USA: Lehrer in Houston beginnen mit Massenkrankmeldungen einen spontanen Streik

Am Donnerstag meldeten sich über 100 Lehrer von mindestens 39 Schulen des Houston Independent School District (HISD) spontan krank und brachten damit den immensen Widerstand zum Ausdruck, der unter Pädagogen gegen die tödlichen Schulöffnungen existiert. Im Bundesstaat Texas sind Streiks aufgrund von reaktionären Gesetzen eigentlich verboten.

Die Krankmeldungen wurde von einer Gruppe namens „Pädagogen für sichere Schulöffnungen“ („Educators for a Safe Reopening“) organisiert, die eine Reihe begrenzte Forderungen an die Bezirksverwaltung gestellt hat – darunter die Durchsetzung von Distanzmaßnahmen, die Bereitstellung von „verbesserten Lüftungs- und Klimaanlagen“ in jedem Klassenzimmer und Transparenz über Covid-19-Infektionen u.a. an Schulen.

Die NaWi-Lehrerinnen Ann Darby (links) und Rosa Herrera registrieren Schüler beim Zutritt zum Sommercamp der Wylie High School in Wylie (Texas). (Bildnachweis: AP Photo/LM Otero, File)

Während sich die Covid-19-Pandemie im gesamten Bezirk schleunigst ausbreitet, wurden in Houston die Schulen bereits am Montag wieder geöffnet und 80.000 Kinder des siebtgrößten Schulbezirks in den USA zurück in die Klassenzimmer geschickt. Dies war Bestandteil einer bundesweiten Öffnungs-Offensive, die von Schulbezirken unter der Regierung der Demokraten durchgeführt wurde. Houston ist die größte Stadt in Texas und liegt in Harris County, dem bisher am schlimmsten betroffenen Bezirk des Bundesstaates. Am Mittwoch verzeichnete Texas die höchste Zahl neuer COVID-19-Fälle (6.197) und Todesfälle (92) und übertraf damit Kalifornien als Bundesstaat mit der höchsten Gesamtzahl von 896.241 Fällen.

Seit Anfang August sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums mindestens 9.719 Studenten und 6.454 Mitarbeiter in ganz Texas an Covid-19 erkrankt. Privatschulen sind darin nicht enthalten, und die Aufschlüsselung nach Distrikten enthält für Distrikte mit weniger als fünfzig eingeschriebenen Schülern keinerlei Informationen. Laut dem Magazin Education Week sind seit dem 1. August mindestens sieben Pädagogen in ganz Texas an dem Virus gestorben.

Auf einer Pressekonferenz am Montag in der Highland Heights Grundschule rühmte sich die Schulbezirksbeauftragte Grenita Lathan einer angeblich reibungslosen Schulöffnung. Sie dankte dem Bürgermeister Sylvester Turner, der Kongressabgeordneten Sheila Jackson Lee, Bezirksvertreter Rodley Ellis, Staatssenator John Whitmyer und dem Abgeordneten Jaris Johnson – allesamt Demokraten – dafür, dass sie „starke Fürsprecher des Schulbezirks“ seien und „Kinder an erste Stelle“ stellen würden.

Das Drängen der regierenden Demokraten von Texas auf eine rasche Wiederöffnung der Schulen fällt mit lauter werdenden Rufen der Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und Kamala Harris zusammen, die unter der betrügerischen Behauptung, dies könne „sicher“ geschehen, eine vollständige Schulöffnung fordern – während die Pandemie völlig außer Kontrolle gerät.

Bei der Präsidentschaftsdebatte am Donnerstag verkündete Biden, dass Schulen einfach „viel Geld brauchen, um geöffnet zu sein“, und fügte hinzu: „Sie müssen mit Lüftungssystemen, kleineren Klassen, mehr Lehrern und vielen Kleingruppen zurechtkommen.“

Diese Kommentare folgten auf einen am Mittwoch veröffentlichten Tweet von Kamala Harris, in dem es hieß: „@JoeBiden und ich wollen Ihre Kinder so schnell und sicher wie möglich wieder in die Schule bringen. Das fängt mit Masken und Schnelltests an, mit wissenschaftlich fundierten Sicherheitsrichtlinien und einer Notfallfinanzierung, um sicherzustellen, dass unsere Schulen über die notwendigen Ressourcen verfügen, damit Schüler und Personal geschützt werden.“

Auf der Pressekonferenz vom Montag verkündete Houstons Superintendentin Lathan, ihr Mantra für die Schulöffnung laute „sicher zusammenkommen – stark zurückkehren“. Sie fügte hinzu, nach sechs Wochen Online-Unterricht „kehren wir gestärkt in den sicheren Präsenzunterricht zurück und heißen die Schüler auf unserem sicheren Schulgelände wieder herzlich willkommen“. Wenige Stunden später gaben die Behörden am Dienstag die Schließung von 16 Schulen bekannt, nachdem an Schulen mindestens 90 Covid-19-Fälle registriert wurden. Mit Stand Donnerstagabend gibt es nun 104 bestätigte Fälle im gesamten Distrikt.

Das Corona-Dashboard von Harris County hat die Einstufung des Bezirks von „Stufe 2 – erheblich“ auf „Stufe 1 – schwer“ erhöht. Dies bedeutet „ein schweres und unkontrolliertes Covid-19-Stadium in Harris County, das von vorhandenen und sich verschlimmernden Ausbrüchen und (über-)strapazierten Test- und Kontaktverfolgungskapazitäten gekennzeichnet ist“.

In Texas werden Lehrer mit Vorerkrankungen, die sie sonst vom Unterricht befreien würden, nun gezwungen, den Präsenzunterricht wieder aufzunehmen. Die Bezirksbehörden behaupten zynisch, dass es für die Schüler nicht sicher wäre, wenn gefährdete Lehrer nicht zurück zur Arbeit kommen würden.

Am Mittwoch gab der Schulbezirk Houston bekannt, dass er die Anforderungen für die Schließung von Schulen von einem bestätigten Covid-19-Fall auf zwei bestätigte Fälle erhöht hat. Der Bezirk änderte außerdem seine Vorgaben dahingehend, dass Lehrer und Schüler einen Tag nach einem Corona-Ausbruch bereits in die Schule zurückkehren müssen. Viele Schulen, die am Dienstag geschlossen wurden, öffneten bereits am Mittwoch wieder, nachdem sie angeblichen „tiefengereinigt“ worden waren. Die spontanen Krankmeldungen wurden von dieser rücksichtslosen Lockerung der Sicherheitsmaßnahmen ausgelöst.

Ein Lehrer des Bezirks, der mit der World Socialist Web Site über die Protest-Krankmeldungen sprach, stellte klar, dass dieser unabhängig von den Lehrergewerkschaften organisiert wurde. Die American Federation of Teachers (AFT), die National Education Association (NEA) und ihre staatlichen und lokalen Mitgliedsorganisationen haben sich zu der Streikaktion nicht geäußert und keinerlei öffentliche Unterstützung gezeigt.

Der streikende Lehrer erklärte: „Unsere Schule wurde wegen eines Falles geschlossen. Wir haben uns zwei Tage lang beraten, und mussten wegen mehreren bestätigten und unbestätigten Fällen schließen. Die Behauptung, dass es mit der Pandemie besser wird, halte ich für falsch.“

Zur allgemeinen sozialen Krise in der Pandemie sagte er: „Die Leute haben ihre Arbeit verloren, ihre Beschäftigung schwindet oder existiert nicht mehr. Die Menschen werden zur Rückkehr an die Arbeit gezwungen. Die Eltern sind gezwungen, ihre Kinder wieder in die Schule zu schicken, damit sie Geld verdienen können. Wir verstehen das alles sehr gut. Wir können sehen, dass jetzt nicht der sicherste Zeitpunkt für die Öffnung der Schulen ist.“

Der Lehrer verwies auf die völlig unsicheren Vorschriften, die vom Schulbezirk verordnet wurden, und erklärte: „Wenn man einen Fall entdeckt, bleibt nicht genug Zeit, um eine vollständige Untersuchung darüber durchzuführen, wer mit dem infizierten Schüler Kontakt hatte. Bei der Kontaktverfolgung geht es nicht nur um einzelne Personen. Manchmal geht es um eine ganze Kontaktgruppe, die festgestellt wird, aber sie scheinen sich immer nur auf einen einzigen Fall zu konzentrieren.“

Er beschrieb auch Probleme mit den Abstandsmaßnahmen in Klassenzimmern, wobei die Abstandsregel auf einen knappen Meter anstelle der zuvor versprochenen 1,8 Meter festgelegt wurde und viele Kinder in schlecht belüfteten Klassenzimmern während der Mittagspause gemeinsam essen.

Der Lehrer nannte außerdem Probleme mit der Freistellung von Lehrerinnen und Lehrern aus der Risikogruppe und beschrieb die geänderten Vorschriften des Bezirks, der Lehrern nun nicht mehr die Möglichkeit einräumt, sich für Online-Unterricht zu entscheiden, ohne dass ihre Krankheitstage angetastet werden: „Erst haben sich die meisten dafür entschieden, online zu unterrichten, dann begrenzte der Bezirk die Zahl derer, die das tun dürfen. Ich finde nicht, dass ein Wettbewerb daraus gemacht werden sollte. Viele haben Vorerkrankungen – hatten Krebs, haben Diabetes – Dinge, mit denen sie zurechtkommen müssen. In Verbindung mit Covid-19 kann das eine wirklich schreckliche Kombination sein.“

Der Distrikt hat darüber hinaus eine härtere Sanktionspolitik gegen Lehrer verhängt, die sich zu spät im Semester dazu entschließen, in den Ruhestand zu gehen. Ihnen wird mit dem Entzug der Lehrbefugnis gedroht.

Ein Lehrer in Colorado, der die Streikenden von Houston unterstützt, sagte gegenüber der WSWS: „Pädagogen wurden plötzlich und unvorbereitet gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt – mit Unterrichtsverhältnissen, die ganz anders sind als die traditionellen Lernumgebungen.“ Er fuhr fort:

„Viele Lehrerinnen und Lehrer sind an der Belastungsgrenze und fürchten um ihre Sicherheit, ihre Angehörigen und ihre Schülerinnen und Schüler. Es ist außerdem schwierig für sie, die Schülerinnen und Schüler effektiv in einen Fernunterricht einzubinden, der von den Schülern mehr Selbstbeherrschung und Selbstbewusstsein verlangt als das traditionelle Lernen. Wenn man zu diesen Problemen noch die schrecklichen Sparmaßnahmen hinzufügt, die die Schulen durchgemacht haben und denen sie sich derzeit gegenübersehen, dann hat man vor Ort ein Rezept für kollektive Massenaktionen der Pädagogen geschaffen.“

Das kürzlich gegründete Texas Educators Rank-and-File Safety Committee (Sicherheitskomitee Texanischer Pädagogen), das dafür kämpft, Lehrer, Eltern und Schüler mit anderen Arbeitern zu vereinen, um die Ausbreitung der Pandemie zu stoppen, hat folgende Erklärung zur Unterstützung der Lehrer in Houston abgegeben:

Das Texas Educators Rank-and-File Safety Committee unterstützt voll und ganz die Bemühungen der Lehrer in Houston, dem mörderischen „Zurück-an-die-Arbeit“-Diktat der Trump-Regierung, der texanischen Schulbehörde und der Demokratischen Bezirksregierung entgegenzutreten. Diese behaupten, die Sicherheit der Arbeiter zu verteidigen, während sie Lehrer in Wirklichkeit sich selbst überlassen.

Arbeiter, Eltern und Schüler in Houston und ganz Texas müssen sich gemeinsam den wissenschaftsfeindlichen Vorgaben der Wirtschaftselite und ihrer Lakaien in den beiden großen Parteien auf Capitol Hill entgegenstellen. Nur die Mobilisierung der Arbeiterklasse – unabhängig von den Demokraten und ihren Verbündeten in den Gewerkschaften – ist in der Lage, gegen diese anhaltenden Angriffe auf Pädagogen zu kämpfen, die aus dem gesamten politischen Spektrum kommen. Wir stehen an der Seite aller Beschäftigter des Schulbezirks und fordern einen Übergang zum ausschließlichen Online-Unterricht, um das Leben unserer Lehrer, Schüler, Eltern, Familien und Gemeinden zu schützen.

Die von Lehrern aus Houston ergriffene Initiative ist Ausdruck des immensen Widerstands, der sich unter Pädagogen und in der gesamten Arbeiterklasse entwickelt. Die entscheidende Aufgabe besteht darin, echte Kampforganisationen aufzubauen, um diese Opposition zu vereinen und zu mobilisieren, was nur unabhängig von den großen Parteien der Wirtschaft als auch von den prokapitalistischen „Lehrergewerkschaften“ geschehen kann. Wir fordern alle, die diesen Kampf führen wollen, dazu auf, sich noch heute den Aktionskomitees für sichere Bildung anzuschließen.

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