Nawalny und Belarus: Imperialisten verschärfen Kampagne gegen Russland

Die imperialistischen Mächte, allen voran Deutschland, verschärfen die Kampagne gegen Russland wegen des Falls Alexei Nawalny und der Krise in Belarus.

Am Montag wachte der rechte Oppositionelle Alexei Nawalny in der Berliner Charité-Klinik aus dem Koma auf. Laut den Ärzten war er ansprechbar.

Letzte Woche erklärte die Bundesregierung, Untersuchungen eines Bundeswehr-Labors hätten „zweifelsfrei“ bestätigt, dass Nawalny mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die laut Medienberichten persönlich Nawalnys Verlegung nach Deutschland organisiert hatte, stellte dem Kreml ein Ultimatum, „schwerwiegende Fragen“ zu beantworten, wer hinter dem mutmaßlichen Giftanschlag steckt. Ihr Sprecher Steffen Seibert erklärte, er könne „keine zeitlich genau befristeten Erwartungen ausdrücken außer der, dass wir sicherlich nicht von Monaten oder dem Jahresende sprechen“.

Die deutschen Medien benutzten die Gelegenheit, um ihre aggressive Kampagne gegen das Putin-Regime und Russland zu verschärfen. Der Spiegel beispielsweise veröffentlichte letzte Woche einen Artikel mit dem Titel „Es ist Zeit, dem Mann im Kreml wehzutun“. Die bürgerlichen Medien überschlagen sich Aufrufen an die EU und Deutschland, ihren Kurs gegen Russland zu verschärfen.

Die Kampagne um den Fall Nawalny konzentriert sich zunehmend auf die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2, an der mehrere große deutsche und französische Energiekonzerne beteiligt sind. Obwohl das Projekt kurz vor der Vollendung steht, fordern immer mehr Medien und Politiker seinen Abbruch. Die USA bekämpfen es seit Langem.

Die New York Times veröffentlichte am Samstag eine aggressive Kolumne, in der sie den Kongress aufrief, ein „Nawalny-Gesetz“ zu verabschieden, und Deutschland wegen seines Engagements bei Nord Stream 2 angriff. Die Zeitung tobte: „Dank der hartnäckigen Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Gaspipeline Nord Stream 2 aus Russland ist Deutschland Putins größter Unterstützer in Europa geworden. Merkels Position, die Europäische Union solle eigenständige wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Russland unterhalten, war nie zu rechtfertigen. Jetzt ist sie empörend.“

Bundesaußenminister Heiko Maas schloss in einem Interview mit der Bild am Sonntag nicht aus, das Projekt auf Eis zu legen. Am Montag forderte US-Präsident Donald Trump Deutschland erneut auf, das Projekt einzustellen. In der Vergangenheit hatte er bereits mit Sanktionen gegen europäische Firmen gedroht, die daran beteiligt sind. 

Mittlerweile schließt auch Merkel ein mögliches Ende von Nord Stream 2 nicht mehr aus. Die Kanzlerin hat sich den Äußerungen des Außenminister vom Wochenende angeschlossen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Auch die Kanzlerin sei der Auffassung, dass es falsch wäre, etwas auszuschließen.

Die Bundesregierung fordert vom Kreml zwar aggressiv „Antworten“ und eine „Untersuchung“, hat jedoch selbst keine Beweise für ihre eigenen Behauptungen geliefert und kein einziges toxikologisches Gutachten über Nawalny veröffentlicht. Auch auf eine Anfrage der russischen Regierung nach Daten über den Fall für weitere Ermittlungen und nach juristischer Unterstützung hat Berlin tagelang nicht reagiert.

Das Gift, von dem Bundesregierung behauptet, es in Nawalnys Körper gefunden zu haben, gehört zur gleichen Gruppe, mit der angeblich auch der ehemalige russische Agent Sergei Skripal und seine Tochter 2018 in Salisbury vergiftet wurden. Der Fall Nawalny ist genauso undurchsichtig wie der bis heute ungeklärte Giftanschlag auf Skripal.

Man darf nichts, was die Medien behaupten, für bare Münze nehmen. Wie Nawalny den Anschlag mit einem so starken Nervengift wie Nowitschok überleben konnte, ist nur eine der vielen unbeantworteten Fragen.

Ebenfalls unklar ist, warum nur Nawalny erkrankte. Das Gift Nowitschok ist so stark, dass es sich normalerweise auf die Umgebung auswirkt und auch Menschen im unmittelbaren Umfeld des Vergifteten erkranken. Im Fall Skripal starb ein Bewohner von Salisbury, nachdem er eine Parfümflasche berührte, an der sich Spuren von Nowitschok befanden. Es wurden sogar die Evakuierung und der Abriss ganzer verseuchter Gebäude erwogen.

Allerdings ist nicht ein einziger Mitreisender von Nawalny erkrankt oder hat Vergiftungserscheinungen gezeigt.

Zudem hat das Bundeswehrlabor in München Berichten zufolge die „Spuren“ von Nowitschok an einer Wasserflasche gefunden, aus der Nawalny nach der Vergiftung getrunken haben soll. Zuvor wurde nirgendwo erwähnt, dass er eine Wasserflasche bei sich trug. Sein Assistent hatte zu Beginn des Falls ausdrücklich betont, dass er an dem Tag nur eine Tasse Tee am Flughafen von Tomsk zu sich genommen hatte.

Selbst wenn Nowitschok eingesetzt wurde, deutet dies nicht eindeutig auf die Verantwortung Russlands hin. Der Kampfstoff wurde zwar in sowjetischen Labors entwickelt, wird jedoch schon seit Langem weltweit produziert, u.a. in Deutschland. Moskau leugnet weiterhin jede Beteiligung an dem angeblichen Giftanschlag; der Sprecher der russischen Staatsduma Wjatscheslaw Wolodin bezeichnete den Fall als „Provokation“.

Die Kampagne um Nawalny steht in engem Zusammenhang mit der Krise in Belarus, wo die Massenproteste und Streiks gegen Alexander Lukaschenko, der sich zum Sieger der Präsidentschaftswahl vom 9. August erklärt hatte, seit einem Monat andauern. Die EU unterstützt nachdrücklich die Opposition gegen Lukaschenko um Swetlana Tichanowskaja, die sich im Exil in Litauen befindet. Nawalny selbst war ein prominenter Unterstützer der Opposition in Belarus. Vor seiner Erkrankung konzentrierte er seine politischen Aktivitäten darauf, die Krise in dem Nachbarstaat zu diskutieren.

Angesichts der immer aggressiveren Einmischung der EU und der USA in die Krise ging der Kreml vor zwei Wochen dazu über, Lukaschenko offen zu unterstützen. Seither hat die EU ihre Unterstützung der Opposition weiter ausgeweitet. Am Freitag forderte Swetlana Tichanowskaja in einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat die Entsendung internationaler Beobachter nach Belarus. Obwohl sie die „Kollaboration mit dem Regime“ als „Unterstützung für Gewalt und erschütternde Menschenrechtsverletzungen“ verurteilt, strebt ihre Opposition weiterhin einen Dialog mit dem Regime an.

Am Sonntag demonstrierten in Minsk und anderen Städten des Landes erneut Zehntausende beim „Marsch der Einheit“, zu dem die Opposition aufgerufen hatte. Die Demonstrationen waren jedoch deutlich kleiner als in der Woche zuvor, und auch die Streiks beginnen Berichten zufolge abzuklingen. Mehrere führende Oppositionelle wurden verhaftet und ihre Wohnungen durchsucht.

Alexander Jaroschuk, der Vorsitzende des belarussischen Kongresses Demokratischer Gewerkschaften, die die Nato-freundliche Opposition unterstützen, erklärte vor dem Europaparlament, Lukaschenkos Vereidigung in Minsk könne zu einem „massiven Blutvergießen“ führen. Er rief die EU zu einer Intervention in Belarus auf, da andernfalls eine Tragödie „möglich“ sei.

Am Montag wurde Maria Kolesnikowa vom Koordinationsrat der Opposition am helllichten Tag verhaftet und gilt seither als vermisst. Vor ihrem Verschwinden hatte sie angekündigt, die Opposition werde eine internationale Untersuchung gegen Lukaschenko einleiten, weil er die „nationale Sicherheit von Belarus“ gefährdet. Damit meinte sie, dass er sich angesichts der innenpolitischen Krise an den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Hilfe gewandt hatte.

Waleri Zepkalo, ein weiterer Oppositionspolitiker, erklärte: „Wir arbeiten mit internationalen Anwälten in den USA und Europa zusammen, um alles Nötige für eine oder mehrere Ermittlungsverfahren gegen Lukaschenko vor einem internationalen Gerichtshof zu sammeln.“

Bundesaußenminister Heiko Maas forderte am Montag in einem Interview mit der Bild „Klarheit um den Verbleib und die Freilassung aller politischer Gefangener in Belarus. Die fortgesetzten Verhaftungen und Repressionen, auch und vor allem gegen die Mitglieder des Koordinierungsrates, sind nicht hinnehmbar.“

Die Inszenierung der imperialistischen Mächte als Verteidiger der „Demokratie“ und Gegner von Polizeistaatsmaßnahmen in Belarus sind der Gipfel der Heuchelei. Die deutsche Regierung hat in ihrem eigenen Land in den letzten Jahren mehrfach linke Proteste gewaltsam niedergeschlagen und Neonazi-Netzwerke im Staat, der Polizei und dem Militär finanziert und aufgebaut.

Die Intervention der EU in die Krise in Belarus und die Stärkung der Opposition ist vor allem von zwei Anliegen motiviert: Angesichts der zunehmenden inner-imperialistischen Gegensätze und der Klassenspannungen im Inland versuchen die imperialistischen Mächte, erstens die Streikbewegung der Arbeiterklasse unter Kontrolle zu bringen und zweitens ihre eigenen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen in Osteuropa durchzusetzen.

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