Australien. Diese werden sich in der kommenden Zeit noch verschärfen.

Die Aufgabe all derjenigen, die für die Freiheit von Assange kämpfen, einschließlich der SEP, ist es, sich dieser Bewegung zuzuwenden und zu erklären, dass der Kampf für die Freiheit des WikiLeaks-Gründers auf das Banner jedes Kampfes zur Verteidigung der demokratischen Rechte, für soziale Gleichheit und gegen Krieg geschrieben werden muss.“

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