Europa: Covid-Infektionen und -Todesfälle nehmen nach dem Ende der Lockdowns wieder zu

In Europa kommt es aufgrund der Entscheidung, die Wirtschaft wieder hochzufahren, zu einem Wiederaufleben der Corona-Pandemie. Überall auf dem Kontinent haben die Regierungen die Lockdowns verfrüht beendet, teilweise bereits im Mai.

Ende Juli überstieg die Zahl der Toten durch Covid-19 in Europa die Marke von 200.000, mittlerweile ist sie auf fast 210.000 gestiegen. Die Gesamtzahl der Fälle liegt mittlerweile bei 3.797.904, und täglich kommen mehr als 30.000 neue Fälle hinzu. Am Freitag wurden europaweit 35.223 Fälle gemeldet, am Samstag 29.348, am Sonntag weitere 26.021.

Die Direktorin des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, Andrea Ammon, warnte letzte Woche, mittlerweile würden sich fast so viele Menschen mit Covid-19 infizieren wie zu Beginn der exponentiellen Ausbreitung der Pandemie im März.

Vor dem Europäischen Parlament erklärte Ammon: „Das Virus hat im Sommer nicht geschlafen, es hat keinen Urlaub gemacht.“ Sie erklärte, laut neuen Daten hätten sich in ganz Europa 46 von 100.000 Menschen infiziert, und fuhr fort: „Das sind fast die gleichen Werte wie im März.“ Sie wies darauf hin, dass die Zahl der Infizierten Ende März bei etwa 40 von 100.000 lag und bis Ende April auf 70 von 100.000 angestiegen war.

In einigen Teilen Europas ist die Infektionsrate sogar deutlich höher als Ende April. Die Dubrovnik Times schrieb über Ammons Äußerung: „Die Zahlen der 27 EU-Mitgliedsstaaten, Großbritanniens, Norwegens, Islands und Liechtensteins variieren von Land zu Land, von zwei Infizierten auf 100.000 bis hin zu 176 auf 100.000.“ Ammon nannte die betreffenden Länder nicht.

Von zentraler Bedeutung bei der Öffnung der Wirtschaft ist für die herrschende Elite die Rückkehr von Dutzenden Millionen Schülern in ihre Klassenzimmer, damit die Eltern zur Rückkehr in die Betriebe gezwungen werden und dort Profite für die Konzerne erwirtschaften können.

Am Freitag meldeten Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien den größten Anstieg von Corona-Fällen seit dem Höhepunkt der Pandemie im Frühling, als Bilder vom Massensterben und den von der rapiden Ausbreitung des Virus überforderten Krankenhäusern die Welt schockierten.

In Frankreich wurden laut Zahlen des Generaldirektorats für Gesundheit vom Samstag seit Freitag 8.550 neue Fälle von Covid-19 festgestellt. Am Tag zuvor waren es mit 8.975 etwa genauso viele. Am Sonntag wurden weiter 7.071 Fälle verzeichnet. Die Gesundheitsbehörde Santé publique France erklärte dazu: „Auf dem französischen Festland ist das Fortschreiten der Verbreitung des Virus exponentiell.“

In etwa einem Viertel des französischen Staatsgebiets verbreitet sich das Virus rapide und dauerhaft, u.a. in allen großen Städten (Paris, Lyon, Marseille, Lille, Toulouse, Bordeaux und Straßburg). Laut Lepoint wurden außer den 484 bereits identifizierten Clustern 53 neue entdeckt; 208 davon befinden sich in Pflegeheimen.

Sieben weitere Regionaldistrikte wurden in die Kategorie „rote Zone“ für Covid-19 eingestuft, womit deren Zahl auf 28 steigt. In diesen Distrikten können verstärkte Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Während in Frankreich zwölf Millionen Kinder in die Schulen zurückkehren, wurden bereits 22 Schulen wegen Covid-19-Infektionen geschlossen (zwölf davon auf dem französischen Festland, zehn auf der französischen Insel La Réunion im Indischen Ozean).

In Spanien gibt es 517.133 Fälle und die größte Pro-Kopf-Rate aller europäischen Staaten. Am Freitag wurden weitere 4.503 Fälle bekannt, was den höchsten Anstieg seit vier Monaten bedeutet. Mit den 184 Toten, die am gleichen Tag registriert wurden, ist die offizielle Zahl der Todesopfer auf fast 30.000 gestiegen. Die Region Madrid gehört zu den Epizentren der Pandemie. Etwa ein Drittel der 96.000 Infektionen in Spanien wurden dort in den letzten 14 Tagen gemeldet.

In Großbritannien wurden am Sonntag 2.988 neue Fälle gemeldet, was den größten Anstieg seit dem 23. Mai und einen deutlichen Anstieg im Vergleich zum Samstag (1.813 Infektionen) bedeutet. Die Gesamtzahl der gemeldeten Infektionen liegt bei 344.164.

Laut den offiziellen Zahlen liegt die Zahl der Toten bei 41.549, was der fünfthöchste Wert aller Länder weltweit ist. Diese Zahlen sind jedoch stark manipuliert, da laut statistischen Analysen der Übersterblichkeit tausende weitere Menschen gestorben sind. In den Ländern mit der höchsten Zahl an Todesopfern (USA, Indien, Brasilien und Mexiko) leben deutlich mehr Menschen als in Großbritannien.

Die konservative Johnson-Regierung, die sich zu Beginn der Pandemie für eine Politik der Herdenimmunität ausgesprochen hatte, hat den landesweiten Lockdown bereits am 4. Juli beendet. Die Ausbreitung von Covid-19 ist seitdem so stark, dass in einem großen Teil von Nordengland sowie in Glasgow und den Regionen West Dunbartonshire und East Renfrewshire in Schottland örtliche Lockdowns eingeführt wurden. Seit dem 11. August sind mehr als zehn Millionen Schüler und 1,5 Millionen Schulangestellte in Schottland, Nordirland, England und Wales in die Schulen zurückgekehrt. Bis Sonntag hatte diese mörderische Politik zu Corona-Infektionen in mindestens 140 Schulen geführt.

In Italien, wo 35.534 Menschen an Covid-19 gestorben sind, nähert sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen der 2000er-Marke. Letzte Woche wurde der ehemalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi in Mailand nach einem positiven Test auf Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert.

In der ersten Septemberwoche stieg die Zahl der Einweisungen in Intensivstationen wegen Covid-19 – eine wichtige Zahl sowohl für die Kapazität der Krankenhäuser als auch für die mutmaßliche weitere Zahl der Todesopfer durch das Virus – um 62 Prozent landesweit auf 1.733 neue Fälle an. Die evidenzbasierte italienische Medizinstiftung GIMBE veröffentlichte vor Kurzem einen Bericht, laut dem diese Statistiken ein wichtiger Indikator dafür sind, dass die Epidemie kurz vor dem entscheidenden Moment der Schulöffnung nach Italien zurückgekehrt ist.

Angesichts des Wiederauflebens erklärte Franco Locatelli, der Präsident des italienischen Obersten Gesundheitsrats und Mitglied des technisch-wissenschaftlichen Komitees der Regierung: „Wir werden die Schulen um jeden Preis wieder öffnen.“

Eine Umfrage von Save the Children kam zu dem Ergebnis, dass sich sieben von zehn Eltern wegen der Konsequenzen der Rückkehr ihrer Kinder in die Schule Sorgen machen. Der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza, der am 31. August an einer Videokonferenz der Weltgesundheitsorganisation mit 53 Staaten teilgenommen hat, schrieb in einem Tweet vom 31. August: „Das Recht auf Gesundheit und das Recht auf Bildung müssen Hand in Hand gehen. Heute habe ich als Repräsentant Italiens eine Konferenz mit der WHO über die sichere Wiedereröffnung der Schulen unterstützt. Das ist in den kommenden Wochen die wahre Priorität in allen Ländern der Welt.“

In Rom verschob die St.-Georgs-Schule die Öffnung aufgrund der hohen Zahl von gemeldeten Corona-Fällen innerhalb der Schulgemeinde; die Marymount International School musste schließen und auf Onlineunterricht umstellen, nachdem 60 Schüler und Beschäftigte wegen eines massiven Ausbruchs auf dem Campus in Quarantäne gehen mussten.

In Deutschland meldete das Robert-Koch-Institut am Sonntagmorgen 988 Neuinfektionen an einem Tag. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die gemeldeten Fallzahlen an Sonntag oft niedriger sind, weil nicht alle Gesundheitsämter über das Wochenende Daten an das RKI übertragen können.

Am Sonntag meldete der Landkreis Oldenburg in Niedersachsen einen weiteren Ausbruch mit 14 Beteiligten in einem Fleischereibetrieb in Hatten.

In den Bundesländern, in denen die Schule bereits wieder begonnen hat, werden täglich neue Infektionen von Schülern und Lehrern gemeldet. In Essen, der zweitgrößten Stadt des Ruhrgebiets, wurden an zwei Schulen neue Ausbrüche gemeldet: an der Gesamtschule Bockmühle und der Bertha-Krupp-Realschule. In Winterhude (Hamburg) wurden acht Klassen wegen neuer Fälle in Quarantäne geschickt. Seit der Rückkehr in die Schulen wurden 106 Schüler und Lehrer positiv getestet. Die Schulen in Bayern, dem Bundesland mit der zweitgrößten Bevölkerung, in dem auch die Infektionsraten zu den höchsten gehören, sollen am Dienstag wieder geöffnet werden.

Russland hat durch einen rasanten Anstieg der Infektionen und der Todesfälle die Marke von einer Million Infektionen und von 17.820 Todesfällen überschritten. In den drei Tagen seit Freitag wurden mehr als 15.000 Fälle und fast 300 Todesopfer gemeldet.

In der Tschechischen Republik wurden am Samstag 798 neue Fälle gemeldet, in Ungarn 510. Die Slowakei, mit einer Bevölkerung von etwas mehr als 5,4 Millionen Menschen und insgesamt 4.526 Fällen, verzeichnete am Samstag mit 226 Infizierten den stärksten Anstieg an einem Tag seit Beginn der Pandemie.

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